Panierte, nicht bezahlte Hühnerteile aus der Tiefkühltruhe hatte ein Kunde in seiner linken Sakkotasche, als er einen Supermarkt in der City verließ. Ein Detektiv, der ihn verfolgte, konnte nicht ahnen, wen er da nach 150 Meter Verfolgung stellte: einen echten "Graf von …" mit fünf Vornamen und dreimal so viel Vorstrafen.
Im Supermarkt hätten die "Chicken Nuggets" 5,67 Euro gekostet, beim Amtsgericht sind dafür sechs Monate fällig geworden, ohne Bewährung, "wegen der hohen Rückfall-Geschwindigkeit". Der Graf (44) machte keine Angaben und ließ seinen Verteidiger vortragen: Der Diebstahl stehe im Zusammenhang mit einer Trennung, die ihm schwer zusetzte. Nüchtern hätte er so etwas nie gemacht, er könne sich an nichts erinnern. "Bei über zwei Promille wär ich tot", sagte Rechtsanwalt Klaus Spiegel und Richter Christian Eisert entgegnete: "Sie sind auch nicht mehr im Training".
Richter und Angeklagter sind alte Bekannte
Dass der Angeklagte seit dem Zwischenfall nichts mehr trinkt, kam dem Richter bekannt vor, denn er und der Graf kennen sich schon von ähnlichen Fällen: Einmal ging es um Leberkäs zum Selber backen, Rippchen ohne Knochen und Paprika-Beißer, in einem anderen Fall bestand die Beute aus Schinken-Eisbein und Gulasch in der Dose zu je 2,69 Euro. Immer stand der Graf erheblich "unter Strom".
Im Fall der Chicken-Häppchen konnte man vor Gericht auf Zeugen verzichten, gestochen scharfe Bilder der Überwachungskameras überführten den Angeklagten. Sie zeigen ihn, wie er Paniertes vom Huhn in den Einkaufskorb legte, dann nach oben schaute, nach der Position der Kameras, wie er schließlich in einem anderen Gang des Marktes, in der alkoholischen Abteilung , in die Hocke ging, mit dem Rücken zur Kamera "umgeladen" hat und danach war der Einkaufskorb leer.
Nach dem Urteil neuer Haftbefehl
Zum Prozess wurde der Graf, obwohl es nur um 5,67 Euro ging, aus dem Knast vorgeführt. Da war er aber selbst schuld. Zur Verhandlung, wenige Tage vor Weihnachten, war er nicht erschienen, daher wurde Haftbefehl erlassen, damit man beim zweiten Versuch sicher mit ihm rechnen konnte. Nach der Verurteilung ist der Graf nicht erst mal in die Freiheit entlassen worden, weil am gleichen Tag in anderer Sache ein neuer Haftbefehl erlassen worden, dabei geht es um Einmietbetrug. Man wird sich also schon bald wiedersehen.
Zwischen Sekthandel und Obdachlosen-Milieu
Eine Bewährungshelferin hatte vor wenigen Monaten in einer Verhandlung, als sie nach der Sozialprognose gefragt wurde, ihre Eindrücke zögernd, aber deutlich umschrieben: Es gebe eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was der Herr Graf sagt und wie es wirklich ist und war. Den im internationalen Weinbau sehr bekannten Namen seiner Familie setze er beruflich angeblich als Unternehmensberater in der Wein- und Sektbranche ein. Zur gleichen Zeit habe sie ihn allerdings auch, so die Bewährungshelferin, wiederholt im Obdachlosen-Milieu gesehen, mit Tüten und Flaschen drinnen.
Und wie wurde aus dem in Dresden geborenen Mann "ohne" einer "mit Graf zu …?" Seine Mutter soll während ihrer Ehe mit einem Franzosen ein Verhältnis mit einem Grafen aus USA gehabt haben, der ihn dann 2010 adoptierte.Nach Verbüßen einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten in Deutschland habe er in USA beim Vater neu anfangen wollen, das FBI habe ihn jedoch veranlasst, die USA wieder zu verlassen.