Kunst lebt von den Rändern. Das gilt im großen Maßstab, zum Beispiel im gesellschaftskritischen Sinn. Es kommt aber auch auf das Kleine an, etwa auf die fein ausgezackten Schnittkanten von Papierformen, die sich zu Collagen fügen – wenn sie denn von Hand aus wirklichen Illustriertenseiten gemacht und geklebt wurden, nicht am Computer. Eben solche technische Raritäten, denen man den rasiermesserscharfen Grafik-Cutter noch ansieht, stellt die Würzburger Künstlerin Katja Tschirwitz in der Galerie Teresita Seib in der Neubaustraße aus.
Eine Mehrheit der 24 Unikate zeigt Dinge oder Lebewesen, die zum Teil aus menschlichen Gliedmaßen bestehen. Ist das nun makaber oder komisch? Wo sich diese Frage stellt, erklingt automatisch das Stichwort Schwarzer Humor. Und dazu fällt einem glatt der Ausstellungstitel ein: "Coronagen. Collagen via Corona". Wobei die Pandemie "nur ein Symptom" von mehreren in einer kopfstehenden Welt ist, schreibt Tschirwitz in der Vernissage-Einladung, der am ersten Novembersonntag viele interessierte Besucherinnen und Besucher folgten.
Manche harmonisch, manche eindeutig fies
Es gibt neben solchen Ambivalenzen auch rein harmonische Blätter und ein paar eindeutig fiese. Alle vereint das Statische, Unbewegte, oft vor mehr oder weniger neutralem, leerem Hintergrund – dessen Material Katja Tschirwitz immer sehr sorgfältig auswählt. Kaum ein Bild zeigt so etwas wie eine Szene. Wir betrachten fiktive Kultobjekte, keine Traumsequenzen. Tschirwitz' Collagen stehen eher in der Tradition von Hannah Höch als der von Max Ernst.
Die Künstlerin verzichtet nicht nur auf digitales Ausschneiden und Kleben. Sie vergrößert und verkleinert ihre Papierschnitte auch nicht per Scanner auf ein passendes Maß. Dass die Figuren nicht beanspruchen, die Abbildung von etwas Wirklichem zu sein, ist ein weiteres Stilmerkmal. Die dargestellten Dinge haben vielmehr etwas Zeichenhaftes; auch und grade vor den meist leeren Hintergründen.
Röhren, Knochen, Rhabarberstangen scheinen die Künstlerin zu faszinieren. Aus gutem Grund, bilden sie doch Linien, mit denen sich eine Fläche gut gestalten lässt, ja, die Linie tritt als Gestaltungsprinzip neben die oben erwähnte Körperlichkeit der Tschirwitzschen Figuren. Diese Ausgewogenheit zwischen Linien und Körpern steigert nochmals die Stille der Bilder.
Die Ausstellung "Coronagen. Collagen via Corona" ist bis 4. Dezember in der Galerie Teresita Seib zu sehen: Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr, Sa. 10 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung, Tel.: (0931) 32094703, www.teresitaseib-fotogalerie.de