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ZELLERAU
Sie reden von Frieden und Versöhnung
Brückenbauer: die Zeitzeugen Dorothea Heller und Krimhilde Malinowski (vorne, von links) sowie (hinten, von links) Moderator Eberhard Schellenberger, Pfarrer Werner Vollmuth, der Zeitzeuge Imam Zahir Durakovic und Johanna Falk von der Nagelkreuzinitiative.
Foto: Christian Ammon | Brückenbauer: die Zeitzeugen Dorothea Heller und Krimhilde Malinowski (vorne, von links) sowie (hinten, von links) Moderator Eberhard Schellenberger, Pfarrer Werner Vollmuth, der Zeitzeuge Imam Zahir Durakovic und ...
Von unserem Mitarbeiter Christian Ammon
 |  aktualisiert: 11.06.2013 16:39 Uhr

„Auf einmal ist der Hass in die Leute gekommen“, erklärt Imam Zahir Durakovic ein Geschehen, dass nur schwer zu verstehen ist. Davon, dass es Serben und Kroaten waren, die etwa 200 000 bosnische Muslime im Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 ermordeten, spricht er nicht. Krimhilde Malinowski sagt „sie“, wenn sie die Deutschen meint, die die Roma und Sinti nach 1933 in Sammellager pferchten. Und für Dorothea Heller waren es die „Bomber“, nicht die Engländer, die ihre tödliche Last über Würzburg am 16. März 1945 abgeladen haben.

Gemeinsam ist allen drei Lebensgeschichten, die die Zeitzeugen beim Gesprächsabend „Brückenbauen“ der ökumenischen Nagelkreuzinitiative und der Zellerauer Pfarreiengemeinschaft St. Elisabeth und Heiligkreuz im Pfarrsaal St. Elisabeth erzählten, dass sie zwar vom Schlimmsten, was Menschen anderen Menschen antun können, berichteten, doch Schuldzuweisungen und gegenseitiges Aufrechnen der Verbrechen vermieden. Seit dem 16. März 2013 befinden sich die Versöhnungsstatue und das Wandernagelkreuz von Coventry in der Zellerau. Sie sind deutliche Symbole für Frieden und Versöhnung.

Mit 14 Jahren in ein Lager bei Stettin gezwungen, gehört Krimhilde Malinowski zu den wenigen ihrer Verwandten und Bekannten, die das Dritte Reich überlebt haben. Während die Männer von hier aus nach Sachsenhausen-Oranienburg abtransportiert und die Alten und Kinder im „Zigeunerlager“ Auschwitz an Mangelernährung oder in der Gaskammer starben, überlebte sie durch Zufall. Einzelnen Tätern ist sie noch später begegnet, etwa auf dem Wiedergutmachungsamt.

Sintezza hegt keinen Groll

Erst nach vier Jahrzehnten erhielt sie ein „Almosen“ als Entschädigung. Bis heute kämpft sie für einen eigenen Gebetsraum für ihr kleines Volk in Würzburg. Doch Groll hegt sie keinen: Stolz trägt sie an diesem Abend den Verdienstorden aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck. „Wir sind doch da, um die Menschen zu lieben, nicht um sie zu hassen“, sagt die lebensfrohe Sintezza: „Nicht wir, unser Herr Jesus ist es, der die Schuldigen richtet.“

Nur wenige Jahre älter als sie ist Dorothea Heller. Mit 20 Jahren hat die Würzburgerin nicht nur erlebt, wie ihre Heimatstadt in wenigen Minuten in Schutt und Asche gelegt wurde, als „Trümmerfrau“ hat sie auch mitgeholfen, anfangs sogar nur mit den bloßen Händen wiederaufzubauen. Als wäre es gestern gewesen, erinnert sie sich an die Sirenen, die von der Vorhut abgeworfenen „Christbäume“, die die Stadt taghell erleuchteten, das Geschrei und die Gebete der Menschen in einem Splittergraben am Viehmarkt und die rot glühende Festung über ihnen. Doch an diesem Abend schwärmt sie: „Es ist unglaublich, wie schön und friedlich unsere Stadt geworden ist.“ Die Bausünden, über die so viele schimpfen, spielen für sie keine Rolle.

Bis heute in Schutt und Asche gelegt ist die Heimatstadt von Zahir Durakovic, Orlova. „Bis Anfang August 1992 war es ruhig“, erzählt der 45-jährige, der als Imam das islamisch-bosnische Kulturzentrum in der Zellerau leitet. In Bosnien gehörte das Miteinander von Katholiken, orthodoxen Christen, Juden und Muslimen zum Alltag, bis der Krieg den jahrhundertealten Schmelztiegel der Kulturen zerstörte. Auch Orlova mit seinen drei Moscheen wurde niedergebrannt. Männer und Jugendliche wurden von den Alten und Kindern getrennt und in Lager gebracht. Trifft er heute in seiner neuen Heimat Serben und Kroaten spürt er die kulturelle Verwandtschaft. „Alle haben verloren“, sagt er heute. Selbst der schlechteste Frieden sei besser als Krieg: „Denn nur im Frieden ist es möglich, miteinander zu sprechen.“

 
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