
Die Inventar Nummer M.J.253 – Musikalische Instrumente 253 - ist aus dem Germanischen Nationalmuseum (GNM) nach Sommerhausen zurückgekehrt – nach 126 Jahren. Es handelt sich um eine selten gut erhaltene Leinen-Trommel, die so heißt, weil die Felle mit Seilen gespannt werden. Es ziert sie das Wappen der Sommerhäuser Grafen von Rechteren-Limpurg-Speckfeld auf der Zarge. "Die Farbgebung in Rot und Grün – das sind heute die Farben der gräflichen Schützen", erklärt zweiter Bürgermeister Stefan Diroll. Gefertigt worden sei sie laut dem Restaurator für Musikinstrumente Georg Ott, Institut für Kunsttechnik und Konservierung des GNM, wohl um 1750.
Dann folgen an die 150 Jahre, von denen man nichts weiß: nicht wer sie spielte, noch zu welchem Zweck. Ob sie bei der gräflichen Bürgerwehr in Diensten stand. Wie sie in den Besitz des Marktes Sommerhausen kam. Und wie es zuging, dass das damals schon erstaunlich alte Instrument 1895 zusammen mit einer Schwestertrommel vom Markt Sommerhausen als Dauerleihgabe in das 1852 gegründete Museum nach Nürnberg gegeben wurde.
Der Leihvertrag schlummerte im Gemeindearchiv
Überhaupt hatte erst ein Zufallsfund durch Archivarin Susanne Lang der vagen Ahnung, dass die Sommerhäuser noch zwei alte Trommeln in Nürnberg haben, ein konkretes Bewusstsein verschafft. Sie hatte vor etwa fünf Jahren den Leihvertrag im Gemeindearchiv gefunden. Bei der Amtsübergabe von Altbürgermeister Fritz Steinmann an Nachfolger Wilfried Saak lag der Vorgang mit einer ersten Anfrage an das GNM im Arbeitsstapel und wurde von Stefan Diroll mit seinem Faible für Historisches zu seiner Mission gemacht.

Immerhin, auch für das GNM ist es nicht irgendeine Trommel, wie Dr. Frank Bär, Leiter der Sammlung Musikinstrumente, bestätigt: "Wir haben eine ganze Sammlung von Trommeln, und diese ist eine der wenigen, die es in die Dauerausstellung geschafft hat. Das zeigt schon die kulturhistorische Bedeutung, die sich aus dem Wappen, der bekannten Herkunft und auch aus dem recht guten Erhaltungszustand ergibt".
Weniger nüchtern dagegen sind die Emotionen, mit denen Diroll begeistert ihre Wertigkeit an ihrem Klang und aus den vertraglichen Verpflichtungen abliest, die schon 1895 festlegen, "auf die unversehrte Erhaltung des Deponierten die größte Sorgfalt zu verwenden, es mit 150 Mk. gegen Feuersgefahr zu versichern". Klar, sagt Diroll. Das Museum hätte sie schon gerne behalten – und auch die Freikarte, die dazu gehört. Er aber stellt sich vor, welche Zeiten, einschließlich der Kriege, die Trommel zwischenzeitlich in Nürnberg in der Ausstellung miterlebt hat, und freut sich noch immer mächtig: "Unbeschreiblich, was das für ein schönes Gefühl war, die Trommel für die Sommerhäuser nach Hause zu holen".
Ein Aufhebungsvertrag sei ganz unproblematisch gewesen, erzählt Diroll, war doch der alte Leihvertrag "Revers." auch eindeutig. Darin wurde von II. Direktor Hans Boesch am 22. Januar 1895 bestätigt, "von der Marktgemeindeverwaltung Sommer=hausen a/M unter Eigentumsvorbehalt zwei Trommeln des 18. Jahrhunderts erhalten" zu haben, die "dem Besitzer auf dessen Verlangen gegen Rückgabe dieses Revers jederzeit unweigerlich wieder auszuliefern" ist.
Beigefügt war eine Freikarte zum Museumsbesuch für alle Sommerhäuser
Außerdem gab es "in Anerkennung des schönen Verdienstes, das sich die Marktgemeinde Sommerhausen um unsere Anstalt und ihre vaterländischen Bestrebungen erworben hat, eine Ehrenkarte, welche immerwährend die Angehörigen Ihrer Marktgemeinde zum freien Eintritt in die Sammlung des germanischen Museums berechtigt". Eine solche Freikarte – ohne jegliche Begrenzung oder Datierung – hatte tatsächlich der Archivmappe beigelegen und in Nürnberg laut Diroll größte Verwunderung hervorgerufen. "Uns war es vorher nicht bewusst, dass es solche Freikarten gegeben hat", bestätigt Bär, hat doch das GNM selbst bislang keine Belege für solche Freikarten aus der Museumsgeschichte. Man müsse wohl auch einmal im Archiv nachsuchen, so Bär.
Ein besonderes Erlebnis beim Abholen, berichten Diroll und Saak, hatte der fünfköpfigen Delegation aus Sommerhausen noch einen ganz unvergesslichen Eindruck verschafft: Die zur Abholung bereitgestellte Trommel war die falsche, wie Diroll ganz konsterniert bemerkte. Als sicheres Merkmal fehlte ihm der Fränkische Rechen im Wappen. Auch bei der Inventar-Nummer war er gewiss, dass es die 253 unter den inzwischen mehr als 3000 Objekten aus der Musikinstrumente-Sammlung hätte sein müssen.
Nächtliche Suche im Museum beeindruckte die Delegation aus Sommerhausen
Der Verunsicherung folgte eine spontane Suche. Angeführt von Restaurator Georg Ott seien alle zusammen mit dem Transport-Wägelchen quer durch das derzeit geschlossene, nur nächtlich fahl beleuchtete Museum mit seiner alten Klosterarchitektur bis in die Musikalienausstellung gezogen. Diroll: "Das war so beeindruckend. Das war die Krönung schlechthin, da nachts im Museum".
Verschmerzt ist damit, dass er "eigentlich länger schon auf eine Abholung mit großem Bimborium regelrecht hingefiebert" hatte, so Stefan Diroll. Mit den Trommlern des Historischen Burschenvereins, dem er ebenfalls angehört, hätte er das Museumsstück gerne nach Hause geholt, um mit ihm durchs Stadttor einzuziehen. Aber Corona dauert, und da hätten sie beschlossen, die Trommel jetzt ohne Spektakel abzuholen.
Nun steht das begehrte Exemplar in eigener Vitrine in der kleinen Ausstellung im Rathaus-Foyer. Das zweite, etwas beschädigte Instrument, hat man dem GNM weiter überlassen, "denn für uns ist es auch besonders, dass wir ein Ausstellungsstück im Germanischen Nationalmuseum haben", erklärt Diroll zum glücklichen Ende der Mission. Und die "immerwährende Freikarte für das Germanische Nationalmuseum"? Sie bleibt ein vom GNM begehrtes Objekt, das in Sommerhausen ausgestellt wird.