Die Rolle als Doppelagent im Würzburg des Kalten Krieges war abenteuerlich genug. Aber nie hätte sich Stasi-Spion Horst Hesse ausgemalt, dass die DDR-Propaganda aus ihm und der Aktion „Sonnenschein“ in Würzburg eine Art James-Bond-Film des Ostens machen würde.
An einem hellen Sonntagmorgen im Mai 1956 gingen zwei Männer im Würzburger Stadtteil Frauenland von Tür zu Tür. Sie erkundigten sich besorgt bei Anwohnern, ob die Anwohner in der Nacht etwas von einem Einbruch in einem Wohnhaus in der Eisenmannstraße bemerkt hätten. Dort fehlte ein Safe mit brisanten Dokumenten. US-Major John C. Walker, der hier eine getarnte Filiale des US-Geheimdienstes MID untergebracht hatte, vermisste auch einen Mitarbeiter: Horst Hesse aus Magdeburg.
Hesse blieb zunächst an jenem Sonntag verschwunden. Aber neun Tage später erfuhr man nicht nur in Würzburg, wo Tresor und Agent geblieben waren. Der damalige DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl präsentierte in einer Pressekonferenz in Ost-Berlin den Safe samt Inhalt – ein echter Propaganda-Coup der Ost-Agenten.
Der reuige Spion
Der vermisste Horst Hesse beichtete alles über die Arbeitsweise der Würzburger MID- Zentrale und enttarnte sämtliche Mitarbeiter. Der reuige Spion erklärte dabei: „Nachdem mir Zweifel gekommen waren über die Richtigkeit meiner Tätigkeit, fasste ich den Entschluss, mit dem Geheimdienst zu brechen und in die DDR zu gehen. Zum Beweis meines Willens nach Wiedergutmachung nahm ich mir vor, sämtliche Panzerschränke mit ihren wichtigen Inhalten in die DDR zu bringen.“
Sein Würzburger Chef, Major John Walker, wurde ebenso enttarnt wie seine Würzburger Geliebte Lieselotte P., die am Rennweger Ring wohnte. Hesse verriet seine Mitarbeiterin Luise T., die in dem Haus in der Eisenmannstraße 4 wohnte, und den Funkausbilder Willi D. aus Veitshöchheim sowie die Deckadresse einer Anna L., über die man Kontakt mit DDR-Bürgern aufgenommen hatte. 137 in der DDR lebende Agenten fielen dem Verrat zum Opfer.
Die Geschichte vom reuigen US-Agenten, der sich der DDR-Staatssicherheit offenbarte, war ein Schmierenstück der Desinformation. „Aktion Sonnenschein“ war von langer Hand geplant.
Hesse, ein früherer Volkspolizist, war über einen Magdeburger Nachbarn per Brief für die Amerikaner angeworben worden. Doch „ich ging mit dem Brief zur Volkspolizei, die eine Verbindung zur Bezirksverwaltung des MfS herstellte“. Nach einer Schamfrist, in der er wertlose Informationen über die Rote Armee in Magdeburg geliefert hatte, „floh“ er 1955 in den Westen. Er gewann das Vertrauen von Walker, dem Chef in Würzburg. „Ich wertete Fotokopien von Briefen und Telegrammen aus, die von der DDR in die Bundesrepublik geschickt wurden. Es ging darum, die Post daraufhin zu überprüfen, ob sich irgendwo die Anwerbung von Agenten anbot. Walker ernannte mich zum Leiter der Abteilung ,Agentenwerbung'.“
Nun plante die Stasi den Raub eines Tresors mit der Datei sämtlicher MID-Agenten im Osten. Drei Monate musste die Stasi warten. Dann startete sie die „Aktion Sonnenschein“. Hesse setzte die Sekretärinnen, die mit ihm allein waren, mit Likör außer Gefecht. Dann wurde der Tresor aus dem Haus geschleppt – und ab ging es Richtung DDR-Grenze. In Ost-Berlin hatte DDR-Chef Otto Grotewohl Tage später seinen Auftritt.
Krimi in den Tagen des Kalten Krieges
Für Hesse schien die Geschichte damit zu Ende. Aber als in den Tagen des Kalten Krieges James Bond auf der Kinoleinwand Furore machte, beschloss man in Ost-Berlin, mit den „Kundschaftern des Friedens“ gegenzuhalten. Ein Jahr nach dem ersten Bond-Film brachte die Defa den Streifen „For Eyes only – Streng geheim“ auf den Markt. Held des Films ist der Stasi-Aufklärer Hansen (gespielt von Alfred Müller), der 1961 in der Würzburger Handelsgesellschaft „Concordia“ arbeitet. Das ist aber nur Tarnung für eine Spionagezentrale des Geheimdienstes der US-Armee. Tatsächlich werden hier finstere Pläne gegen die DDR geschmiedet, die der wackere „Kundschafter“ des MfS schließlich unter Lebensgefahr ans Licht bringt.
Als der Film im Sommer 1963 in die ostdeutschen Kinos kam, wurde er schnell zum Kassenschlager. Bis heute gilt er als das „renommierteste Beispiel“ für die DDR-Spionagefilme. Das Lexikon des Internationalen Film bewertete „For eyes only“ 1995 als mit „großem Aufwand geschickt inszenierten, gut gespielten Agententhriller“.