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Würzburg
Seebrücken-Demo: Mehr Courage gegen Abschiebungen gefordert
Über 400 Demonstriertende folgten dem Aufruf von "Seebrücke Würzburg" und forderten die Stadt Würzburg zu mehr Engagement für Flüchtende auf.
Zahlreiche Menschen nahmen am vergangenen Samstag an der Demonstration mit dem Motto 'Schafft sichere Häfen' teil. Aufgerufen hat dazu die Würzburger Filiale der Internationalen Seebrücken-Bewegung. 
Foto: Patty Varasano | Zahlreiche Menschen nahmen am vergangenen Samstag an der Demonstration mit dem Motto "Schafft sichere Häfen" teil. Aufgerufen hat dazu die Würzburger Filiale der Internationalen Seebrücken-Bewegung. 
Wolfgang Jung
Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:17 Uhr

Mehr als 400 zumeist junge Menschen folgten einem Aufruf von Seebrücke Würzburg" und demonstrierten am vergangenen Samstag gegen die Kriminalisierung der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot. Sie forderten den Stadtrat auf, Würzburg zum "Sicheren Hafen" zu erklären. Einer der Redner war Oberbürgermeister Christian Schuchardt selbst.

Dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen zufolge ertranken im vergangenen Jahr mindestens 2275 Flüchtlinge im Mittelmeer. Mindestens 500 sollen es im laufenden Jahr sein. EU-Staaten wie Italien gestatten privaten Seenotrettern nicht das Anlaufen ihrer Häfen oder halten wie Malta Schiffe und ihre Mannschaften fest. In Italien drohen Seenotrettern bis zu 20 Jahre Haft wegen vermeintlicher Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Die libysche Küstenwache bringt Gerettete nach Libyen zurück, wo ihnen laut "Ärzte ohne Grenzen" "extremste Misshandlungen, Zwangsarbeit und Vergewaltigungen" drohen.

Auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt sprach ins Mikro.
Foto: Patty Varasano | Auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt sprach ins Mikro.

Wichtig und richtig sei die Demonstration, sprach Schuchardt während der Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof ins Mikrofon. Es könne "nicht sein, dass Menschen auf der Flucht oder auf der Suche nach besseren Lebensmittelbedingungen im Mittelmeer erbarmungslos ersaufen. Das empört mich." Die EU müsse handeln. Er berichtete von zahlreichen Bürgermeistern europäischer Städte, die bereit seien, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Symbolische Politik sei wichtig, aber auf das Handeln komme es an, "im Rahmen bestehender Gesetze".

"Es kann nicht sein, dass Menschen auf der Flucht oder auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen im Mittelmeer erbarmungslos ersaufen. Das empört mich." 
Würzburgs OB Christian Schuchardt

Der katholische Pfarrer Burkhard Hose widersprach auf der Schlusskundgebung dem OB. "Brav sein ist keine bürgerliche Tugend", sagte er und forderte unter großem Beifall mehr Courage in den Behörden, Stadträten und von Oberbürgermeistern. Sie müssten "an die Grenzen gehen und manchmal über die Grenzen dessen, was bisher möglich war, hinaus", etwa "Abschiebungen nicht zu vollziehen, auch wenn sie angeordnet sind".

OB Schuchardt im Gespräch mit Pfarrer Burkhard Hose.
Foto: Patty Varasano | OB Schuchardt im Gespräch mit Pfarrer Burkhard Hose.

Er sagte, "wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der Menschen, die in Not sind, nicht Gegner sind, sondern Menschen, für die wir Verantwortung tragen". Die Menschenrechtler dürften sich nicht in die Rolle drängen lassen, "dass wir gegen Gesetze verstoßen würden". Das Gegenteil sei der Fall. Sie täten, was den Müttern und Vätern des Grundgesetzes vor 70 Jahren so wichtig war: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Dafür braucht es laut Hose schon immer ein bisschen mehr Mut. "Es braucht nicht Gehorsam und schon gar nicht Brav-Sein." Brav zu sein, sei keine bürgerliche Tugend. Deswegen habe er höchsten Respekt vor allen, die "unmenschliche Abschiebungen verhindern".

Die Seebrücke Würzburg ist Teil einer internationalen Bewegung, die ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen fordert. Das "unerträgliche Sterben im Mittelmeer" müsse beendet werden, sichere Fluchtwege geschaffen und Geflüchtete menschenwürdig aufgenommen und die Seenotrettung entkriminalisiert werden, so die Forderungen der Seebrücke.

Die Pflicht zur Rettung steht außer Frage

Eine Sprecherin von "Mehr als 16a", dem Asyl-Arbeitskreis der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) rief auf, gegen Leid nicht immun zu werden. Alle gehe an, dass das "regelhafte und ungezählte" Ertrinken toleriert und "bewusst in Kauf genommen" werde. Sie sprach von einer "menschenvergessenen, auf Lebensrecht und Zukunft selektionierenden Realpolitik", der Solidarität entgegenzusetzen sei. Die Pflicht zur Rettung stehe außer Frage.

Die Kundgebung am Hauptbahnhof. 
Foto: Patty Varasano | Die Kundgebung am Hauptbahnhof. 

Seebrücke-Sprecherinnen forderten die Stadt auf, sich gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung zu wenden und aus Seenot Gerettete schnell und unkompliziert aufzunehmen. Würzburg müsse sich gegenüber dem Freistaat und der Bundesregierung für eine deutliche Ausweitung der legalen Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen. Die Stadt solle ein sicherer Hafen werden.

Susanne Kempter von der Uni-Schule, wo Geflüchtete kostenlos die deutsche Sprache erlernen können, attackierte die EU, die sich auf die Menschenrechte berufe, aber Menschen ertrinken lasse, Retter kriminalisiere und mit Staaten wie Libyen kooperiere. Das Privileg, in einem sicheren Land zu leben, sei eine Verpflichtung. Seenotrettung sei bezahlbar, ein Menschenleben nicht.

 
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  • G. S.
    Bitte formulieren Sie die Aussage "gehört zum Teufel gejagt" um. Diese könnte als öffentliche Diffamierung betrachtet werden.
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  • H. S.
    Soso, Herr Schuchardt macht Wahlkampf indem er Frau Merkel links überholt (für etwas anderes wäre er bei dieser Veranstaltung warscheinlich auch ausgepfiffen worden) und Herr Hose fordert indirekt Politiker dazu auf, sich über geltende Gesetze hinwegzusetzen, tolle Veranstaltung!
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