
Das Spielfeld ist durch eine Linie und ein - in einem Meter Höhe - gespanntes, zweifarbiges Band in zwei Hälften unterteilt. Jeweils fünf Spieler sind in einem Feld zugange. Gehbehinderte Menschen und auch "Zweibeiner". "So betiteln wir gerne diejenigen in der Mannschaft, die keine Behinderung haben", sagt Übungsleiter Achim Altheimer und erklärt den Sitzball als gelebte Inklusion. Der 57-Jährige hat selbst nur noch ein Bein. Als er 15 Jahre alt war, stellten die Ärzte bei ihm Knochenkrebs fest. "Das Bein war leider nicht zu retten und musste amputiert werden." Seine erste Sorge sei damals als Jugendlicher gewesen: "Kann ich dann immer noch Fußball spielen?"
Das war zwar zunächst schwierig, doch heute ist der sportliche Mann in einer Fußballmannschaft für Amputierte. "Es hat sich viel getan im Behindertensport." Dem verlorenen Bein trauert der Helmstädter nicht nach. Vielmehr sei er dankbar, dass der Krebs in den folgenden Jahrzehnten nicht zurückgekehrt ist. Wichtig sei eine positive Einstellung zu sich selbst und dem Leben. Und: "Sitzball spielt man ohne Prothese. Erstmal fühlt es sich an, als würde ein Schutz wegfallen. Aber dann lernt man zu seiner Behinderung zu stehen", so Altheimer. Trainieren darf das Sitzball-Team des Vital-Sportvereins Würzburg e.V. 1952(Verein für Gesundheits- und Behindertensport) übrigens in der Turnhalle des Blindeninstituts in der Ohmstraße. "Dafür sind wir sehr dankbar."
Motorradunfall veränderte ihr Leben
Dass Sport neuen Lebensmut bringen kann, zeigt auch die Geschichte von Co-Übungsleiterin Annette Albert. "Mich hat es als junge Frau erwischt", sagt sie. Mit 22 Jahren hatte sie einen Motorradunfall und wurde schwer verletzt. Ihre Freundin, mit der sie unterwegs war, verunglückte tödlich, sie selbst verlor ein Bein. Ein Trauma, das nur schwer zu bewältigen ist. Die bald 50-Jährige gründete damals schnell eine Familie, erst viele Jahre später stieß sie zum Sitzball-Sport. "Der verhalf mir, meinen Körper als Frau wieder wahrzunehmen und zu akzeptieren. Ich bin durch den Sport sehr viel selbstbewusster geworden."
Sie rät jedem, der mit einer Behinderung zu kämpfen hat, zum Sport. "Leider verkriechen sich viele im Internet und scheuen das reale Leben." Dabei sei Sport auch für die Psyche wichtig, nicht nur für den Körper. Albert zählt zu den Ehrgeizigen in der Mannschaft. "Wettbewerbe und Meisterschaften , bei denen ich mich unter Beweis stellen muss, gehören für mich dazu." Derzeit will sie eine Frauenmannschaft für das Länderpokalturnier im September zusammenstellen. "Das ist gar nicht so einfach, der Nachwuchs fehlt."
Auch Hans Joachim Greis ist ein großer Fan des Sitzballs und fast Urgestein dieser Sportart in Würzburg. Er ist seit 35 Jahren dabei. Seine Behinderung ist angeboren. "In jungen Jahren habe ich immer einen Ort gesucht, wo ich Sport machen kann. Da ich nur ein gesundes Bein habe, wurde ich sogar vom Schulsport ausgeschlossen", erzählt der 63-Jährige, der seit vielen Jahren seinen eigenen Schuh-Service im Frauenland betreibt. Voller Elan ist er beim Sitzball dabei und drischt den ihm zugeschlagenen Ball mit Kraft übers Netz, während er am Boden herumrutscht. "Deshalb tragen wir speziell gepolsterte Hosen", sagt er grinsend.
Auch für Zweibeiner anstrengend
Ähnlich wie beim Volleyball hat beim Sitzball jede Mannschaft die Aufgabe, den Ball mit der offenen Hand oder auch in der Pritschposition über das Band wieder zurückzuspielen. Allerdings darf der Ball einmal auf dem Boden aufkommen. Ziel ist es, den Ball so zu spielen, dass dem Gegner der Rückschlag nicht gelingt oder möglichst erschwert wird. "Ich wäre längst nicht so fit ohne mein wöchentliches Sitzball", sagt Greis und lacht. Aber auch für "Zweibeiner" ist der Sport durchaus anstrengend, wie beispielsweise Annika Boll feststellen durfte. Sie macht derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr im Verein für Gesundheits- und Behindertensport und bekommt auf diese Weise ganz besondere Einblicke.
Sofort hängengeblieben ist indes Wolf Schneider. Der Orthopädietechniker und -Meister beschäftigt sich durch seinen Beruf mit dem Verlust von Gliedmaßen und kennt viele Schicksale, die dahinter stehen. Aus Neugierde nahm er vor etwa einem Jahr am Sitzballsport teil. Und blieb. "Es macht Spaß. Man lernt Muskeln kennen, die man vorher nie bemerkte." Aber auch für seine Arbeit - den Prothesenbau - kann er dazulernen. "Durch die Bewegungsabläufe am Boden, kann ich mich nun noch besser in die behinderten Menschen hineinfühlen." Schneider versucht manche Ansätze im Prothesenbau umzusetzen. "Durch die Gruppe habe ich zum Beispiel auch erfahren, dass Skifahren für Bein-Amputierte ohne Prothese viel einfacher ist als mit", erklärt er.
Auch Freundschaften sind entstanden
Einmal in der Woche, immer montags, treffen sich die Sportbegeisterten zum Training. Ebenso stehen Freundschaftsspiele und Turniere auf dem Plan, auch Meisterschaften wie die Bayerische oder die Deutsche. Neben dem sportlichen Aspekt gibt es auch den gemeinschaftlichen: "Es sind mit den Jahren viele Freundschaften entstanden und einige von uns fahren jedes Jahr gemeinsam in den Skiurlaub", sagt Albert.
Mehr Infos zur Sitzball-Gruppe: Achim Altheimer, Tel.: 09369/2840 oder per E-Mail:
altheimer@freenet.de




