"Es gibt keine hundertprozentig funktionierende Wildrettung"
Michael Schmidt, Jäger
Seine Frau Lisbeth ist voll Mitleid für das kleinen Bambi mit den großen Augen und beschließt es zu retten obwohl das Bein des Rehs nur noch durch eine Sehne zusammengehalten wird. Mit Hilfe einer Nachbarin versucht Lisbeth Schmidt das Bein zu schienen und ruhig zu stellen. Eine mühsame Aufgabe bei einem ängstlichen kleinen Reh. Doch es gelingt. Das Ehepaar beginnt das Reh lieb zu gewinnen und gibt ihm den Namen "Hansi".
Bei der Fütterung ergeben sich Probleme, so Lisbeth Schmidt. Das erste Problem: die richtige Milch für Hansi finden. Von einer Wildtieraufzuchtstation wird Kälberaufzuchtsmilch empfohlen. Aber Hansi will nicht aus dem Fläschchen trinken. Nach vielen erfolglosen Versuchen, kommt Lisbeth Schmidt auf die Idee, Hansi aus ihrer hohlen Hand trinken zu lassen. Es funktioniert.
Ein Tierarzt gibt dem Ehepaar die Empfehlung, das Kitz zu erschießen. Dies bringen sie aber nicht übers Herz und so fahren sie später mit Ihrem Hansi zu einem anderen Tierarzt. Der meint, dass die Schiene eine prima Idee sei und läßt sie am Hinterlauf. Erst als das Bein wieder zu heilen beginnt, bekommt Hansi einen Gips, damit er wieder laufen kann. Der Tierarzt ist vom Engagement des Ehepaares beeindruckt und verrechnet für die unzähligen Behandlungen am Ende nur 50 Euro. Es dauert etwa ein halbes Jahr, bis Hansi wieder gesund ist. Allerdings kann man ihn nun nicht mehr auswildern. Seine Mutter würde ihn nicht mehr annehmen, da er die menschliche Witterung angenommen hat. So muss das Kitz, das noch immer auf Milch angewiesen war, weiter von Familie Schmidt versorgt werden.
Das ist jetzt zwei Jahre her und Hansi ist immer noch putzmunter. Der mittlerweile zahme Rehbock lebt im Garten der Familie Schmidt in Gülchsheim in einem eigenen Gehege. "Eine hundertprozentig funktionierenden Wildrettung gibt es nicht", so Jäger Michael Schmidt, aber man kann versuchen, die Verluste gering zu halten. Im Jagdrevier Gülchsheim, in dem er die Jagderlaubnis hat, funktioniert das hervorragend: die Landwirte geben dem Revierinhaber frühzeitig Bescheid, bevor sie mit dem Mähen ihrer Wiesen beginnen. So geben sie dem Jäger noch die Möglichkeit die Rehe von den Wiesen zu vertreiben.
Dies gelingt zum einen mit "Scheuchen", das sind Plastiksäcke die an Stangen befestigt sind. Das laute Rascheln des Plastiks im Wind signalisiert der Geiß Gefahr und sie zieht ihren Nachwuchs aus der Wiese ab. Oder der Jäger sucht die Grünflächen mit dem Hund ab und trägt die Kitze heraus. Der Hundegeruch hält dann die Geißen davon ab, ihre Kitze in der darauf folgenden Nacht erneut in die Wiese zu führen.
Entscheidend für eine größtmögliche Rettung von Rehkitzen sind gute Kontakte zwischen Jägern und Landwirten. Deshalb ruft Michael Schmitt alle Landwirte dazu auf, dem jeweiligen Pächter, durch einen kurzen Anruf, spätestens am Abend vor dem Mähen Bescheid zu geben. Dies liegt sicherlich auch im Interesse der Landwirte, die sich das jämmerliche Schreien eines angemähten Rehkitzes ersparen möchten.
So hätte auch Hansi seinem Unfall entgehen können. Doch ihm geht es dank seiner Retter heute wieder gut. Zur Gesellschaft hat das Paar für Hansi noch einen Ziegenbock gekauft. Kinder kommen gerne vorbei, um das zahme Reh und den Ziegenbock Hennry aus der Nähe zusehen. Aber streicheln lässt sich Hansi nur von seinem Frauchen Lisbeth.