
Im Winter ist bei der Bahnhofsmission Schweinfurt Hochbetrieb. Dienst am Bahnsteig. Betreuung von gestrandeten Passagieren. Hilfe für Obdachlose. All das läuft unter "regulärer Betrieb". Trotzdem ist die Diakonie Schweinfurt – als Träger der Bahnhofsmission – auf Spenden angewiesen. "Jede Tasse Tee und jeder Teller Suppe ist eine zusätzliche Leistung, die wir aus dem allgemeinen Etat nicht finanzieren können", erklärt Vorstand Jochen Keßler-Rosa. "Der Dezember ist für uns – wie für viele andere gemeinnützige Organisationen - ein besonders wichtiger Monat."
Denn wenn es draußen kälter wird und sich die halbe Stadt auf dem Weihnachtsmarkt tummelt, verspüren viele Menschen den Drang etwas Gutes zu tun. In den Schulen werden Weihnachtspakete gepackt und Familie übernehmen Patenschaften in Afrika. Rund 20 Prozent der Spenden des ganzen Jahres werden Umfragen zufolge im Dezember gesammelt. In keinem anderen Monat teilen die Deutschen mehr Geld mit Bedürftigen.


Dabei sind die Motive vielfältig: Mitleid, Freude, Großzügigkeit aber auch Gewissensbisse ob der Situation anderer. Besonders in der Weihnachtszeit öffnen sich die Herzen und Geldbeutel - dieses Jahr womöglich besonders weit. Der Deutsche Spendenrat rechnet 2018 mit einem kräftigen Plus. Im Januar bis September lag das Spendenvolumen ganze 6% über dem Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Spender an der Bevölkerung. Die Studie zeigt auch, dass Sammlungen an Haustüren, in Straßen und auf Plätzen zunehmend an Bedeutung verlieren. Spenden für nationale Projekte werden dagegen immer beliebter.
Doch gerade im Advent ist erhöhte Vorsicht geboten. Die Mehrheit der gemeinnützigen Organisationen gehe zwar verantwortungsvoll mit Spendengeldern um, doch auch hier gebe es schwarze Schafe, analysiert Benjamin von der Ahe vom Analyseinstitut Phineo. "Der Spenden sammelnde gemeinnützige Sektor bietet viele Anreize, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Grund dafür ist auch die fehlende Kontrolle durch den Staat."
Gerade zu Weihnachten sollte man im Hinterkopf behalten, dass alle Organisationen selbst entscheiden, welche Informationen sie in ihre Jahresberichte mit aufnehmen. Eine Kontrolle findet nicht statt. Deswegen gilt die Grundregel: Immer mehrere Institutionen vergleichen und sich nicht unter Druck setzen lassen. Wenn am frühen Morgen professionelle Spendensammler vor der Tür stehen, besteht die Gefahr, sich überrumpeln zu lassen. Ein gängiger Trick dabei ist eine besonders emotionale Ansprache, die an die Gefühle der Spender appelliert. "Häufig ist das ein Kennzeichen unseriöser Organisationen", erklärt Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), einer der wichtigsten Institutionen im deutschen Spendenwesen.
230 Organisationen, die sich verpflichtet haben strenge Transparenzstandards zu erfüllen, tragen derzeit das DZI-Spendensiegel. Wichtigste Kriterien: Leistungsfähigkeit, Transparenz, effizientes und sparsames Wirtschaften, sachliche Informationspolitik und wirksame Kontroll- und Aufsichtsstrukturen. Eine Liste mit nicht förderwürdigen Organisationen findet man auf der Website des DZI.

Bevor man sich zu Spenden hinreißen lässt, sollte man sich ein genaues Bild von den Organisationen machen. Welche Strategie verfolgt die Organisation? Berichtet sie mit Texten und Bildern über ihre Projekte? Macht sie Finanzen und eingesetzte Ressourcen transparent? Werden Evaluationen und Projektfortschritt öffentlich gemacht?
Bei seitenlangen Jahresberichten, mit Zahlen überfrachten Tabellen und abstrakten Projektbeschreibungen kann man hierbei schnell den Überblick verlieren. Eine gute Orientierungsmarke sind die seriösen Spendensiegel. Neben dem Phineo-Spendensiegelund der Initiative Transparente Zivilgesellschaft ist das DZI mit seinem Spenden-Siegel bundesweit die wichtigste Anlaufstelle. Anders als der Deutsche Spendenrat, als Dachverband der Spendenorganisationen, ist das DZI unabhängig. Träger der Stiftung sind unter anderem das Bundesfamilienministerium, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Deutsche Städtetag.
Geschäftsführer Burkhard Wilke empfiehlt, sich in der Vorweihnachtszeit nicht zu verzetteln. Kann man sich für keine Organisation entscheiden, wird die Spende gerne in "kleine Portionen" aufgeteilt. Burkhard Wilke betont jedoch: "Das Gießkannenprinzip funktioniert nicht. Jede Teilspende löst einen separaten Verwaltungsvorgang aus und erzeugt unnötige Kosten." Insgesamt nimmt die Bindung von Spendern an feste Organisation deutlich ab - eine Entwicklung, die sich laut Wilke in der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft begründet. Auch Parteien und Vereine hätten mit dem Problem zu kämpfen.

Ein anderer Trend sind "zweckgebundene Spenden". Auf Dauer sei das aber kein guter Weg, erklärt Burkhard Wilke. "Man fesselt damit die Organisationen, die entsprechend weniger Spielraum haben, Spenden zielführend einzusetzen." Besonders bei akuten humanitären Katastrophen sei es wichtig, das hier Geldmittel zur Verfügung stehen.
Auch viele Organisationen hier in der Region hoffen am Jahresende noch auf zusätzliche Spenden. Sebastian Schoknecht, bei der Caritas Würzburg unter anderem zuständig für Fundraising, bilanziert: "Die Spendenbereitschaft ist nach wie vor hoch." Gleichzeig stelle er fest, dass Jüngere weniger oder gar nichts spenden.
Mit dem Spendenmonat Dezember gehen die Institutionen - je nach Größe - hier in der Region ganz unterschiedlich um. Dabei verzichten sie weitgehend auf professionelles Fundraising und kostspielige Werbung. Caritas und Diakonie setzen dagegen auf Online-Spendenaufrufe, Newsletter, Benefizaktionen und Medienpartnerschaften - auch um auf Projekte und Probleme aufmerksam zu machen, die bei Spendensammlungen häufig zu kurz kommen. Die Tafel in Bad Kissingen verzichtet ganz auf zusätzliche Sammlungen. "Als ehrenamtlicher Verein können wir das nicht leisten. ", sagt die Vorsitzende Marina Wiesend.
In einem sind sich aber alle einig: Die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen vor Ort freuen sich, wenn die Spender nicht anonym bleiben, sondern sich vor Ort ein Bild von den Projekten machen - ein großer Vorteil von Spenden an lokale Organisationen: Das Geld bleibt in der Region.
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