
In der Nacht zum 23. Juli betraten Trolle die Telegram-Gruppe – einen virtuellen Nachrichtenraum der Würzburger Gruppe von Fridays for Future: Sie hinterließen viele unflätige Beleidigungen, bizarre Fotos und mehrfach das Logo der AfD - über 100 Einträge in kurzer Zeit. Erst am frühen Nachmittag des 23. Juli löschten die Administratoren den Unrat. Auf die Frage, warum so spät, teilten sie mit: Sie hätten nichts davon mitbekommen, sie seien in der Schule gewesen.
Die Anzahl der Versuche, Fridays for Future einzuschüchtern oder Wissen, Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit abzusprechen ist unüberschaubar, vor allem in den sozialen Medien. Die meisten Angriffe gehen, zumindest was die Würzburger Ortsgruppe betrifft, daneben. Die jungen Leute kriegen nur wenig davon mit, weil sie in der Regel andere Internetplattformen nutzen als ihre Widersacher. Was sie mitkriegen, ignorieren sie.
Friday-for-Future-Bewegung bleibt gelassen
Die Würzburger Gruppe von Fridays for Future ist knapp sieben Monate alt. Sie demonstrierten ein Dutzend Mal, bestreikten sieben Mal ihre Schulen, hielten drei Mahnwachen ab, folgten Einladungen zur Diskussion etwa mit den Senioren der Kirchengemeinde St. Johannis und erarbeiteten einen 22-seitigen Katalog mit Forderungen an die Stadt Würzburg.
Die großen sozialen Bewegungen in Würzburg vor ihnen wie beispielsweise zur Anti-AKW- und Friedensbewegung bis hin zum Autonomen Kulturzentrum attackierten Autoritäten. Ihre politische Auseinandersetzung war eine permanente, hitzige und überschäumende Reaktion auf das Reden und Tun ihrer Gegner.
Egal, wie derb und beleidigend die Angriffe gegen Fridays for Future sind: Die jungen Leute eignen sich nicht die Umgangsformen ihrer Angreifer an, sie lassen sie ins Leere laufen. Sie kämpfen anders als alle früheren Protestbewegungen in der Stadt.
Teilnehmer fungieren als Lautsprecher der Forscher
Ein Abend im Keller des "Standard" in der Oberthürstraße: Gut ein Dutzend Studierende, Schülerinnen und Schüler sitzt zusammen, alle von Fridays for Future. Sie müssten die Kämpfe gegen die Autoritäten nicht mehr kämpfen, sagt einer. Die seien "einfach schon ausgetragen", das sei ein Geschenk vorangegangener Generationen.
Vermutlich hat ihre augenscheinliche Gelassenheit auch damit zu tun, dass sie die Verbündeten einer Autorität sind: der Naturwissenschaft. Wie keine Protestbewegung zuvor garniert Fridays for Future Reden und Veröffentlichungen mit Verweisen auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie sind die Lautsprecher der Forscher, die unter anderem die Grundlagen für die UN-Klimaverträge von Kyoto (1997) und Paris (2015) lieferten.
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl sagt: "Die sind einfach supergut informiert." Er berichtet von Diskussionen mit Schulklassen, die "an die Grundsätze unseres politischen Handelns und unserer Demokratie" gingen.
Fridays for Future beschreibt er als "das Beste, was einer grünen Bewegung guttun kann". Bei der Kandidatenaufstellung zur Stadtratswahl hatten arrivierte Grüne allerdings damit zu kämpfen. Vier von fünf männlichen grünen Ratsmitgliedern wurden in Kampfabstimmungen gegen junge, mit Fridays for Future verbundene Kandidaten auf hintere Listenplätze durchgereicht.
Ein weiterer Unterschied zu früheren Protestbewegungen ist die Achtsamkeit im Umgang untereinander. Sie sprechen geschlechtergerecht, etwa von "Aktivist-innen" und nicht von "Aktivisten". "Feminismus", sagt ein Jugendlicher beim Treffen in der Kneipe, "hat immer was mit sozialen Bewegungen zu tun." Sie machen sich Gedanken über männliche Dominanz beim Organisieren und versuchen, in der Aufgabenverteilung eine Fifty-Fifty-Quote einzuhalten.
Respektvoller Umgang untereinander
Augenfällig ist das Signalisieren von Zustimmung und Ablehnung, wenn sie in größeren Gesprächsrunden zusammensitzen. Sie nutzen Elemente der Gebärdensprache für Gehörlose. Beifall zeigen sie mit dem Wedeln der erhobenen Hände, Missfallen mit dem Wedeln der gesenkten Hände. Das tun sie, erklären sie, "damit es nicht so laut ist und nicht so viel Unruhe gibt". So fänden sie im Plenum viel schneller zu Entscheidungen. Und "natürlich" funktioniere das nicht immer.
Einer erklärt die pfleglichen Umgangsformen mit dem Klimawandel als existenzielle Bedrohung, "die alle angeht und alle eint". Das sorge für eine besondere Stimmung untereinander. Eine andere Begründung für den respektvollen Umgang klingt nüchterner: Würzburg sei "nicht die politisch aktivste Stadt. Wenn man sich’s hier miteinander verscheißt, macht’s keiner mehr."
Wie viele sie sind, wissen sie nicht. Eine WhatsApp-Gruppe, in der sie sich besprechen, hat rund 100 Mitglieder, über 2000 sind vor der Europa-Wahl zu ihrer größten Demonstration gekommen. Als "liquid democracy" – flüssige Demokratie – beschreibt einer ihre Organisations- und Entscheidungsstruktur. Sie haben sich grobe Richtlinien verordnet, kommen aber ohne Hierarchie, feste Zuständigkeiten oder organisierte Verwaltung aus. Wer da ist, macht was.
Nikolai Seidl ist einer von zwei Würzburger Delegierten bei Fridays for Future Deutschland. Ihr System funktioniere, sagt er, "weil alle ihre Energie reingeben und alle der Bewegung vertrauen". Es baue darauf auf, dass alle, die Verantwortung tragen, verantwortlich handeln. Das Konstrukt, die weltweite Vernetzung inklusive, schildert er als "extrem groß und extrem komplex", wodurch es schnell zusammenstürzen könne. Aber es sei auch sehr flexibel und sehr dynamisch, "dadurch schaffen wir unheimlich viele Sachen".
Ihre Effektivität lässt sich unter anderem ablesen an Verbündeten, die frühere Generationen kaum oder gar nicht hatten: an ihren Eltern und Großeltern. Viele haben sich in "Parents for Future" zusammengetan und sich vor allem die digitalen Kommunikationswerkzeuge der Jungen zu Eigen gemacht, sagt ihre Sprecherin Christina Kees.
In der Kneipe erzählen die jungen Leute von einem anstrengenden vergangenen halben Jahr. Während der Sommerferien wollen sie es ruhiger angehen lassen. Ihren Gegnern machen sie keine Hoffnung. Im September wollen sie weitermachen, noch größer als bisher.

Wie äußerte sich neulich in der MP ein CSU Ortsvorsitzender sinngemäß, :"Bei uns müssen sich die Jungen erst am Grillstand bewähren um später politische Verantwortung zu übernehmen."
Vom Ärnst des Läbens keine Ohnung.
Aber umsetzbare Lösungen für die Probleme haben die FFF Kinder auch nicht!
Warum? Evtl, weil man dann nicht schwätzen kann oder mit dem Flugzeug in den Urlaub ist?
Lesen: https://kongress.fridaysforfuture.de/