Sportlehrer sind amtlich verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag bekräftigt - mit Blick auf den sechs Jahre zurückliegenden Fall eines Wiesbadener Schülers. Der damals 18-jährige Abiturient war in der Sportstunde beim Aufwärmen plötzlich bewusstlos geworden. Offenbar riefen anwesende Lehrer den Notarzt, versuchten aber acht Minuten lang nicht, den Schüler selbst wiederzubeleben. Der Gymnasiast erlitt wegen mangelnder Sauerstoffversorgung irreversible Hirnschäden und ist heute zu 100 Prozent schwerbehindert. Wegen unzureichender Erste-Hilfe-Maßnahmen hat er das Land Hessen verklagt. Obwohl der BGH den Fall ans Oberlandesgericht Frankfurt zurückverwiesen hat und noch nicht klar ist, ob Lehrer ihre Amtspflicht verletzt haben, trifft der Fall bundesweit auf großes Interesse.
"Es muss klar sein, dass Sportlehrer sofort Erste Hilfe leisten, wenn sie sehen, dass jemand zusammenbricht", sagt André Siebe. Zu seinen Aufgaben als Oberrat am Institut für Sportwissenschaft der Uni Würzburg gehören Lehrveranstaltungen zu Erster Hilfe. Siebe findet, dass gerade Sportlehrer bei der Frage, ob Erste Hilfe zu leisten sei, besonders sensibel zu sein hätten. Die Aufforderung zur Herzdruckmassage - "Hingehen und Drücken" - gelte für sie besonders; von daher ist es für Siebe unverständlich, wenn diese Handlungsanweisung möglicherweise in dem tragischen Fall aus Hessen nicht umgesetzt wurde. Gleichzeitig betont Siebe die Pflicht aller Bürger, Erste Hilfe zu leisten: "Ob beim Sport oder auf der Straße: Wer nicht hilft, macht sich unterlassener Hilfeleistung schuldig."
In Bayern müssen alle Sportlehrer in Erster Hilfe ausgebildet sein
Dass nach dem BGH-Spruch die Sportlehrer-Ausbildung in Bayern geändert werden muss, glauben Experten nicht. Laut Maria Walter, Leiterin der Abteilung Schule bei der Regierung für Unterfranken, sind im Freistaat Sportlehrer verpflichtend in Erster Hilfe ausgebildet. Walter betont, dass Sportlehrer mit Blick auf eventuell zu erteilenden Schwimmunterricht auch Maßnahmen zur Wiederbelebung beherrschen müssten. Einmal pro Jahr gibt es Experten zufolge für Sportlehrer entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen.
Dass in unserer Region ein Schüler einen Lehrer wegen unterlassener Erster Hilfe zur Verantwortung habe ziehen wollen, sei seiner Kenntnis nach bislang nicht vorgekommen, sagt der Leiter des Würzburger Schulamts, Erwin Pfeuffer.
Sportlehrer leben mit der Angst, dass ihren Schülern etwas passiert
Grundsätzlich leben Sportlehrer nicht unbelastet: "Die Angst, dass einem Schüler etwas passiert, ist latent immer da", sagt Theo Bieber, der an zwei Würzburger Gymnasien 41 Jahre lang Sport unterrichtet hat und gerade in Pension gegangen ist. "Wenn zum Beispiel ein Schüler vom Bock fällt, dann bleibt dir als Lehrer das Herz stehen. Auch nach vielen Unterrichtsjahren." Als besonders riskant hat Bieber das Skifahren, das Tauchen und das Turnen erlebt: Wenn etwa die Flugrolle vom Mini-Trampolin aus unterrichtet werde und ein Schüler unglücklich lande, "hast du als Lehrer schon immer Angst wegen eventueller Verletzungen der Wirbelsäule".
Gleichwohl hat Bieber den größten Schreckensmoment seiner Sportlehrer-Zeit nicht beim Turnunterricht erlebt, sondern bei einer Bergwanderung. "Eine der Schülerinnen hatte ein Herzproblem. Davon wussten wir leider vor der Bergtour nichts." Er habe das Mädchen dann ins Tal begleitet. Dem Kind sei nichts passiert. Aber die Möglichkeit, dass etwas passieren könne, müsse man als Sportlehrer immer mitdenken.