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WÜRZBURG
Sebastians große Liebe: Beziehung trotz Handicap
Sebastians große Liebe,Würzburger Organisationen setzen sich für sexuelle Bildung behinderter Menschen ein
Foto: Pat Christ | Sebastians große Liebe,Würzburger Organisationen setzen sich für sexuelle Bildung behinderter Menschen ein
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 17.10.2017 11:13 Uhr

Sebastian Meier strahlt. Überglücklich schaut er aus. Er hat auch allen Grund dazu: Der 36-Jährige ist verliebt. Über ein Jahr hat er nun schon eine Freundin. Über das Würzburger Projekt „Herzenssache“, eine Partnerbörse für Menschen mit Behinderung, lernte er seine Partnerin kennen. Dass Sebastian trotz Handicap eine Beziehung haben darf, ist nicht selbstverständlich. „Viele Eltern verbieten dies ihren Kindern“, sagt Wolfgang Trosbach von der Lebenshilfe in Würzburg.

Trosbach ist Vater eines 19 Jahre alten Sohnes mit Downsyndrom. Niemals würde er seinem Kind untersagen, eine Beziehung einzugehen. Er weiß aber auch, wie schwer es für Eltern behinderter Kinder ist, den Nachwuchs darüber aufzuklären, was alles passiert oder zumindest passieren kann, wenn Mann und Frau zusammenkommen. Und was, wenn das Kind mit geistiger Behinderung sagt, es möchte einmal heiraten und selbst Kinder haben? Viele Eltern, weiß Trosbach, sind von solchen Fragen überfordert. Darum engagiert er sich für eine unterfrankenweit einmalige Fortbildungsreihe zur sexuellen Bildung behinderter Menschen.

Offenheit beim Thema Sexualität

Vier Organisationen stemmen das aus sieben Veranstaltungen bestehende Programm. Neben der Lebenshilfe gehören dazu das Autismus-Kompetenzzentrum Unterfranken sowie die Robert-Kümmert-Akademie, die auch das Projekt „Herzenssache“ trägt. Der Förderverein Sozialpädiatrie finanziert die Reihe maßgeblich. Das Programm begann im Oktober und läuft noch bis März. Es besteht aus Vorträgen und Seminaren für Eltern, für Fachleute, die in Schulen oder Einrichtungen mit behinderten Menschen arbeiten, und nicht zuletzt für Jugendliche und junge Erwachsene wie Sebastian Meier, die ein Handicap haben.

Einen Freund oder eine Freundin zu haben, danach sehnen sich alle Teenager, betont Despina Singer, Vorsitzende des Autismus-Kompetenzzentrums: „Anders als viele Menschen meinen, tun dies auch Jugendliche mit Autismus.“ Singer hat eine autistische Tochter. Zwölf Jahre ist diese alt und steckt mitten in der Pubertät. Damit umzugehen, erlebt Singer als Herausforderung.

„Eltern haben in dieser Situation viele Fragen“, so Singer. Anlaufstellen, wo sie beraten werden, seien noch rar. Simone Dinsing, Ehefrau von Wolfgang Trosbach, bestätigt, dass mehr Angebote zur sexuellen Bildung für Menschen mit Behinderung notwendig wären. Einige gebe es allerdings auch schon: So habe ihr Sohn von Aufklärungskursen der Organisation pro familia profitiert.

In den vergangenen Jahren hat sich einiges bewegt, um Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung zu helfen, das Glück der Liebe zu erleben. „Auch in Würzburg gibt es inzwischen zum Beispiel Sexualassistenten“, sagt Elfriede Erk von der Dr. Maria-Probst-Schule, die Heilerziehungspfleger ausbildet. Überhaupt wachse in den Einrichtungen für behinderte Menschen die Offenheit gegenüber dem Thema „Sexualität“. Schwierigkeiten gebe es aber auch, „so verfügen noch immer viele Menschen mit Handicap über kein eigenes Zimmer in den Einrichtungen.“

Das größere Problem sieht aber auch das Team der Dr. Maria-Probst-Schule bei den Eltern. Schulleiterin Christel Baatz-Kolbe bestätigt, dass manche Mütter und Väter versuchen, die sexuellen Wünsche ihrer Kinder zu unterdrücken. Als rechtliche Betreuer seien sie der Meinung, sie hätten dazu auch das Recht. Doch dem ist nicht so. „Wer seinem behinderten Kind Sexualität verbietet, verstößt gegen Menschenrechte“, so Erk.

Sebastian Meier ist glücklich, einen Vater zu haben, mit dem er über alles reden kann. Von Mann zu Mann. Nie wurden seine Beziehungswünsche ignoriert. Im Gegenteil. Der Vater bahnte ihm sogar den Weg zum Projekt „Herzenssache“.

Mit seiner Freundin ist Meier glücklich. Mit ihr kann er zärtlich sein. Schmusen. Küssen. Allerdings: Alleine war er mit ihr noch nicht gewesen. „Sie braucht Assistenz“, erklärt er. Von daher sei immer eine dritte Person dabei, wenn die beiden sich treffen. Aber Meier hat sich damit arrangiert. Er ist einfach über jede Gelegenheit froh, seine Freundin treffen und spüren zu können.

Das nächste Seminar der Reihe „Sexualität - (K)ein Tabuthema?!“ findet am 16. Januar von 10 bis 16 Uhr in der Robert-Kümmert-Akademie (Berner Straße 8) in Würzburg statt. Weitere Termine: 24. Februar und 12. März.

 

 
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