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WÜRZBURG
Skandal im Pflegeheim – was tun?
Care Worker Mistreating Senior Woman At Home       -  Mysteriöse Todesfälle, brutale Pfleger: Wie kommt es zu Skandalen wie in Schloss Gleusdorf in Unterfranken? Und wie kann man ihnen vorbeugen?
Foto: Highwaystarz-Photography (iStockphoto) | Mysteriöse Todesfälle, brutale Pfleger: Wie kommt es zu Skandalen wie in Schloss Gleusdorf in Unterfranken? Und wie kann man ihnen vorbeugen?
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:39 Uhr

Wie konnte das, was in der Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf im unterfränkischen Untermerzbach vorgefallen sein soll, bloß passieren? Werden Heime denn nicht kontrolliert? Das fragten sich viele, als die Vorfälle bekannt wurden. Doch die Vorwürfe an die Heimaufseher greifen laut Claus Völker von der Heimaufsicht der Regierung von Unterfranken zu kurz. Die Heimaufsicht alleine kann nach seinen Worten unmöglich verhindern, dass Heimbewohner schlecht behandelt werden.

Zur Erinnerung: Im Seniorenheim Schloss Gleusdorf im Landkreis Haßberge soll es zu fünf ungeklärten Todesfällen aufgrund fehlerhafter Versorgung sowie unterbliebener ärztlicher Behandlung von Heimbewohnern gekommen sein. Seit Mai 2016 wird gegen die Verantwortlichen unter anderem wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen ermittelt. Im November 2016 wurden die Geschäftsführerin und der Pflegedienstleiter der Seniorenresidenz verhaftet. Letzterer ist inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Immer wieder Vorwürfe

Gleusdorf ist kein Einzelfall. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu massiven Vorwürfen gegenüber Altenheimen, wurden Missstände aufgedeckt und Pflegepraktiken skandalisiert. So werden alte Menschen in Heimen noch viel zu oft fixiert oder mit Medikamenten ruhig gestellt. Es gibt mitunter gravierende hygienische Probleme. Und manche Pflegekräfte sind einfach nicht imstande, ruhig, geduldig und empathisch mit Bewohnern umzugehen.

Es geschieht, wenn niemand hinschaut

„Doch wie wollen Sie Letzteres als Heimaufsicht prüfen?“, fragt Claus Völker von der Heimaufsicht der Regierung. In Gegenwart der Aufseher werde sich garantiert keine Pflegekraft dazu hinreißen lassen, einen Bewohner zu beleidigen oder anzuraunzen. Das geschieht allenfalls dann, wenn niemand hinschaut.

Heimaufsicht ist in erster Linie Sache der Kommunen. Bei der Regierung von Unterfranken allerdings laufen alle Fäden in Sachen kommunaler Heimaufsicht zusammen. Die Heimaufsicht der Regierung beaufsichtigt alle in den Städten und Kreisen angesiedelten Heimaufsichten, außerdem berät sie. Angesiedelt ist die Behörde im Sachgebiet Soziales und Jugend, das seit Januar von Christine Güdelhöfer geleitet wird.

Viele Heime bekommen lediglich einmal im Jahr Besuch von der kommunalen Heimaufsicht. Die ist dann zwischen drei und zehn Stunden vor Ort. In dieser Zeit muss eine lange Liste von Punkten abgearbeitet werden. Da geht es um die Pflegedokumentation und die Sturzprophylaxe, das Wundmanagement und die vorschriftmäßige Verabreichung von Arzneimitteln.

Bewohner müssen zustimmen

Datenschutz erschwert Kontrolle Manches kann objektiv gut überprüft werden – etwa, ob irgendwo Medikamente mit überschrittenem Haltbarkeitsdatum herumliegen. Doch das weite Feld der „Pflegequalität“ ist an diesem einen Kontrolltag kaum zu fassen. Dazu müsste die Heimaufsicht sehr nah an die Menschen herankommen, die im Heim betreut werden. Was jedoch alles andere als leicht ist. „Dem steht oft der Datenschutz entgegen“, erläutert Claus Völker. Will die Heimaufsicht mit ins Zimmer gehen und bei der Pflege dabei sein, muss der Bewohner zustimmen. Nun haben viele Bewohner einen Betreuer oder Bevollmächtigten. Dann muss der Betreuer erreicht werden, um seine Zustimmung zu geben. Nicht selten ist der Betreuer aber gar nicht erreichbar. Dann darf die Heimaufsicht nicht einmal Einblick in die Pflegedokumentation des Bewohners nehmen.

Heimaufsicht nicht alleine verantwortlich

In jedem Fall erhält die Heimaufsicht am Kontrolltag nur einen flüchtigen, ausschnitthaften Eindruck, der nicht unbedingt der Heimrealität entsprechen muss, verdeutlicht Völker. Sich von diesen sporadischen Besuchen zu versprechen, dass Missständen effektiv vorgebeugt werden könnte, ist für ihn blauäugig. Alle Menschen im Umfeld einer Einrichtung, nicht zuletzt Angehörige, haben nach seiner Meinung eine Mitverantwortung. Wer könnte aber auch besser als Töchter, Söhne und Enkel, so sie regelmäßig zu Besuch kommen, beurteilen, ob sich der Vater, die Mutter oder der Opa im Heim gut aufgehoben, geachtet und würdevoll behandelt fühlt?

Ähnlich sieht es das Ministerium, das seit dem Fall Gleusdorf mit vielen Forderungen quer durch alle Parteien bombardiert wird, man möge doch die Kontrollen verschärfen. „Eine umfassende staatliche Kontrolle kann es nicht geben“, antwortete das Sozialministerium auf eine entsprechende Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina aus Würzburg.

"Niemand möchte sich mit dem Heim anlegen"

Grundsätzlich gelte es, in den Einrichtungen noch stärker eine Kultur des Hinschauens und eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen: „Man muss dazu ermutigen, dass Auffälligkeiten und erst recht Missstände von Pflegekräften und von Angehörigen offen angesprochen werden.“

Oft warten Angehörige lange, bevor sie sich bei einer Pflegekraft, bei der Heimleitung oder der Heimaufsicht beschweren – wenn sie überhaupt jemals den Mut aufbringen, den Mund aufzumachen. Manche Menschen, die ihn anrufen, erzählten ihm eine halbe Stunde lang, warum es ihrem Angehörigen im Heim nicht gut geht, sagt Claus Völker.

Angst vor Reaktionen Am Ende des Telefonats heißt es dann: „Aber machen Sie bloß nichts, das will ich nicht!“ Niemand möchte sich mit dem Heim anlegen, groß sind die Bedenken, dass herauskommt, wer sich beschwert hat, und der Bewohner darunter leiden muss. Das ist für Claus Völker jedoch eine fadenscheinige, realitätsferne Entschuldigung fürs Schweigen. Die beste Heimaufsicht sind nach seiner Überzeugung kritische Angehörige und Besucher. Gute Heime legen nach seinen Worten auch großen Wert auf die Rückmeldung von Bewohnern, Angehörigen und Ehrenamtlichen.

Engagement und Kreativität sind gefragt

Die besten Heime sind den langjährigen Erfahrungen des Heimaufsehers zufolge denn auch jene, die sich nach außen hin öffnen. Die also Freiwillige einbinden, öffentliche Veranstaltungen organisieren und vielleicht sogar ein kleines Café in ihre Einrichtung integriert haben.

Wie gut ein Heim ist, hängt darüber hinaus vom Engagement und der Kreativität von Heimleitung und Pflegekräften ab, ergänzt Völkers Chefin Christine Güdelhöfer. Sie selbst war neulich in einem unterfränkischen Heim, das auf beeindruckende Weise zeigte, was alles möglich ist, wenn Pflegekräfte den Ehrgeiz haben, ungewöhnliche Ideen umzusetzen.

„In diesem Heim gibt es zum Beispiel eine mobile Küche“, schildert die Juristin. Die wird ins Zimmer von Bewohnern gefahren, die ihr Bett nicht mehr verlassen können. Direkt am Bett werden zum Beispiel Bratkartoffeln zubereitet. Güdelhöfer: „Der Bewohner hört endlich einmal wieder, wie es brutzelt, und riecht den Duft der Speisen.“

Solche Kleinigkeiten sind es laut der Regierungsdirektorin, die dazu beitragen, dass sich ein Heimbewohner in der Einrichtung wohl fühlt. Trotz seiner vielfältigen Beeinträchtigungen.

Kontrollen und anonyme Hilfe

In Unterfranken gibt es aktuell 239 Altenheime mit 14 740 Plätzen. Dazu kommen 115 Behindertenheime mit insgesamt 3182 Plätzen sowie 23 ambulant betreute Wohngemeinschaften.

Alle stationären Einrichtungen müssen mindestens einmal im Jahr unangemeldet dahingehend geprüft werden, ob sie die Anforderungen nach dem bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) erfüllen.

Zuständig für Kontrollen ist die kommunale Heimaufsicht. Die heißt in Bayern seit Februar 2009 „Fachstelle Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht“ (FQA).

Die Regierung von Unterfranken ist Aufsichtsbehörde aller kommunalen Heimaufsichten und übergeordnete Beschwerdestelle. Werden Mängel festgestellt, soll die Heimaufsicht zunächst den Träger über Möglichkeiten zur Abstellung beraten.

Bei erheblichen Mängeln kann die Heimaufsicht dem Träger die weitere Beschäftigung der Leitung oder eines Mitarbeiters ganz oder für bestimmte Funktionen oder Tätigkeiten untersagen.

Mehr Informationen zur Gewaltprävention in der Pflege gibt es beim Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) mit Sitz in Berlin. Zudem ist das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums für Soforthilfe bei akuter Notsituation erreichbar: Tel. (030) 20 17 91 31 jeweils von Montag bis Donnerstag von 9 Uhr bis 18 Uhr.

An Christine Güdelhöfer (Foto) und ihre Kollegen von der Heimaufsicht der Regierung von Unterfranken kann man sich bei Beschwerden auch anonym wenden: Tel. (09 31) 380-10 63.

 
 
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