zurück
WÜRZBURG
Straßenbahnfahrer aus Leidenschaft
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 30.12.2016 03:35 Uhr

In den alten Straßenbahnen mit Anhängern stellte er die Weichen noch per Hand. Er leistete Fahrgästen erste Hilfe, rannte Schwarzfahrern hinterher und kam Frauen zur Hilfe, die belästigt wurde. In 37 Jahren als Straßenbahnfahrer hat Michael Feuerbach viel erlebt, aus der Ruhe bringen ihn nicht einmal vereiste Schienen.

Er hat Tränen in den Augen

Doch jetzt steht er im kahlen Gang des Betriebshofs der Würzburger Straßenbahn (WSB) in der Sanderau und kann die Tränen nicht zurück halten. Im Januar beginnt sein Ruhestand und heute setzt sich der 63-Jährige zum letzten Mal in das Führerhaus.

Begonnen hat der gelernte Fernmeldetechniker 1979 bei der WSB. Aus Leidenschaft. Denn das Herz des gebürtigen Volkachers hing an der Schiene. Dass sein Herz auch an den Menschen hängt, hat er dann als Fahrer auf den Linien 1 bis 5 gemerkt.

„Wer zu ihm in die Straba stieg, ist häufig mit einem Lächeln ausgestiegen.“

„Ich bin der Michael“, so hat er mit vielen Fahrgästen ein Gespräch begonnen. Hatte für jeden ein nettes Wort, für viele sogar mehr. Seh- oder gehbehinderte Würzburger hat er beim Ein- und Aussteigen geholfen oder über die Straße gebracht.

„Michael Feuerbach ist ein Original“, sagt der Würzburger Journalist Wolfgang Hugo, der Feuerbach – natürlich – aus der Straßenbahn kennt. Schöne Worte findet Hugo, um zu beschreiben, was den original Strabafahrer ausmacht: „Er ist einer der letzten seiner Art, der zeigt, was an Menschlichkeit möglich ist. Wer zu ihm in die Straba stieg, ist häufig mit einem Lächeln wieder ausgestiegen.“

Kein einfaches Schicksal

Dabei gab das Leben Feuerbach nicht immer Grund zu lächeln. Er verlor zwei Kinder, seine Frau ist schwer krank. „Ich bin Christ“, erklärt der Veitshöchheimer, was ihn dazu bringt, seinen Mitmenschen stets respektvoll, freundlich und anständig zu begegnen.

Leicht gemacht wurde das Feuerbach gerade in jüngster Zeit nicht. Zum einen durch die Veränderungen seines Berufes. Technische Verbesserungen wie Niederflure im Wagen und Meldedisplays in der Fahrerkabine machen zwar vieles bequemer, den Fahrer aber auch einsamer.

Früher verkaufte der noch Fahrkarten und verließ seinen Platz, um Kinderwagen die Stufen hoch zu tragen. Heute darf er das heute nur noch im Notfall. Die Pünktlichkeit der Straba geht vor. „Da ging schon was verloren,“ findet Feuerbach, der seine Arbeit nie darauf beschränkte, Straba zu fahren.

Heute soll alles schnell gehen

Aber auch die Fahrgäste haben sich seiner Meinung nach verändert. „Heute schaut jeder nur noch auf sein Smartphone und so schnell wie es da funktioniert, soll es auch überall sonst gehen.“

Diese Missachtung schmerzt Feuerbach. Er ist ein pflichtbewusster Mensch. Hat sich immer bemüht vorausschauend zu fahren, um abrupte Bremsungen zu vermeiden. Alles im Blick zu haben, um die Türe noch einmal zu öffnen, wenn noch ein Fahrgast angerannt kommt. Pünktlich am Bahnhof zu sein, damit die Anschlüsse erreicht werden.

„Für die meisten Menschen ist das alles selbstverständlich, aber wehe wenn es mal nicht klappt, dann wird heute sofort gemeckert.“ Früher hätten sich die Menschen öfter mal bedankt.

Tränen in den Augen

Er tut das heute. Seine Frau, Kollegen, aktuelle und ehemalige Chefs steigen im Sanderauer Depot zu Feuerbach in die Straßenbahn. „Ich bedankte mich für die Unterstützung, die ich von euch allen bekommen habe“, sagt Feuerbach. Dann setzt sich der Wagen mit lautem Quietschen in Bewegung und er wischt sich die Tränen aus den Augen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Manuela Göbel
Leidenschaft
Ruhestand
Schwarzfahrer
Würzburger Straßenbahn
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • G. B.
    Danke an Herrn Feuerbach. Er hat sicherlich die Stadt ein Stück menschlicher gemacht!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten