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Stinkende Chemie und blöde Professoren-Fragen
Würzburg Sein in zahlreichen Auflagen erschienenes Anatomie-Lehrbuch gilt als die "Bibel der Medizin-Studenten". Nach einer langen Reihe von Fachpublikationen hat Professor Theodor H. Schiebler nun "Erinnerungen eines Arztes 1923 - 1945" herausgegeben.
Von unserem Mitarbeiter Dr. Josef Kern
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
"Zum Glück haben meine Eltern trotz des Zweiten Weltkrieges unseren Briefwechsel aufgehoben", erzählt Schiebler, der von 1963 bis zur Emeritierung 1990 an der Würzburger Alma Julia lehrte. "Ich habe diese Briefe und die Antworten sortiert und eine Auswahl daraus getroffen, mit dem Ziel, dass sich aus meinem Erleben die Zeit spiegelt." Im Unterschied zu manchen Autobiografien, die die Vergangenheit schönen, nutzt der Professor seine Briefe als objektive, unbereinigte Quellen.

Hin und wieder streut er nachträgliche Bewertungen und Erinnerungen ein, die durch umfangreiche Anmerkungen zum politischen Geschehen ergänzt werden. Letztere verdeutlichen den Unterschied zwischen deutscher Kriegspropaganda und der tatsächlichen Lage.

Theodor Heinrich Schiebler wurde 1923 in Berlin geboren, wo er nach dem Überspringen einer Klasse 1940 das Abitur machte. Schon bald stand für ihn fest, Arzt werden zu wollen. 1942 machte er sich Gedanken über den Studienort: "Dabei rückte Würzburg an die erste Stelle, obgleich ich es nicht kannte." Berlin schien ihm "wegen der weiten Wege und der großen Studentenzahl nicht attraktiv".

Zunächst aber erfolgte die Einberufung zum Arbeits-, dann zum Kriegsdienst. Schieblers Berichte von der Front bestechen durch ihre Sachlichkeit und das Fehlen eines jeden Pathos. Aus den Briefen der Eltern klingt wie aus jenen des Sohnes die tiefe Verbundenheit mit dem Vaterland, die nicht mit Ergebenheit gegenüber den braunen Machthabern verwechselt werden darf.

Von besonderem Interesse für die Würzburger Universitäts- und Stadtgeschichte sind Schieblers Schilderungen seines Studiums. "Wir mochten unsere Professoren und fühlten uns ihnen verbunden. Ich erinnere mich nicht, in den Vorlesungen jemals etwas Weltanschaulich-Doktrinäres gehört zu haben."

Lob für die Lehrer, aber auch Kritisches findet sich an verschiedenen Stellen. So heißt es unter dem 15. Mai 1943: "Am hässlichsten ist das chemische Praktikum. Dort stinkt es gewaltig, und dann fragen die Professoren saublöde." Im Oktober 1944 absolvierte Schiebler das Physikum mit der Note "sehr gut". Es folgte der Einsatz in Feldlazaretten an der Ostfront. Am Ende des Krieges geriet der junge Arzt in amerikanische Gefangenschaft.

"Der Rücktransport endete am 21. Juni 1945 zu meiner großen Verwunderung vor dem Hauptbahnhof in Würzburg, meiner geliebten Studentenstadt", so heißt es im abschließenden Absatz. Das Buch endet mit der Frage: "Wie wird es nun weitergehen?"

Eine Fortsetzung wäre laut Schiebler durchaus möglich. Doch zuvor hofft er auf jüngere Leser: "Das Wort Zuversicht im Titel soll ausdrücken, dass sich das Buch auch an junge Menschen wendet. Schon früher hat es Probleme und schier ausweglose Situationen gegeben." Als nächstes Projekt hat sich der keineswegs wie ein Achtzigjähriger wirkende Wissenschaftler gemeinsam mit seinem Verlag etwas ganz anderes ausgedacht - ein Lehrbuch der Anatomie mit Comic-Illustrationen.

Theodor H. Schiebler, Mit Zuver-
sicht ins Leben. 331 Seiten mit Ab-
bildungen. Verlag JKL Publikatio-
nen, Berlin 2003, 19.80 Euro.

 
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