Dramatisch sind derzeit die Nachrichten aus Brasilien. Die Corona-Pandemie hat das größte Land Südamerikas fest im Griff. In Lengfeld verfolgt der Verein „Partnerschaft Lengfeld-Pacoti“ (PLP) aufmerksam die Lage in und um Pacoti, gelegen im Bergland des Bundesstaats Cearà. Digital sind Marianne Grave, Hans Klein und Cláudia Brandao Mecker oft mit der Partnergemeinde jenseits des Atlantik verbunden. Mit der ASPEK (Associação Solidária Padre Kiliano) in Pacoti hat der Lengfelder Verein, vor 25 Jahren gegründet, einen Partnerverein vor Ort, der seit 2010 die Hilfe koordiniert und weitergibt.
Rund 11 000 Einwohner hat Pacoti und bitterarm ist: Hohe Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen in Landwirtschaft und bei wenigen Dienstleistungen, kaum sauberes Trinkwasser, keine Müllentsorgung. Schlechte Wohn- und Lebensverhältnisse begünstigen das Ausbreiten vermeidbarer Krankheiten.
Bevölkerung verehrt den Missionar bis heute
In Zusammenarbeit mit Pfarrei und Gemeinde Pacoti fördern die Lengfelder den Bau von Zisternen und Sozialstationen, finanzieren Studienhilfen und unterstützen Hausaufgaben-Betreuung, die nötig ist, weil Eltern oft nicht helfen können. Vielfach schließt man an das an, was Pater Kilian, ein Lengfelder, in Pacoti begonnen hat: Im Oktober 1942 kam der Salvatorianer-Missionar nach Pacoti und blieb bis zu seinem Tod im Januar 1995.
Er baute Straßen, Schulen, Kirchen, Sozialstationen in den über 30 Außengemeinden der weitverzweigten Gemeinde und ein Krankenhaus, das seinen Namen trägt. Die Bevölkerung verehrt den Missionar aus Lengfeld bis heute, errichtete ihm eine Bronzestatue und sucht den Kontakt mit der Heimat des Mannes. Der derzeitige Pfarrer Padre Fabio ist seit Februar 2020 in Pacoti. Die besonderen Beziehungen zwischen Lengfeld und Pacoti werden bald 80 Jahre und haben sechs Pfarrer-Wechsel überstanden. In Lengfeld sorgt inzwischen seit 25 Jahren ein Verein für die Brücke über den Atlantik.
Hilfe kommt bei den Menschen in Brasilien an
Marianne Grave, Pfarrgemeinderatsvorsitzende von 1982 bis 1998, gründete im Januar 1996 gemeinsam mit Waltraud Ackermann den Verein „Partnerschaft Lengfeld-Pacoti“ (PLP). Grave war 1978 zum ersten Mal in Rio, portugiesische Sprachkenntnisse hatte sie als Leiterin des Deutschen Kindergartens in Lissabon erworben. Ab 1999 verbrachte sie oft mehrere Monate vor Ort in Pacoti, um die Hilfe zu koordinieren. Die Gründung von ASPEK in Pacoti 2010 erleichtert rasche Hilfe vor Ort und stärkt die Arbeit der örtlichen Partner. Grave, die 1985 zum ersten Mal in Pacoti war, erlebt, dass es zu wenig Kontinuität gibt.
Hans Klein fungiert als Schriftführer beim PLP. Seit zehn Jahren in Lengfeld und engagiert, sorgt er für die Brücke nach Pacoti, obwohl er wohl kaum nach Brasilien reisen wird. Bei einem Flohmarkt im ÖZ kam die Kunstgeschichtlerin und Fotografin Cláudia Brandao Mecker, in Südbrasilien geboren und seit zehn Jahren in Lengfeld, zum Verein. Sie ist begeistert, wie Marianne Grave „Kontinuität in die Beziehungen gebracht und 25 Jahre Linie gehalten hat.“ Was die gebürtige Brasilianerin besonders gut findet: „Die Hilfe kommt bei den Menschen an.“ Wie finanziert sich der Verein? Es gibt einen Stamm von treuen Spendern, man macht Flohmärkte, verkauft Osterkerzen und Marmelade, viele Jahre gab es ein Pacoti-Essen im ÖZ. Über Instagram will man künftig auch junge Menschen erreichen.
Verbindung ist keine Einbahnstraße mehr
Waren es zunächst Lengfelder, die ab 1985 in Gruppen oder als Praktikanten nach Pacoti gingen, ist die Verbindung heute keine Einbahnstraße mehr: Im Sommer 2019 kamen mit Conceiao, Audeciane und Luis Henrique drei Gemeindemitglieder für zwei Wochen nach Lengfeld, um die Heimat von P. Kilian kennenzulernen. Bereits vorher waren die Pfarrer aus Pacoti und der Arzt des von P. Kilian gegründeten Krankenhauses „Ospedale Padre Quilano“ in Lengfeld. Zwölf Jugendliche aus Pacoti machten 2005 auf dem Weg von Brasilien zum Weltjugendtag in Köln mehrere Tage Station in Lengfeld.
Die Studienhilfe für Pacotienser läuft weiter, hilft bei der Qualifizierung. Jeweils acht, neun Studenten kann man fördern. Neue Häuschen, wie einst im Armenviertel La Granja, baut der Verein nicht mehr, aber er gibt Zuschüsse zu Sanierungen und Reparaturen, hilft bei akuten Notfällen. Jugendliche holt man mit Sportaktivitäten von der Straße, Senioren durch Treffen aus der Einsamkeit – bis Corona kam.
Gerade in der aktuellen Situation ist die deutsch-brasilianische Hilfe von PLP und ASPEK besonders wichtig: Oft endet die staatliche Hilfe und da viele Menschen ohne Arbeit sind, bleiben oft nur soziale Initiativen, wie ASPEK, die in Zeiten der Corona-Pandemie direkt und vor Ort weiterhelfen können.
Wie geht es weiter mit der Partnerschaft?
Was kann privates Engagement im Fall Brasilien verändern? Am deutlichsten wird die gebürtige Brasilianerin Cláudia Brandão: „Regierungen handeln nicht in Richtung Entwicklungs-und-Verbesserungspolitik. Sie handeln nur zugunsten ihrer eigenen Interessen und um an der Macht zu bleiben. Dies sind die Prioritäten, aus denen alle öffentlichen Gelder des brasilianischen Volkes fließen. Mit anderen Worten, die Menschen sind allein und ihrem eigenen Schicksal überlassen. Dies ist die Zusammenfassung dessen, was in Brasilien unter dem Namen „Politik“ praktiziert wird. Deshalb glaube ich persönlich an private Initiativen und unabhängige Solidaritätsbewegungen. Es gibt kaum einen anderen Ausweg. Ich bin froh, Teil eines Projekts, unserer Partnerschaft Lengfeld-Pacoti sein zu können, das den Bedürftigen direkt hilft.“
Dem ASPEK in Pacoti haben die Lengfelder einen Laptop zur Verfügung gestellt, um den Dialog über den Atlantik zu erleichtern. Konsequent stärkt man die Eigenverantwortung der brasilianischen Partner, fördert Hilfe zur Selbsthilfe. Doch derzeit bestimmt die Corona-Pandemie die Partnerschaft: Das Doppel-Jubiläum von PLP und ASPEK im Januar wurde verschoben, wie auch die Mitgliederversammlung, jetzt auf Freitag, 11. Juni.