Der Haussegen in der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Röttingen hängt gewaltig schief seit die Gemeinde Tauberrettersheim die gemeinsame Windkraft-Strategie aufgekündigt hat und eigene Wege gehen will. In der jüngsten Sitzung des Röttinger Stadtrats kam der Unmut über den geplanten Bau von vier Windkraftanlagen auf Tauberrettersheimer Gemarkung deutlich zum Ausdruck. Röttingen will nun einen Fachanwalt einschalten.
In der vergangenen Woche hatte der Tauberrettersheimer Gemeinderat beschlossen, einen Bebauungsplan aufzustellen, der vier Windkraftanlagen an der Gemarkungsgrenze zu Strüth zulässt. Die Gemeinde sieht sich auch deshalb im Recht, weil die Fläche im Entwurf des Regionalplans als Vorhaltegebiet für die Windkraftnutzung vorgesehen ist.
Sauer stößt dem Röttinger Bürgermeister und VG-Vorsitzenden Martin Umscheid auf, dass weder Röttingen noch die beiden übrigen VG-Mitglieder Bieberehren und Riedenheim vorab darüber in Kenntnis gesetzt worden seien. Dabei existiere seit über zehn Jahren ein gemeinsamer Flächennutzungsplan, in dem sich die VG-Gemeinden auf eine gemeinsame Strategie für die Windkraft-Nutzung verständigt haben. Die Tauberrettersheimer Fläche kommt darin nicht vor.
Antwort schuldig geblieben
Im Frühjahr hatte Tauberrettersheim bei den Partnergemeinden die Aufhebung des gemeinsamen Flächennutzungsplans beantragt. Bieberehren und Riedenheim lehnten ab und signalisierten aber Bereitschaft zur Weiterentwicklung des gemeinsamen Plans. Röttingen forderte die Nachbargemeinde auf, den Antrag näher zu begründen und darzustellen, welche Auswirkungen ein Windpark auf Strüth und die nächstgelegene Röttinger Siedlung am Laubberg hätte. Die Antwort sei Tauberrettersheim bis heute schuldig geblieben, so Bürgermeister Umscheid. Stattdessen werde nun versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen.
In einem umfangreichen Schriftsatz hat die Gemeinde Tauberrettersheim dem Landratsamt gegenüber inzwischen begründet, warum sie die Aufhebung des Flächennutzungsplans nicht mehr für erforderlich hält. Mit anderen Worten: Sie kann auch ohne Zustimmung der Nachbargemeinden zusätzliche Flächen für die Windkraft ausweisen.
Nur 1200 Meter von dem Röttinger Ortsteil wären diese Windräder entfernt. Zu nah, wie der Strüther Stadtrat Albrecht Haag meint. Im Westen des Dorfes, auf Nassauer Gemarkung, seien vor einem Jahr zwei Anlagen gebaut worden, 1500 Meter von Strüth entfernt. Inzwischen häuften sich die Klagen über Belästigungen durch die Geräusche der Rotoren und die blinkenden Warnlichter, sagt Haag. Durch die vier zusätzlichen Anlagen wäre das Dorf quasi im Halbkreis von Rotoren umzingelt. „Wir sind nicht sehr empfindlich, aber nach der Erfahrung mit den Nassauer Anlagen sind wir vorsichtig geworden“, so Albrecht Haag weiter.
Abstand deutlich unterschritten
Die sogenannte 10H-Regel, wonach der Abstand zur Wohnbebauung mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen sollte, würde in Strüth deutlich unterschritten. Eine Genehmigung setzt deshalb einen entsprechenden Flächennutzungs- und Bebauungsplan voraus, in dem auch kürzere Abstände festgeschrieben werden können. Das Gesetz fordert aber ausdrücklich, dass solche Regelungen möglichst einvernehmlich mit den betroffenen Nachbargemeinden getroffen werden sollte.
Ein Bemühen um eine einvernehmliche Lösung vermisst man jedoch im Röttinger Stadtrat gänzlich. „Dass Tauberrettersheim nicht den Dialog gesucht hat, sondern vollendete Tatsachen schaffen will, ist voll daneben“, sagt etwa Stadtrat Volker Bätz. Und auch Albrecht Haag ist entrüstet: „Mich wundert's, wie man sich über Interessen hinwegsetzen kann, ohne einmal mit den Nachbarn zu reden.“
Zwei Anläufe waren nötig, bis der Tauberrettersheimer Gemeinderat die Aufstellung des Flächennutzungs- und Bebauungsplans beschließen konnte. Der erste Versuch scheiterte daran, dass Bürgermeister Hermann Öchsner und vier der acht Gemeinderäte befangen waren. Das heißt: Sie oder nahe Verwandte würden finanziell vom Bau der Windkraftanlagen profitieren. Erst nachdem eine Fläche des zweiten Bürgermeisters Paul Wunderlich aus dem Gebiet ausgeklammert wurde, war der Gemeinderat beschlussfähig.
Fachanwalt für Röttingen
Das Landratsamt muss nun entscheiden, ob man der Rechtsauslegung von Tauberrettersheim folgt und einen weiteren Flächennutzungsplan zulässt oder auf der Aufhebung des alten beharrt. In Strüth und der nächstgelegenen Siedlung am Laubberg will die Stadt Röttingen Versammlungen einberufen, um zu erfahren, wie die Bürger über die Tauberrettersheimer Pläne urteilen. Außerdem hat der Stadtrat den Bürgermeister ermächtigt, einen Fachanwalt zu beauftragen, der die Interessen Röttingens vertreten soll. Damit will Umscheid auch die Mitarbeiter der VG-Verwaltung aus der Schusslinie bringen. Die sitzen nämlich gegenwärtig zwischen den Stühlen.