Vor 20 Jahren hat der Bayerische Bauernverband (BBV) ein eigenes Schulprojekt etabliert. Es nennt sich "Landfrauen machen Schule". In Theorie und Praxis in der Schule und auf Bauernhöfen werden Kinder zur Wertschätzung für eine gesunde Ernährung mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln sensibilisiert. Von Anfang an dabei ist Ernährungsfachfrau Lioba Kinzinger aus Aub-Burgerroth im Landkreis Würzburg. Sie wurde nun vom Kreisverband Würzburg des BBV mit einer Dankurkunde geehrt.
Lioba Kinzinger: Ich war von Anfang an von diesem Projekt überzeugt und habe als Hauswirtschaftsmeisterin und Ernährungsfachfrau die nötigen Qualifikationen. Mir ist es wichtig, dass Kinder mit allen Sinnen lernen und den Naturkreislauf verstehen. Das Budget pro Landkreis reicht für sechs Einheiten im Jahr. Manchmal frage ich beim BBV nach, ob andere Landkreise ihr Budget nicht ausgeschöpft haben. Dann biete ich weiteren Grund- und Förderschulen, Mittelschulen oder neu auch Realschulen über Ochsenfurt und Aub hinaus meine Dienste an.
Kinzinger: Ach wissen Sie, die Schulen bekommen so viel angeboten, was sie alles machen könnten. Das schaffen sie gar nicht. Natürlich muss ich auf sie zugehen und darauf hoffen, dass sie mich einladen. In den Schulen in Ochsenfurt und Aub bin ich mittlerweile bekannt und werde bestens unterstützt. In der Ochsenfurter Grundschule haben die Klassen von Frau Wanderer sogar schon zweimal bayernweit den ersten Platz mit einer Collage über den Bauernhofbesuch gemacht. Auch die Unterpleichfelder und Bergtheimer Grundschulen schätzen meine Arbeit. Wichtig ist halt, dass Bauernhöfe ringsum bereit sind, Kindern ihre Betriebe und Arbeit zu erklären.
Kinzinger: Es kommt darauf an, wie alt die Kinder sind und welche Jahreszeit gerade ist. In den ersten Klassen spreche ich gern über die Milch, in höheren Klassen eher über Getreide, Kartoffeln, Tierhaltung, Obst oder Gemüse. Die "Theorie" dauert zwei bis drei Unterrichtsstunden. Das beinhaltet immer etwas Praktisches. Wir machen beispielsweise ein Frischkornmüsli oder Eis. Wenn es eine Schulküche gibt, kochen wir auch gemeinsam. Den Kindern macht es Spaß, etwas zu schnippeln und mit anzupacken.
Auch auf den Höfen ist es unterschiedlich. Hier steht das Erfahren mit allen Sinnen im Vordergrund. Die Kinder sollen lernen, wie Gras, Heu, Erde oder Rapsschrot riecht. Oder wie die Luft in einem Stall ist. Sie dürfen Kartoffeln ausbuddeln, sich von einer Kuh die Hand abschlecken lassen oder die Körner in einer Getreideähre zählen. Wer will, darf von einem Heuballen hüpfen oder im gehäckselten Mais einen Purzelbaum schlagen. Mich erschreckt es, dass viele Kinder noch nie durch ein Maisfeld oder über einen Stoppelacker gelaufen sind. Diese Erfahrungen in der Kindheit sollte niemand missen. Sie sollten auch wissen, wie frisch gemolkene Milch oder ein Maiskolben direkt vom Acker schmeckt.
Ernährungsfachfrau
Kinzinger: Leuchtende Kinderaugen! Manche Kinder kommen in einen Stall und halten sich die Nase zu, weil es für sie stinkt. Aber das sind oft die, die am Ende am dreckigsten sind und schnell den Stallgeruch gar mehr merken. Ich habe Projekte gern, bei denen Kinder sähen und später ernten dürfen, zum Beispiel Karotten. Sie erleben dabei, dass ein Lebensmittel Boden, Sonne, Wasser und Nährstoffe braucht und dass das Wachsen seine Zeit dauert. Manche Kinder sind wirklich erstaunt, dass es in der Landwirtschaft keine Abfallprodukte gibt oder dass Nahrungsmittel über die Tiere veredelt werden. Aus Raps etwa gewinnen wir Öl für die Nahrung oder Kraftstoff, und das übrig gebliebene Schrot verfüttern wir wieder. Oder die Gülle der Tiere: Sie ist ein nützlicher Dünger. Alles wird verwertet.
Kinzinger: Sie sind nicht schlauer oder dümmer geworden. Aber leider wissen Kinder immer weniger vom Naturkreislauf oder der Produktion von Nahrungsmitteln. Das frustriert mich oft. Ich empfinde Kinder immer ungeduldiger. Sie können nicht warten und wollen sofort eine Antwort auf ihre Fragen. Manche Kinder sind schon gepolt auf eine enge vegane Ernährung, dabei gibt es so viele natürliche Lebensmittel. Viele Kinder kennen zwar die Begriffe Saison und Region, aber sie wissen beispielsweise nicht, dass bei uns Tomaten nicht das ganze Jahr wachsen. Schließlich sind sie jeden Tag in ihrer Pausenbrotbox.
Kinzinger: Natürlich. Diese Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit ist mir wichtiger denn je. Ich will die Herzen der Kinder erreichen. Vor kurzem haben wir in einer Klasse zusammen ein Frühstück gerichtet. Danach war ein Junge erstaunt: "Was, so viel Arbeit für so wenig Essen?" Das hat mich berührt, weil es genauso ist. Das Sähen, Pflanzen und Füttern, das Wachsen und Hegen, das Ernten und Verarbeiten dauert seine Zeit. Und ohne Sonne, Regen und das Zusammenhalten geht es auch nicht. Dafür möchte ich Verständnis wecken.