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WÜRZBURG
Seehofer im "Luisengarten": ein Mann mit einfachen Lösungen
Seehofer direkt: Moderiert von Ralf Exel (rechts) konnten Wähler im „Luisengarten“ dem Ministerpräsidenten Fragen stellenFoto: Norbert Schwarzott
| Seehofer direkt: Moderiert von Ralf Exel (rechts) konnten Wähler im „Luisengarten“ dem Ministerpräsidenten Fragen stellenFoto: Norbert Schwarzott
Von unserem Redaktionsmitglied Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 02.11.2015 14:38 Uhr

Wer zu spät kommt, den straft nicht nur das Leben. Der kriegt auch keinen Platz mehr im Saalbau „Luisengarten“, wo Horst Seehofer CSU-Wahlkampf macht. Rund 400 Sitzplätze gibt's, dazu einige Stehplätze. Aber um 18.50 Uhr ist Schluss. Nichts geht mehr.

Der Saal ist proppenvoll, im Foyer drängeln sich maulende Menschen vor den Bildschirmen, auf die der Auftritt des Ministerpräsidenten übertragen wird. „Ich wollt ihn doch mal richtig sehen“, klagt ein Herr.

Der Großteil des Publikums ist jenseits der 60 – und gut vorbereitet. Mitgebrachtes Gebäck wird ausgepackt, Colaflaschen zischen. Eine Dame im teuren Kostüm pflückt die Kugelschreiber von den ausliegenden Wahlkampfbroschüren und steckt sie in ihre Handtasche. „Kann man immer brauchen“, sagt sie zu ihrem Begleiter, „ich hab auch schon elf Tuben Sonnencreme“. Die verteilt die CSU an ihre Gäste, „damit sie nicht rot werden“.

Eine Dame mit Stock sucht einen Sitzplatz, entdeckt einen freien Stuhl ganz vorne, lässt sich erleichtert auf das „Reserviert“-Schild fallen. Ein Ordner weist darauf hin, dass die Plätze Polizeibeamten vorbehalten sind. „Die Polizei kann stehen“, sagt die Dame ungehalten, „ich nicht“.

Zwei Reihen vor ihr unterhalten sich Ex-Postminister Wolfgang Bötsch und der ehemalige dritte Bürgermeister der Stadt, Erich Felgenhauer. Letzterer hat von 1996 bis 2008 eine CSU-Pause eingelegt. Aber wen kümmert das heute noch. Politik ist ein schnelles Geschäft.

Um 19.10 Uhr erschallt ein Jagdhorn aus den Lautsprechern, auf den Bildschirmen erscheinen fleißige Handwerker und eine Roboterhand, Schloss Neuschwanstein, Seehofer mit dem Papst. Moderator Ralf Exel, cremefarben von den Schuhen bis zur Krawatte, tritt auf die Bühne, bittet das Publikum darum, dem Ministerpräsidenten Fragen „quer Beet“ zu stellen. Die Veranstaltung heißt ja schließlich „Seehofer direkt“. Landtagspräsidentin Barbara Stamm, oben dunkelpink im Landhausstil, unten schwarz gekleidet, entschuldigt Landrat Eberhard Nuß, weil er „für uns alle auf dem Kreuzberg ist“.

Dann wird es, so Exel, „spannend“. Der Ministerpräsident ist da – und kommt gleich zu seinem derzeitigen Lieblingsthema: Maut. Natürlich nur für Ausländer. „Die Deutschen bezahlen genug, die kriegen ihr Pickerl mit dem Kfz-Steuerbescheid.“ Rechtliche Bedenken? Quatsch. „Bei den Griechenland-Hilfen hat niemand gefragt, ob das juristisch zulässig ist. Aber wenn andere bei uns bezahlen sollen, soll das rechtlich bedenklich sein.“ Einfache Lösungen. So geht Wahlkampf.

Die Fragen der Gäste sind zahm, haben mit Umweltbelastungen zu tun, mit Flurbereinigung, Ganztagsschulen, verödeten Dorfkernen. Seehofer verspricht, was die Leute hören wollen, manchmal auch die Quadratur des Kreises. „Große Lkw auf große Straßen“, die freilich „noch gebaut werden müssen“, aber selbstverständlich mit „Rücksicht auf die Landschaft“.

„Dass Sie diese Frage

ausgerechnet mir stellen“

Seehofer zu einem Gast, der wissen will, was die CSU gegen den

Geburtenrückgang tun wird

Einer der „Väter der Energiewende“ sei er gewesen, sagt er, und natürlich trete er ein „für erneuerbare Energien, aber nicht gegen Menschen und Natur“. Einen „Heimatminister“, der sich um die Belange des „ländlichen Raums“ kümmert, will er in sein neues Kabinett nehmen. Ganztagsbetreuung für Schüler dort einrichten, „wo sie gewünscht wird“. Hilfe für den ländlichen Raum gewähren, damit „die Jugend bleibt“. Als ein Frager wissen will, warum Beamte nichts für ihre Altersversorgung bezahlen müssen, zischt Bötsch „Gewerkschaftsgeschwätz“. Seehofer erzählt, dass man die kleinen Leute im mittleren Dienst „nicht strangulieren“ dürfe.

Ein junger Mann ergreift das Mikrofon: „Was wollen Sie und die CSU gegen den Geburtenrückgang machen?“, fragt er Seehofer. Alle lachen. „Dass Sie diese Frage ausgerechnet mir stellen“, sagt der Ministerpräsident. Stramm katholisch ist er, geschieden, wieder verheiratet, Vater von drei ehelichen Kindern und einer Tochter aus einer Affäre. „Ehe und Familie müsse das gesellschaftliche Leitbild bleiben“, sagt er.

Zum Schluss ein Bild wie aus dem Handbuch für Wahlkämpfe. Eine hübsche Frau mit Baby im Arm und vier weiteren Kindern im Schlepptau klagt ihr Leid. Alleinerziehend mit fünf Kindern sei sie. Und für ihren Sohn finde sie in Würzburg keinen Kindergartenplatz. Seehofer nickt verständnisvoll. „Da wird sich unser Oliver Jörg drum kümmern“, verspricht er – und der Würzburger Landtagskandidat der CSU nickt eifrig. So schön kann Wahlkampf sein.

 
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    Nicht zu vergessen, nach dem außerehelichen Abenteuer mit der Folge eines bayerischen Neubürgers ist der Ministerpräsident als „Pilger“ bei Papst Benedikt aufgetaucht. Was für eine Botschaft. Der Strauß hatte ebenfalls seine Affären und jedes Mal hat die katholische Kirche weggeschaut und den drohenden, menschenverachtenden Kommunismus beschworen, wenn nicht das Kreuz bei der C-Partei gemacht wird. Da wurden Pamphlete, wie die „Bildpost“ durch die Ministranten vor der Kirchentüre verteilt, in denen z. B. Kanzlerkandidat Willi Brand diffamiert wurde, nachdem der Pfarrer eindeutig von der Kanzel seine Wahlempfehlung gegeben hatte. Man hat den Eindruck, dass die an Heuchelei grenzende Meinungsbeeinflussung für breite Bevölkerungsschichten durch Politiker, wie Seehofer, Stamm und auch Merkel, heute sogar noch einfacher geworden ist. Daher "Hut ab" vor den mutigen Journalisten, die im Prinzip Funktionen übernehmen, mit denen eigentlich die gewählten Abgeordneten beauftragt wurden.
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  • G. H.
    Was sollen die uninteressanten Hinweise auf Colaflaschen, Gebäck, Felgenhauer?
    Hat Frau Schmidt denn nur auf diese primitiven Begleiterscheinungen geschaut und das wesentliche nicht mitbekommen. Arme Journalistin! Und der Hinweise auf die Pressefreiheit für den ARD-Monitor-Journalisten - der sich äußerst arrogant benommen hat - stellt diese Pressefreiheit besonders in Frage.
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  • T. D.
    Ich gehe davon aus, dass es ungewollt ist, Herrn Felgenhauer als uninteressanten Hinweis bzw. als primitive Begleiterscheinung darzustellen.
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    Allen Ernstes eine ernsthafte Berichterstattung über diese Wahlkampfveranstaltung zu verlangen, ist lachhaft! Warum? Weil einfach jede (CSU-)Wahlkampfveranstaltung ein Komödienstadel ist, in dem das Publikum genau das Unterhaltungsprogramm präsentiert bekommt, das es sich wünscht: ein bisschen was für die Familie, ein bisschen was Seniorengerechtes, ein bisschen was latent Ausländerfeindliches, ein bisschen was Bayernexklusives, ein bisschen was Sozialgerechtes, ein bisschen was Umweltschonendes. Seehofer ist ein perfekter Entertainer und dieser Artikel die perfekte Theaterkritik.
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  • B. J.
    dem Außerehelichen CSU Schwarzmauser Drehhofer solche FRAGEN nach
    Geburtenrückgang zu stellen !
    Ist doch schon für U. Priol & Barwasser
    "ZDF IRRENANSTALT Sondersendung BAYERN am 17.09.2013 Nominiert" !
    Alle Fragen dazu muß doch CSU Generalsekretär bzw Justiz__mini__sterin MERK mit Außweisung und Residenzplficht für Redakteure/ im voraus eilen Gehorsam belegen in Bayern !
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    ....hat schon richtig berichtet über den Schauspieler und seine Vasallen. Wer Reisewahlveranstalter ernst nimmt ist selber schuld.
    Aber gebetet wurde dafür ja am Kreuzberg, wie die Landtagsvertuschenpräsidentin zutreffend erwähnte.
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  • M. R.
    ist wirklich sehr mau. Vor allem weil Vieles wichtig gar, in diesem Artikel gar nicht drin vorkommt.
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    Wie erfrischend Frau Schmidt über die Veranstaltung berichtet !

    Man kann von Seehofer viel oder gar nichts halten. Wenn Frau Schmidt einen Kommentar abgeben will, soll sie jedoch nicht so tun, als schreibe sie einen Nachrichtenartikel. Das hat sie nämlich nicht getan, wenn man dem kleinen 1x1 des Journalismus folgt. Von einigen inhaltlichen Fehlbewertungen mal ganz angesehen (Wie kann die Forderung, der Ministerpräsident müsse etwas gegen den Lkw-Verkehr in Würzburg tun, da die Lebenserwartung der Würzburger 5 Jahre unter der der Starnberger liege, als "zahme Frage" bezeichnet werden ?).

    Die Veranstaltung war offen für jegliche Fragen - das bestreitet auch Frau Schmidt in ihrem Kommentar nicht. Wenn ihr die Fragen zu zahm waren, hätte sie sich selbst beteiligen können.

    Eine kritische Presse ist absolut wünschenswert, aber dieser Artikel ist ein einfacher Verriss.
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  • P. D.
    diese kritischen Journalisten sollen geht es nach 'Crazy Horst' jedoch des Landes verwiesen werden.

    Die Mehrzahl der mehrheitlich betagten Besucher - dies entnehme ich dem Artikel der das Stimmungsbild gut wiedergibt - wollten offenbar nur 'ihren Horsti' einmal live sehen.
    Die CSU war jedoch nicht in der Lage die Veranstaltung seniorengerecht zu organisieren. Sitzplätze gab es nur für Polizisten. Diskrepanzen zu Fragen der Alterversorgung der breiten Bevölkerung und einer schmalen Schicht von Staatsdienern waren offenbar unerwünscht.

    Ansonsten ist es so wie 'Mailmal' in einem Kommentar treffend schrieb:
    Seehofer ist ein perfekter Entertainer und dieser Artikel die perfekte Theaterkritik.
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