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Würzburg
Seniorenwohnen: Wie schwierig ist die Suche nach dem Heimplatz?
Wohnen im Alter ist oft ein schwieriges Thema, die Suche nach einem Platz im Pflegeheim auch. Ein Gespräch mit Pflegeexperten aus dem Würzburger Bürgerspital.
Wie schwierig ist es in Würzburg einen Platz im Seniorenheim zu finden? Expertinnen aus dem Würzburger Bürgerspital äußern sich zur aktuellen Lage.
Foto: Thomas Obermeier | Wie schwierig ist es in Würzburg einen Platz im Seniorenheim zu finden? Expertinnen aus dem Würzburger Bürgerspital äußern sich zur aktuellen Lage.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:44 Uhr

Viele Menschen denken nicht gerne ans Alter und schon gar nicht daran, einmal aus dem eigenen Haus in ein Seniorenwohnstift oder ein Seniorenheim umziehen zu müssen. Dabei ist es gut und hilfreich, sich mit diesem Thema frühzeitig zu befassen und auch mit der Familie und Freunden das Gespräch zu führen, rät Annette Noffz, Leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals Würzburg.

Denn oft sei es nicht so einfach einen Platz in der Wunsch-Einrichtung zu bekommen. Das ist auch dem demografischen Wandel geschuldet: Während im Jahr 1960 jeder achte Einwohner mindestens 65 Jahre alt wurde, ist es heute jeder Fünfte und bis 2060 könnte es jeder Dritte sein. Dies zeigt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Auch der Anteil hochaltriger Menschen nimmt zu. Diese Redaktion hat mit Annette Noffz und Miriam Preuß, Einrichtungsleiterin des Seniorenheims Ehehaltenhaus/St. Nikolaus in der Sanderau darüber gesprochen, warum die Suche nach einem Platz schwierig ist, welche Leitbilder in der Pflege wichtig sind und was getan wird, um dem Mangel an Pflegekräften entgegen zu wirken.

Frage: Warum ist das Thema rund um Seniorenwohnstifte und Seniorenheime für die älteren Menschen solch ein schwieriges?

Miriam Preuß: Unsere Gesellschaft spielt uns vor, dass es unser Ziel ist, für immer jung und dynamisch zu sein. Da ist natürlich die Angst da, sich mit dem eigenen Verfall zu beschäftigen, das selbstbestimmte Leben aufzugeben und die vertraute Umgebung zu verlassen. Oft kommt für die Menschen erst dann ein Heim infrage, wenn im eigenen Zuhause mit ambulanter Hilfe alles probiert wurde.

Wie kann man diesen Ängsten begegnen?  

Preuß: Wir als Pflegeexperten wollen mit neuen Leitgedanken und Pflegekonzepten dagegen ansteuern und versuchen, immer bedürfnisorientierter zu arbeiten. Was braucht der einzelne Senior und die Seniorin, zum Beispiel welche Vorlieben und Abneigungen in puncto Essen und Freizeit haben sie. Die älteren Menschen sollen sich bei uns wohlfühlen, im besten Fall Geborgenheit erfahren. Wichtig ist für uns, dies auch nach außen zu kommunizieren, das versuchen wir insbesondere bei unserem Tag der Offenen Tür.

Sind Seniorenwohnstifte, in denen jeder für sich im eigenen Appartement selbständig leben kann und dabei Unterstützung erhält, die Pflege der Zukunft?
Foto: Thomas Obermeier | Sind Seniorenwohnstifte, in denen jeder für sich im eigenen Appartement selbständig leben kann und dabei Unterstützung erhält, die Pflege der Zukunft?
Hilft zum Wohlfühlen auch, dass in Zukunft 75 Prozent der Zimmer im Pflegeheim - nach dem bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz - Einzelzimmer sein sollen?

Annette Noffz: Ganz sicher, denn Privatsphäre ist uns allen doch sehr wichtig. Es gibt aber auch Bewohner, die gerne in einem Zweibettzimmer leben, weil sie nicht alleine sein wollen, und es sind aus dieser Situation heraus auch schon häufig sehr gute Freundschaften entstanden. Vom Räumlichen her bedeuten mehr Einzelzimmer natürlich, dass wir nicht mehr so viele Senioren wie zuvor aufnehmen können. Jeder für sich hat zwar mehr Platz und das eigene Bad, aber insgesamt können wir weniger Plätze anbieten. Da wird die Suche nach einem Heimplatz leider noch schwieriger.    

Ist die Suche nach einem geeigneten Platz denn so schwierig? Eine ältere Würzburgerin sagte mir, sie sei fast vergleichbar mit der Suche nach dem Kita-Platz?

Preuß: Den Vergleich mit dem Kita-Platz halte ich für schwierig. Eltern, die einen solchen suchen, kennen ihren Bedarf schon seit Monaten oder gar Jahren, weil sie planen, ab wann ihr Kind eine Kita besuchen soll. Bei einer eintretenden Pflegebedürftigkeit kann der Bedarf leider manches Mal schneller eintreten als gedacht. Gut ist, rechtzeitig darüber zu reden, was man sich für das Alter vorstellt und sich gegebenenfalls auf eine Warteliste setzen zu lassen. Insbesondere dann, wenn man eine ganz spezielle Senioreneinrichtung im Blick hat. Da ist es hilfreich frühzeitig anfragen.    

Wie sinnvoll ist es, dass betreutes Wohnen und Pflegeheim wie zum Beispiel im hier angrenzenden Robert Krick-Wohnstift und dem Seniorenheim Ehehaltenhaus/St. Nikolaus an einem Ort sind?

Noffz: Diese Verbindung hat Vorteile. Wer in das Robert Krick-Wohnstift, also eine Einrichtung des betreuten Wohnens, einzieht, kann hier auch mit Unterstützung unseres Ambulanten Pflegedienstes möglichst lange im eigenen Appartement leben. Wenn der Fall eintritt, dass eine umfassendere Betreuung notwendig ist, kann der Umzug in ein Pflegezimmer des Ehehaltenhauses oder St. Nikolaus erfolgen. Da alle drei Einrichtungen auf einem Gelände sind - verbunden durch einen überdachten Gang - ist das kein großer Umzug. Die Senioren kennen sich weiterhin aus und müssen sich nicht völlig umgewöhnen und neu einleben. Ganz wichtig ist, dass soziale Bindungen und Freundschaften, die im Seniorenwohnstift entstanden sind, durch die räumliche Nähe weiter bestehen bleiben können.

Annette Noffz, Leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals Würzburg (ganz rechts) und Miriam Preuß (links außen), Einrichtungsleiterin des Seniorenheims Ehehaltenhaus/St. Nikolaus, im Interview. Zwei weitere Kolleginnen, Agnes Badura (2.v.l.) und Elisabeth Richter, unterstützen sie. 
Foto: Thomas Obermeier | Annette Noffz, Leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals Würzburg (ganz rechts) und Miriam Preuß (links außen), Einrichtungsleiterin des Seniorenheims Ehehaltenhaus/St. Nikolaus, im Interview.
Kann sich denn ein normal oder eher gering Verdienender überhaupt einen Platz im Pflegeheim leisten? Und wie ist es mit den Angehörigen? Zahlen diese, wenn die Rente nicht reicht?

Preuß: Mit der "Hilfe zur Pflege" springen oft die Sozialämter ein, um einen Heimplatz zu bezahlen. Bisher holen sich die Ämter einen Teil von den Angehörigen der Pflegebedürftigen zurück, vor allem von deren Kindern. Das wird jetzt anders. Denn gerade zum ersten Januar ist das Angehörigen-Entlastungsgesetz in Kraft getreten. Demnach wird für Kinder pflegebedürftiger Eltern ab dem 1. Januar 2020 ein Freibetrag von 100 000 Euro beim Jahresbruttoeinkommen gelten.

Wie gravierend ist die Situation aufgrund des Fachkräftemangels? Und was kann getan werden?  

Noffz: Es besteht hier ein großes Problem, denn es gibt deutschlandweit viel zu wenig ausgebildete Pflegekräfte und auch bei den Auszubildenden sieht es nicht gut aus. Noch vor einigen Jahren haben wir pro Ausbildungsjahr rund 20 junge Menschen eingestellt. Heute sind wir froh, wenn wir die Hälfte einstellen können. Berufe in der Pflege haben an Attraktivität verloren, was wir sehr bedauern. Wir sind der Ansicht, dass der Pflegeberuf nicht nur ein sehr sinnvoller ist, sondern auch besonders erfüllend sein kann.

Warum ist das Interesse zurückgegangen?

Noffz: Die Gründe für den Rückgang sind sicher vielfältig. Ein Grund aber, der immer wieder genannt wird, ist eine schlechte Bezahlung. Das ist aus unserer Sicht so nicht richtig, denn Pflegekräfte in Einrichtungen wie unseren, die nach den Regelungen des TVöD oder ähnlichen Tarifwerken zahlen, sind nicht schlecht bezahlt. Zudem bestehen gute Weiterbildungsmöglichkeiten und damit auch Karrierechancen. Wir jedenfalls werben für diesen Beruf, versuchen Anreize zu geben und auf Bedürfnisse von Mitarbeitern einzugehen. Wir plädieren dafür, den Menschen, die einen pflegenden Beruf ausüben oder erlernen, die Achtung und den Respekt entgegenzubringen, den sie verdienen.

Ist ein Quereinstieg in den Pflegeberuf möglich?  

Noffz: Ja, auch Quereinsteiger aus anderen Berufssparten und Interessenten aus anderen Ländern unterstützen wir gerne beim Einstieg, zum Beispiel auch beim Erlernen der Sprache. Und wir freuen uns über die vielfältige Unterstützung von ehrenamtlich Tätigen, von denen manche schon sehr viele Jahre bei uns sind.

In welche Richtung entwickelt sich die Pflege der Zukunft?

Noffz: Wir glauben, dass es sinnvoll ist, älteren und alten Menschen möglichst lange Unterstützung im selbständigen Wohnen zu geben. So sehen wir unsere Seniorenwohnstifte, in denen jeder für sich im eigenen Appartement selbständig leben kann und dabei Unterstützung erhält. Diese reicht vom Mittagessen über beispielsweise die wöchentliche Reinigung der Räume, Hausmeisterservice und Veranstaltungen bis hin zur ambulanten Pflege. Jeder Bewohner kann dabei für sich leben, aber die Möglichkeit in Gesellschaft zu sein und Freundschaften zu schließen sind gegeben. Diese Unterbringungsmöglichkeiten bietet das Bürgerspital bereits, das wollen wir noch weiter ausbauen.

Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist
Die Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist in Würzburg ist Trägerin von Seniorenheimen und Seniorenwohnstiften, einer Tagespflege, eines ambulanten Dienstes, eines Geriatriezentrums, zahlreicher Immobilien und eines Weinguts. Ihren Stiftungsgedanken verfolgt sie seit 1316 - seit über 700 Jahren.
Zu den Senioreneinrichtungen gehören das Seniorenheim Ehehaltenhaus/St. Nikolaus, die Seniorenheime Hüberspflege und St. Maria, das Seniorenwohnstift Frauenland, das Robert-Krick-Wohnstift, das Seniorenwohnstift von Steren sowie die Tagespflege Villa Schenk.  
 
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Kommentare
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  • O. G.
    Nun ja, wer sich mit dem Thema Entgelt auseinandergesetzt hat, wird festgestellt haben, dass das Einstiegsgehalt einer Fachkraft ca 300 € über dem Mediangehalt in Deutschland liegt. Da sind etwaige Zulagen noch nicht berücksichtigt! Das der Wert der Tätigkeit höher liegt, ist definitiv diskutabel. Von einer schlechten Bezahlungs zu sprechen ist aber grob unwahr!
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  • K. S.
    Miese Arbeitsbedingungen in der Pflege können nicht mit zu wenig Kohle kompensiert werden, wäre politisch ein Muß, interessiert jedoch keinen. auch mit ausländischen fachkräften wirds nicht laufen. die pfeifen euch was, zu recht
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  • S. E.
    Liebe Frau Noffz, nur zwei Fragen: Welche (Alten-)Pflegekraft kann mit ihrem Gehalt die Familie ernähren? Oder als Teilzeitkraft (unter 30 Wochenstunden) zumindest für sich selbst eine Wohnung und den Lebensunterhalt bestreiten? Denn das ist mit "schlechte Bezahlung" gemeint. SIcher ist der TVÖD immer noch besser als so manche "Hausverträge", dennoch ist die nachhaltige Sicherung des Lebensunterhalts im Pflegebereich schwierig.
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