"Spannungsfelder" nennt Annette Lehrmann ihre Ausstellung im Spitäle und Schwarz den wichtigsten Spannungspol ihrer Arbeiten: "Verdecken Sie mal diese und diese schwarze Partie" – sie hält zwei Formen auf ihrer Leinwand zu – "und schon ist die ganze Spannung raus." Recht hat sie, das sind zwei enorm wichtige Felder. So spannend kann Abstrakte Malerei sein.
Weiter in die Tiefe! Auf den ersten Blick scheint es, als habe sie die 30, 40 Bilder hier mit kräftigem Pinselschwung auf die Fläche geworfen. Das hat sie auch, doch nicht nur das. Vielmehr trägt Annette Lehrmann Schichten auf, am Anfang meist ein – natürlich – schwarzes Gebilde. Es folgen Übermalungen, doch nicht durchweg mit pastosen Farben, sondern auch in dünnen, transparenten Lasuren, auch öliger Bitumenlösung, die sich nicht mit ihrem bevorzugten Acryl vermischt, was wieder winzige Strukturen ergibt. Wann solch ein Werk fertig ist? Nun, die Künstlerin sieht es eben – nach einigen Tagen. Es können aber auch Wochen werden. Auffällig sind die starken roten Passagen und die rosa Akzente. Grün kommt – jedenfalls in dieser Ausstellung – allerhöchstens als sehr braun gedeckte Farbe vor.
Spannungsfeld mit Pinselflächen
Und noch einmal, jetzt aber anders in die Tiefe: in den Raum. Der bildet ebenfalls ein Spannungsfeld, nämlich mit Pinselflächen im Vordergrund, mit Lichterscheinungen und als Offenheit hinter Körpern, die ihrerseits ja auch als räumliche Gebilde auftreten. Dem Ganzen sollte man sich hingeben, hier mal so als Tipp, wenn man Lehrmanns Absichten nahekommen möchte. Teile herauszugreifen und zu identifizieren – "Ich sehe darin zwei Menschen, die an einem Tisch sitzen" – stört die Urheberin zwar nicht; sie hat Verständnis für den Drang der Betrachter, etwas Konkretes zu erkennen. Gegenstände abzubilden oder auch nur Assoziationen zu erwecken liegt ihr jedoch nicht im Sinn.
Ein interessantes Spannungsfeld eröffnet sich dem Schauenden, der zunächst ganz im Nicht-Figurativen aufgeht, dann aber anfängt, bekannte Dinge in die Bilder hineinzuinterpretieren und sich davon leider abgelenkt fühlt. Nicht so schlimm, diese Phase geht vorbei. Bald steht man wieder hingerissen vor neuen und immer weiter neuen Seelenlandschaften, ja, steht nicht nur, sondern spaziert hinein.
Möglich ist das bis zum 26. Juni dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr. Nach dem Eröffnungswochenende 4. und 5. Juni ist die Künstlerin noch einmal am 25. und 26. Juni anwesend. In der Würzburger Katharinengasse 1 führt sie zudem eine eigene Atelier-Galerie, in der die Dozentin – an mehreren Kunstgalerien – auch Kurse gibt.