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WÜRZBURG
Stadtreiniger wollen keine Pfandringe
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 18.04.2016 15:16 Uhr

Das haben die meisten schon in der Stadt beobachtet: Menschen, die sozial eher am unteren Ende der Leiter stehen, durchforsten öffentliche Müllkörbe nach brauchbaren Resten oder Pfandflaschen, bei deren Rückgabe ein paar Cent oder Euro für sie rausspringen.

Ein etwas unwürdiger Akt der Einkommensverbesserung, den so genannte Pfandringe vermeiden sollen: Wer eine leere Pfandflasche hat, wirft sie nicht den Abfalleimer, sondern stellt sie in einen extra angebrachten Ring. Das System wollte die SPD-Stadtratsfraktion auch in Würzburg einführen. Doch im Werkausschuss fiel der Antrag durch. Hauptgründe: Mehr negative als positive Effekte, zu teuer. Die überwiegende Mehrheit der 15 Stadträte schloss sich der ablehnen Haltung der Verwaltung, sprich der „Stadteiniger“, an: Lediglich sechs Stadträte von Rot und Grün stimmten für das Projekt.

Joachim „Jojo“ Schulz, einer der vier Antragsteller aus der SPD, ist etwas enttäuscht, dass das Pfandring-System nicht einmal getestet werden soll. „An zwei Abfallbehältern in der Innenstadt hätte man es ausprobieren können“, sagt Schulz. Zudem teile seine Fraktion nicht die Bedenken der „Stadtreiniger“, dass durch Pfandringe mehr Insekten an die Müllbehälter gelockt werde. „Wir wollten die Menschen, die sowieso wenig haben, ein klein wenig unterstützen und ihnen das würdelose Wühlen ersparen“, begründet Schulz die Initiative.

Erfunden hat den Pfandring vor drei Jahren der Kölner Designer Paul Ketz, Ihm zufolge sind Pfandringe in Köln, Karlsruhe, Bielefeld, Magdeburg und Bamberg im Einsatz. Erlangen, Nürnberg und Frankfurt lehnen das System dagegen ab.

Warum? Als Hauptgründe werden genannt: Die Ringe passten nicht zu den steigenden Anforderungen an die „Stadtmöblierung“; das Durchsuchen der Abfallkörbe werde nicht verhindert, da weiterhin nach anderem verwertbarem Müll gesucht werde; es bestehe die Gefahr für mehr Glasbruch; die Ringe würden auch für Flaschen ohne Pfand genutzt; die Entleerung verschiedener Abfallkorb-Typen verursache mehr Aufwand. Zudem könne ein vereinfachtes Flaschensammeln auch „professionelle“ Konkurrenz zu den Bedürftigen anlocken.

Diese Bedenken teilen die Stadtreiniger“. Zudem verweisen sie auf die Erfahrungen der „Pfandring-Städte“: Die Situation habe sich nicht verbessert. Im Gegenteil, die Vermüllung habe zugenommen, Pfandsammler wühlten weiterhin in Papierkörben.

Ein weiteres Problem: Bei den grauen Abfallkörben, die in der Würzburger Innenstadt stehen und eine Mülltonne umhüllen, ließen sich keine Standardpfandringe anbringen. Es müssten Flaschenbehälter auf oder an die Körbe montiert werden, so die „Stadtreiniger“. Das sehe nicht gut aus und koste eine ganze Menge: Mindestens zwischen 300 und 400 Euro pro Behälter. Auch extra Pfandkisten seien keine Alternative: aus optischen und finanziellen Gründen.

Die „Stadtreiniger“ kommen wie auch das Sozialreferat zu dem Fazit: „Pfandringe sind keine geeigneten Lösungen zur Bekämpfung der Armut.“ Dennoch hat Joachim Schulz die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, dass es irgendwann mit dem System doch noch was wird. Man sei übereingekommen, sich das Bamberger Pilotprojekt genauer anzuschauen.

 
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  • D. K.
    finde die Pfandringe gar nicht schlecht, weil sonst die Stadtreiniger, den Abfall der nach dem durchsuchen außen verstreut ist, wieder aufsammeln müßen, oder so.
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  • A. G.
    DOCH! Man könnte Menschen, wie z. B. den Schüttel-Schorsch, so lange Pfandringe mit gesammeltem Gut aus den Grünanlagen bestücken lassen, bis er weiß, warum er 22 !!! Jahre den Staat und damit die Bürger betrogen hat und er dann vielleicht seine fürstliche Pension verdient hat. Damit wäre den Armen gedient! Den anderen auch!
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  • A. S.
    mich mal interessieren, ob der im Artikel genannte Erfinder/Designer dieses Teiles
    einen Betrag seines Gewinns aus dem Verkauf für Bedürftige gespendet hat.

    Dann frag ich mich, warum die Politiker/Stadträte hier die Ansichten der Stadtreiniger
    anzweifeln - haben die schon mal Mülleimer geleert - oder saubergemacht?

    Ich selbst hab auch noch keine öffentlichen Mülleimer geleert oder Straßen saubergemacht, aber ich kann mir schon vorstellen dass die Eimer trotz allem
    durchwühlt werden und glaube den Experten.
    Wer die Pfandflaschen sammelt, der wird das tun - ob so ein Ring daran ist oder nicht.
    Wenn so eine Plastikflasche dort eingestellt wird - weht der Wind die nicht auch raus?

    Aber die wichtigste Frage die mich jetzt beschäftigt:
    Sitzen im Stadtrat wirklich die richtigen Leute, wenn diese hier die genannten
    und vernünftigen Argumente der Stadtreiniger in Frage stellen?
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  • M. R.
    Oder Fragen Sie den Geschäftsmann der Stolpersteine, ob er einen Teil spendet? Wohl kaum!
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  • A. S.
    die Frage kann man dem Geschäftsmann dort auch stellen,
    warum nicht.
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  • H. N.
    Wieso sollte der Hersteller der Pfandringe etwaigen Gewinn spenden? Muss er seine Tätigkeit durch Luft und Liebe finanzieren, nur weil ein Aspekt seiner Erfindung ist, dass eventuell auch Bedürftige davon profitieren?
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  • A. S.
    meiner Ansicht nach Quatsch ist, und er hier mit der Dummheit der genannten Städte bzw. deren off. Vertreter (Köln, Karlsruhe...) Geld verdient - am Ende blutet der Steuerzahler.

    Da bin ich froh dass wir in Würzburg Leute bei den Stadtreinigern (nicht unbedingt im Stadtrat wie man sieht) haben, die mitdenken.......Danke, Jungs!!! grinsen
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  • A. G.
    ... stimme ich Ihnen zu. Die Praktiker sollten entscheiden und nicht die Theoretiker.

    Was ist eigentlich aus den Tauben geworden, die teuer verfrachtet wurden? Wirklich wahr, wenn´s dem Esel zu wohl ist... Die Ideen sprießen.

    Und Pfandringe mit Stolpersteinen zu vergleichen ist dann doch auch wieder despektierlich oder zumindest ein ganz schlecht gewählter Vergleich (das richtet sich an "max2010").
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  • F. S.
    Die einfachste und billigste Lösung wird hier beschrieben: http://www.pfand-gehoert-daneben.de/
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  • P. S.
    sowieso ein Irrtum zu glauben, dass Flaschensammler nur sozial schwach seien. Es gibt Untersuchungen , die zeigen, dass fast alle Schichten der Bevölkerung vertreten sind....
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  • Veraltete Benutzerkennung
    "Zudem teile seine Fraktion nicht die Bedenken der „Stadtreiniger“, dass durch Pfandringe mehr Insekten an die Müllbehälter gelockt werde."

    noch nie ne offene Saftflasche im im Sommer liegen lassen;-) zwinkern
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  • H. S.
    wirft seine Schatten voraus.
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  • M. R.
    Es geht doch gar nicht darum, dass Pfandringe Menschen vor der Armut schützen, sondern verwertbare Flaschen recycelt und nicht verbrannt werden.
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