Es ist bemerkenswert ruhig in der Mehrzweckhalle in Gerbrunn (Lkr. Würzburg), als Natascha Kohnen, die Vorsitzende der Bayern-SPD, beim Neujahrsempfang der Genossen in Stadt und Landkreis Würzburg vor Parteifreunden und Gästen das Ergebnis der GroKo-Sondierung mit CDU und CSU analysiert. Die 50-Jährige, seit Dezember eine von sechs Stellvertretern von Parteichef Martin Schulz, spricht von „Licht und Schatten“. Sie bilanziert SPD-Erfolge, leugnet aber auch ihre „Skepsis“ nicht, ob es mit der Union noch einmal klappt. Im Interview nach ihrer Rede appelliert die Münchnerin, die die SPD im Oktober als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl führen soll, an ihre Parteifreunde, das Sondierungspapier vor dem Sonderparteitag am nächsten Sonntag in aller Ruhe anzugucken und zu lesen.
Frage: In der SPD rumort es. Nach dem 24. September wollte die ganze Partei in die Opposition. Jetzt soll es doch wieder eine Große Koalition unter Angela Merkel geben. Viele Mitglieder sind sauer. Können Sie die verstehen?
Natascha Kohnen: Ich bin auch kein großer Freund der GroKo. Nachdem Frau Merkel die Jamaika-Koalition nicht auf die Beine stellen konnte, hat der Bundespräsident gesagt, jetzt müssen die demokratischen Parteien an einen Tisch und miteinander reden.
Dem haben wir uns nicht verschlossen. Ich denke nicht, dass die Partei sauer ist. Sie ist zutiefst bewegt. Und das ist auch richtig so. Es geht darum, welche Themen, welche Inhalte uns wichtig sind. Was wir die letzten Tage gemacht haben, ist eine Sondierung, nachzuschauen: Geht da im Grundsatz was? Lohnt es sich, in Koalitionsgespräche zu gehen?
War das strikte Nein gleich nach der Bundestagswahl ein Fehler?
Kohnen: Das Ergebnis, das wir, aber auch CDU und CSU im September bekommen haben, war eine klare Abwahl. Die Menschen haben gesagt, wir wollen keine Große Koalition mehr. Doch diejenigen, die eigentlich den Auftrag bekommen hatten, haben es nicht auf die Reihe gebracht. Jetzt sind wir in einer komplett anderen Situation als am Abend nach der Wahl.
Keine Bürgerversicherung, keine Steuererhöhungen. Das Sondierungspapier ist kein großer Wurf, es riecht nach „Weiter so“. Und das muss ja nicht unbedingt schlecht sein.
Kohnen: Aus verschiedensten Gründen wird es auf keinen Fall ein ,Weiter so‘ geben. Wenn wir überhaupt zu dem Punkt hinkommen, dass wir mit der Union zusammenregieren würden.
Das ist aber arg viel Konjunktiv.
Kohnen: Es ist definitiv viel Konjunktiv. Das wird auch so bleiben, bis wir genau wissen, ob aus den Punkten, die wir in den letzten Tagen besprochen haben, konkrete Politik wird. Passt das überhaupt? Und da wird am Ende jedes einzelne SPD-Mitglied entscheiden. Ein ,Weiter so‘ wird es auf keinen Fall geben. Schon der politische Stil muss sich ändern, es braucht ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe. Vereinbarungen müssen eingehalten werden.
Was hat denn nicht geklappt?
Kohnen: Die Union hat sich zum Beispiel geweigert, wie vereinbart, ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit einzuführen. So etwas ist für uns nicht mehr akzeptabel.
Viele Sozialdemokraten haben sich mehr Umverteilung gewünscht, wenigstens die Erhöhung des Spitzensteuersatzes.
Kohnen: Es gibt Licht und Schatten in diesem Sondierungspapier. Ich denke, man muss sich das Ganze ansehen. Aber ich räume ein, wir haben drei Punkte nicht erreicht, die uns wichtig sind. Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes haben wir nicht durchsetzen können. Aber wir haben rausverhandelt, dass bei der stufenweisen Abschaffung des Soli die unteren und mittleren Einkommen schneller entlastet werden.
Das schafft ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit. Zweitens fehlt der Einstieg in die Bürgerversicherung. Aber es ist uns zumindest gelungen, die Parität bei der Finanzierung der Krankenversicherung wieder herzustellen.
Und drittens?
Kohnen: Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen haben wir bislang nicht erreicht. Da sage ich sehr klar: Da sollten wir nochmal drüber reden, wenn wir denn weiterreden. Das sind wir vor allem jungen Leuten, die sich berufliche Sicherheit wünschen, schuldig. Aber, und das ist ein großes Aber: In dem Papier stehen auch viele Dinge, etwa bei Rente, Pflege und Bildung, die helfen, die Lage vieler Menschen ganz konkret zu verbessern. Ich würde schon sagen, dass eine klare sozialdemokratische Handschrift zu erkennen ist.
Was ist Ihnen persönlich am wichtigsten?
Kohnen: Ich selbst habe das Thema Wohnen federführend für die SPD verhandelt. Da besteht dringender Handlungsbedarf. In den Metropolen, in Bayern in Würzburg, Nürnberg, Augsburg und vor allem in München können die Menschen ihr Dach über dem Kopf zum Teil nicht mehr bezahlen. Da droht ein Zerreißen unserer Gesellschaft. Deswegen ist es mir sehr, sehr wichtig, dass der soziale Wohnungsbau fortgeführt wird. Das durchzusetzen, war ein hartes Stück Arbeit.
In der Flüchtlingspolitik, so sagen die Jusos, habe die SPD Grundwerte aufgegeben. Warum stimmt die Parteispitze der bis vor kurzem nicht mal von der CDU geforderten Obergrenze zu.
Kohnen: In diesem Sondierungspapier steht keine Obergrenze. Da mag die CSU noch so viele Parolen heraushauen, die steht da nicht drin.
Nicht die CSU sagt das, die Jusos, die jungen Sozialdemokraten sind es.
Kohnen: Der Text, der die Zahl 180.000 bis 220.000 Menschen enthält, ist eine reine Beschreibung, wie viele Menschen kommen. Da steht nichts von einer Begrenzung drin.
Beim Familiennachzug bewegt sich auch nur wenig.
Kohnen: Das ist etwas, was durchaus schmerzt. Nach unserem Verständnis gehören Familien zusammen. Dagegen hat sich aber insbesondere der bayerische Teil der Union sehr stark gewehrt. Der Kompromiss sieht vor, dass neben den Flüchtlingen, die aufgrund der Genfer Konvention ihre Kernfamilien nachholen dürfen, auch die subsidiär Geschützten, häufig Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, bis zu tausend Angehörige pro Monat nachholen dürfen, das sind 12.000 im Jahr. 20.000 wären mir lieber gewesen. Das ist ein Kompromiss. Man muss aber auch sagen, die Grünen waren im Zuge von Jamaika bereit, den Familiennachzug komplett für ein weiteres Jahr auszusetzen. Das wird es mit der SPD nicht geben.
Was passiert, wenn der Parteitag nein zu weiteren Verhandlungen sagt?
Kohnen: Ich finde, die Mitglieder der SPD, aber nicht nur die, sollten sich jetzt mal in aller Ruhe das Sondierungspapier angucken und lesen. Ich stelle jetzt keine Prognosen an, was wäre, wenn. Jetzt reden wir mal alle drüber, und dann treffen wir uns, und dann reden wir noch einmal. Und dann entscheidet jeder nach seinen Überzeugungen, und nachdem er den anderen gut zugehört hat.
Muss die SPD-Spitze, müssen Martin Schulz und seine Stellvertreter, Sie inklusive, zurücktreten, wenn der Parteitag mit Nein stimmt?
Kohnen: Solche Spekulationen stelle ich nicht an. Das Wichtigste ist für mich, dass wir uns so auseinandersetzen, dass klar ist, dass wir eine solidarische Gemeinschaft sind. Ich halte uns einfach für eine starke Partei.
Fürchten Sie Neuwahlen?
Kohnen: Wenn eine Entscheidung für Neuwahlen fällt, dann wird es die geben.
Wer wäre dann Kanzlerkandidat bei der SPD?
Kohnen: Es geht um das Jetzt. Ich mache mir herzlich wenig Gedanken darüber, was vielleicht mal irgendwann sein sollte.
Nach Bayern. 16 Prozent in der jüngsten Umfrage. Warum kann die SPD nicht von der Schwäche der CSU profitieren?
Kohnen: Wir stehen erst am Anfang des Landtagswahlkampfs. Wir werden unsere Themen auf den Tisch legen. Ich stehe dabei für eine politische Auseinandersetzung, die geprägt ist von Ernsthaftigkeit, Zuhören, Sachlichkeit. Am Schluss müssen dies die Wählerinnen und Wähler bewerten.
Vor fünf Jahren hatte die SPD gemeinsam mit Grünen und Freien Wählern wenigstens eine Machtperspektive. Die fehlt jetzt völlig. Alle Parteien dienen sich als Juniorpartner bei der CSU an, Sie auch?
Kohnen: Wir nicht. Dieses Land braucht auch eine Alternative. Und die Menschen haben eine Alternative. Ich kann mich nur wundern über die anderen Parteien, die alle schon bei der CSU Schlange stehen. Ich halte das für falsch.
Wären Sie lieber gegen Horst Seehofer als gegen Markus Söder angetreten?
Kohnen: Schon wieder ein Konjunktiv. Die CSU muss für sich selbst entscheiden, wer dort antritt. Wir sind gewappnet.
denn (auch) bei der SPD mag man (weiter) den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Weiter werden in D riesengroße Autos gebaut und gefahren, werden Beton-und-Glas-Paläste gebaut und klimatisiert, Raubbau an der Umwelt betrieben und die Böden vergiftet, und man redet sich die Köpfe darüber heiß, wieviele Leute noch nach Deutschland kommen können statt ernsthafte(!!) Maßnahmen zu ergreifen, die Gründe zu ihrer Flucht von zuhause zu beseitigen. Schon komisch, dass weniger Energie- und Rohstoffverbrauch, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft und eine faire Handelspolitik da durchaus ein guter Anfang wären, oder?
Und man sollte eine "Fachkräftemangel-Steuer" einführen. Die geht so: wer einen Fachkräftemangel in D beklagt, solange über 25% der Leute in befristeten, prekär bezahlten o. ä. Jobs arbeiten (müssen), muss 50 % seines Jahresbruttoeinkommens in die Rentenkasse einzahlen (oder sich ein Jahr lang mit 450,- €/ Monat begnügen?).
o.k., als Quotenfrau sitzt sie dabei.
Nicht wundern wenn es weiter in die eine Richtung bei einem Teil der Bevölkerung geht. Die 3 Wahlverlierer schaffen das schon.