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CREGLINGEN
Stadt begeht den 80. Jahrestag des Juden-Pogroms
„Wir vergessen die Opfer des 25. März 1933 nicht!“ Dies war die zentrale Botschaft von Bürgermeister Uwe Hehn in seiner Ansprache zum 80. Jahrestag des Creglinger Pogroms. 16 jüdische Männer wurden damals so schrecklich misshandelt, dass zwei von ihnen starben: Hermann und Stern und Arnold Rosenfeld.
Eindrücklich: Jugendliche aus Creglingen trugen die Lebensgeschichten der Pogrom-Opfer vom 25. März 1933 vor, gemeinsam mit Pfarrer Thomas Burk, Zweiter von links, und dessen Ehefrau Rita, hinten Mitte.
Foto: STADT CREGLINGEN | Eindrücklich: Jugendliche aus Creglingen trugen die Lebensgeschichten der Pogrom-Opfer vom 25. März 1933 vor, gemeinsam mit Pfarrer Thomas Burk, Zweiter von links, und dessen Ehefrau Rita, hinten Mitte.
Von unserem Mitarbeiter HERBERT SCHLERF
 |  aktualisiert: 11.01.2016 15:04 Uhr

An der der Gedenkveranstaltung nahm Hehns Vorgänger Hartmut Holzwarth, seit 2010 Oberbürgermeister von Winnenden (Rems-Murr-Kreis), ebenso teil wie der Erste Landesbeamte Dr. Ulrich Derpa als Vertreter von Landrat Reinhard Frank, die evangelische Dekanin Renate Meixner (Weikersheim), der evangelische Ortspfarrer Thomas Burk, sein katholischer Kollege Martin Raiser (Weikersheim) sowie Dr. Christoph Bittel, Martin Heuwinkel und Sabine Kutterolf-Ammon von der Stiftung Jüdisches Museum.

Rund 120 Creglinger hatten sich vor dem Alten Rathaus versammelt, dem Ort des Verbrechens.

Hörbar bewegt erinnerte der Bürgermeister an die Pogrom-Opfer und ihre Familien: „Sie waren unsere Mitbürger, angesehene Menschen.“ Hehn verschwieg nicht, dass die aus Heilbronn angereisten SA-Schläger durch einheimische Nazis unterstützt wurden und dass der damalige Bürgermeister das Rathaus für das „Verhör“ zur Verfügung stellte.

Einzelne mutige Menschen hätten sich dem braunen Terror entgegengestellt: So habe sich der Arzt, der den Tod von Arnold Rosenfeld feststellte, geweigert, eine natürliche Todesursache zu bescheinigen. Die Mehrheit aber schwieg.

Eindringlich rief Hehn die Anwesenden auf, nicht wegzusehen, wenn heute Menschen Gewalt angetan wird, sondern sich einzumischen und sich als Gemeinschaft zu wehren. Noch immer sei Gewalt häufig staatlich organisiert und geschehe in aller Öffentlichkeit.

Als Beispiel dafür nannte Hehn das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg: das Massaker von Srebrenica während des Bosnienkrieges im Juli 1995. Hehns Vorgänger Hartmut Holzwarth blickte in seinen Gedenkworten zurück auf die in Creglingen gewachsene Erinnerungskultur: Noch in der Amtszeit von Bürgermeister Werner Fifka wurde am 25. März 1998, dem 65. Jahrestag des Pogroms, am Jüdischen Friedhof eine Gedenktafel angebracht.

Dank der finanziellen Unterstützung von Dr. Arthur Obermeier, einem US-amerkanischen Juden, dessen Vorfahren in Creglingen lebten, richtete die Stadt 2000 im früheren Wohnhaus des Pogrom-Opfers Hermann Stern das Jüdische Museum ein. 2005 schließlich wurde im Alten Rathaus die Gedenkstätte 25. März 1933 eröffnet.

Als besonders eindrücklich schilderte Holzwarth die damalige Ansprache von Bertha Katzenstein, deren Vater Harry zu den Pogrom-Opfern gehört hatte. „Kann sich noch jemand erinnern?“, habe sie in die Runde gefragt und sich selbst die Antwort gegeben: „Ich schon!“ Als Sechsjährige musste sie miterleben, wie ihr Vater blutig geschlagen nach Hause gebracht wurde.

Die Nachfahren der Pogrom-Opfer waren auch zum 80. Jahrestag eingeladen, konnten aber nicht teilnehmen, weil sie am Montag den Sederabend begingen – den Auftakt des Pessach-Festes, bei dem die Juden des alttestamentlichen Auszugs aus Ägypten gedenken.

Deswegen verlas Martin Heuwinkel, Geschäftsführer der Stiftung Jüdisches Museum, ein Grußwort von Arthur Obermeier. Dieser schrieb von einer kurzen, furchtbaren Zeit für die Juden in Creglingen ab 1933, aber auch von zuvor mehr als 400 Jahren mit positiven Erfahrungen.

Als Höhepunkt der Gedenkveranstaltung trugen Jugendliche aus Creglingen gemeinsam mit Pfarrer Burk und dessen Ehefrau Rita die Lebensgeschichten der Opfer des 25. März 1933 vor: Für die Überlebenden des Pogroms und für ihre Familien begannen an diesem Tag zwölf Jahre der Entrechtung, Ausgrenzung, KZ-Haft und Deportation. Einige von ihnen konnten emigrieren, die Spuren der anderen verlieren sich an Orten des Grauens: Theresienstadt, Izbica, Auschwitz.

Damit sie tatsächlich nicht vergessen werden, kündigte der Bürgermeister an, in den kommenden Monaten in Creglingen so genannte Stolpersteine verlegen zu lassen – kleine Betonwürfel mit messingfarbenen, zehn mal zehn Zentimeter großen Metallplatten, in die Namen und Lebensdaten von NS-Opfern eingraviert sind.

Vor den Häusern, in denen sie gelebt haben, werden die Steine bündig in den Straßenbelag eingesetzt, damit sie die Augen der Passanten zum Stolpern bringen.

Wie Hehn weiter ausführte, hat der Gemeinderat diesem Projekt zugestimmt, ebenso die meisten heutigen Haus-Eigentümer.

Creglinger Juden-Pogrom

Es geschah nur wenige Wochen nach der „Machtergreifung“ Hitlers: Am 25. März 1933 trieben aus Heilbronn angereiste Polizisten und SA-Schergen 16 Creglinger Juden zum „Verhör“ ins Rathaus. Die Opfer wurden so brutal mit Stahlgerten geschlagen, dass zwei von ihnen starben.
Hermann Stern erlag noch am selben Tag in Creglingen seinen schweren Verletzungen, Arnold Rosenfeld am 2. April 1933 im Juliusspital in Würzburg. Sie gehörten zu den ersten Todesopfern der braunen Diktatur. Um an dieses schreckliche Ereignis zu erinnern, aber auch an die Jahrhunderte lange Geschichte der beiden jüdischen Gemeinden in Creglingen und im heutigen Teilort Archshofen, hat die Stadt eine „Gedenktopografie“ eingerichtet.
Diese besteht aus dem Jüdischen Museum in der Innenstadt, der Gedenkstätte 25. März 1933 im Alten Rathaus und dem jüdischen Friedhof, etwa einen Kilometer südlich der Stadt. Dort wurden die Pogrom-Opfer Stern und Rosenfeld beerdigt, deren Grabsteine bis heute gut erhalten sind.

 
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