Ist rassistische Polizeigewalt ein kollektives Problem, auch bei deutschen Sicherheitskräften? Über diese Frage wird hierzulande seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd heftig diskutiert, es wird demonstriert – und vor allem pauschalisiert. Allein am vergangenen Wochenende haben wieder Zehntausende überall in der Republik gegen Rassismus und gewalttätige Polizisten protestiert.
Und SPD-Chefin Saskia Esken hat sich bereits ihr Urteil gebildet. Sie glaubt, unter den rund 300.000 deutschen Polizisten einen „latenten Rassismus“ erkennen zu können. Belege für diesen Generalverdacht liefert sie nicht. Deshalb muss sich Esken den Vorwurf gefallen lassen, die größtenteils gute Arbeit der Frauen und Männer in Uniform leichtfertig zu diskreditieren.
Unbestritten ist, dass es innerhalb der Polizei Beamte mit rassistischer Gesinnung gibt. Zahlreiche Beschwerden von Betroffenen zeugen Jahr für Jahr davon. Jeder einzelne Fall ist schlimm und darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Und es ist wichtig, eine öffentliche Debatte darüber zu führen. Denn die Polizei hat tiefgreifende Rechte zum Schutz der Bevölkerung. Ihr Handeln wird deshalb entsprechend kritisch beobachtet. Das ist gut und richtig so. Total überzogen aber ist es, bei einzelnen Auswüchsen die gesamte Organisation an den Pranger zu stellen.
Der Polizeiforscher Rafael Behr, früher selbst Polizist, sieht keinen Grund, „von einem institutionalisierten Rassismus in der Polizei zu sprechen“. Aber es gebe „Strukturen und institutionelle Bedingungen, die Rassismus nicht verhindern“. Der Professor an der Akademie der Polizei in Hamburg sagt: „Die Nichtthematisierung dieses Themas war bisher das größte Defizit der deutschen Polizeiführung.“
"Schwarze und Migranten sind weit überproportional von Polizeikontrollen betroffen“
Die Frankfurter Wissenschaftlerin Vanessa E. Thompson und Daniel Loick von der Universität Amsterdam verweisen in einem Beitrag für den Deutschlandfunk darauf, dass es nicht nur die öffentlichkeitswirksamen Fälle von Rassismus sind, die bei dunkelhäutigen Menschen für leidvolle Erfahrungen sorgen. Prägender noch sei „die unspektakuläre und normalisierte Gewalt“, wie das sogenannte racial profiling. Gemeint sind damit polizeiliche Personenkontrollen, von denen Schwarze und Migranten „weit überproportional betroffen sind“.
Wer jeden Tag damit rechnen müsse, auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule angehalten, vor den Augen anderer an die Wand gestellt, durchsucht und möglicherweise auch schikaniert, beleidigt und körperlich angegangen zu werden, erfahre „gravierendes psychosoziales Leid". Und er erlebe "die Polizei nicht als Schutz, sondern als das Gegenteil“.
Sinnvoll ist die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle
Zum Glück leben wir in einem Rechtsstaat, in dem es möglich ist, derartige Alltagsdiskriminierungen nicht hinnehmen zu müssen. Betroffene können gegen schikanöse Beamte Dienstaufsichtsbeschwerde oder Strafanzeige erstatten. Als sinnvoll erweist sich darüber hinaus die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle mit einem Polizei- und Bürgerbeauftragten. Bislang gibt es Schlichtungsstellen dieser Art in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Geplant sind sie außerdem in Bremen und Berlin.
Die Polizei- und Bürgerbeauftragte von Rheinland-Pfalz, Barbara Schleicher-Rothmund, hat gerade erst bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus von positiven Erfahrungen in ihrem Amt berichtet. Es sorge für eine "Stärkung von Transparenz".
Auf jeden Fall kann ein Schlichter, der Beschwerden von Bürgern und Polizisten entgegen nimmt und nach Lösungen sucht, einen wertvollen Beitrag für das gegenseitige Verständnis liefern und das Vertrauen in die Polizei stärken. Das ist allemal besser als pauschale Unterstellungen.
https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Du-wirst-mich-umbringen-Rassismus-Vorwurf-gegen-Polizei,rassismus184.html?fbclid=IwAR0xzsiWzdR0e9yitfCc9qflE85NCoNrc-kmGnx5oqm0l7Kp0OLogZjQW1U
Die Staatsanwaltschaft hat bereits 2019 den Fall in Bezug auf Körperverletzung geprüft und die Ermittlungen diesbezüglich eingestellt. Aufgrund des jetzt aufgetauchten Videos werden die Ermittlungen wieder aufgenommen.
Gut, das jetzt genauer hingeschaut wird!
Ja, Frau Esken hat gesagt, auch in Deutschland gebe es "latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte". Sie fügte hinzu, dass die große Mehrheit der Polizeibediensteten solchen Tendenzen aber sehr kritisch gegenüberstehe und dass jene Mehrheit unter dem daraus entstehenden potenziellen Vertrauensverlust leide.
Wogegen genau wenden Sie sich eigentlich in Ihrem Kommentar? Das alles war in Frau Eskens Einlassung schon enthalten. Dagegen bleiben Sie den Beleg, dass sie mit ihrer Aussage über den latenten Rassismus irrt, schuldig.
Es tut mir leid, das so feststellen zu müssen (nach Jahrzehnten! der MAINPOST-Lektüre), aber solche Kommentare sind billig und ein würdeloses Aufspringen auf die Berichterstattungsmethoden anderer Blätter, die auch so gerne rauschen...
Sie zitieren die Justizministerin: "Die absolute Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland hat mit Rassismus absolut nichts am Hut".
Wo ist inhaltlich der große Unterschied zu Eskens Aussage, "dass die große Mehrheit der Polizeibediensteten solchen Tendenzen aber sehr kritisch gegenüberstehe und dass jene Mehrheit unter dem daraus entstehenden potenziellen Vertrauensverlust leide"?
Die Angeführten reagieren offenbar alle nur auf den ersten Halbsatz, empören sich lustvoll und ignorieren die Differenzierung. Ich bin kein Fan von Esken, aber das finde ich unredlich.
Und zum vielbemühten Generalverdacht: wachsame Augen und Ohren gegen Rassismus zu institutionalisieren ist noch lange kein Generalverdacht gegen die Polizei. Dann ließe sich genausogut die bloße Existenz der Polizei als Generalverdacht gegen die Bevölkerung verstehen...
Das ist zwar kein Freibrief dafür, wenn ein Polizist mal austickt, aber Polizisten sind auch nur Menschen. Das sollte man auch mal bedenken. Normal ist es auch so, wenn ein Polizist so was macht, dann war er die längste Zeit Polizist.
Dienstaufsichtsbeschwerden sind das untauglichste Instrument, um sich gegen Fehlverhalten von Polizei oder Staatsanwaltschaft zu „wehren“: nach meiner Erfahrung führt das ausschliesslich dazu, dass die Reihen geschlossen werden, man sich standesdünkelnd überlegt, wie man die Vorwürfe auf kleinstem Niveau unkompliziert entledigt und ggf. den Beschwerdeführer selbst diffamiert und entwertet.
Was Strafanzeigen gegen Polizeibeamte angeht, verweise ich auf diese erhellende Studie von Tobias Singelnstein:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/studie-zu-polizeigewalt-wenn-der-freund-und-helfer.1008.de.html?dram:article_id=459046
Hier besteht ein immenser Missstand und es ist traurig, dass es die SPD ist, die das ansprechen muss, weil Konservative seit Jahrzehnten wohlweislich jede Reform blockieren.
Nach Anhörung im Petitionsausschuss November 2017 wurde auch ich selbst an Schindler verwiesen, der Termin war im Mai 2018 - seither habe ich nichts mehr gehört. Schindler in Pension, der Posten des Bürgerbeauftragten wird nun von der ehemaligen Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Böhlen, geführt.....
Nach meiner Erfahrung sind solche Instrumente bislang reine Fassade, um dem Bürger und den Medien eine „Prüfung“ und Kontrolle polizeilichen Fehlverhaltens vorzugaukeln. In der Praxis ändert sich nichts.
Auch zahlreiche Polizisten leiden, die Suizidzahlen sprechen für sich....auch das will kein Politiker hören!
M. Deeg
Polizeibeamter a.D.
Der Landtag BW hat bereits vor Jahren den Posten des „Bürgerbeauftragten“ geschaffen und hierfür einen ehemaligen Vize-Polizeipräsidenten, Volker Schindler, eingesetzt.
Das entpuppte sich als bloße Kosmetik. Schindler fungierte, wie u.a. auch der Fall einer mutmaßlichen Freiheitsberaubung im Amt durch die Stuttgarter Polizei gegen eine unschuldige Lehrerin zeigte, kaum mehr als der Erfüllungsgehilfe des CDU-Innenministers Strobl. Die üblichen Muster: falsch verstanden, Staatsanwaltschaft hat falsch informiert, blabla... der Vater der Betroffenen, selbst pensionierter Polizeihauptkommissar in Freiburg, wandte sich schließlich an die Medien, wo er deutliche Worte fand....(2)
Die SPD schafft sich wohl bald selbst ab. Vermutlich nun einige Wählerstimmen seitens der Bevölkerung und Ordnungshüter verloren.
So richtig nachempfinden wönnen wir das halt als "Weise" Menschen bei uns in Deutschland nicht. Allenfalls vielleicht im Ausland mit überwiegend schwarzer Bevölkerung - aber kein Touristenzentrum - wo es vielleicht auch manchmal "im Magen etwas grummelt".
Fürsorgepflicht bedeutet auch, Missstände und Fehlentwicklungen aufzuklären und zu beenden. In Bayern wird hingegen blockiert und gemauert, wo es nur geht....