Fast 3100 Menschen ließen sich 2016 unterfrankenweit von pro familia beraten. 2015 waren es erst 2625 Ratsuchende. Der starke Anstieg lässt sich vor allem damit erklären, dass sich immer mehr schwangere Flüchtlingsfrauen an pro familia wenden. „Die bringen auch häufig ihre Männer zur Beratung mit“, sagt Martina Schneider, Leiterin der pro familia-Beratungsstelle in Schweinfurt. Für pro familia bedeutet die starke Nachfrage durch Flüchtlinge eine große Herausforderung.
Dies liegt zum einen an Sprachbarrieren. Die Beraterinnen mussten sich in den vergangenen Monaten aber auch in neue rechtliche Fragen einarbeiten. So gilt es oft, zu Beginn einer Schwangerenberatung erst einmal abzuklären, welchen Status eine Frau hat. Davon hängt ab, welche Leistungen ihr nach der Geburt zustehen. Zusätzliche Probleme tauchen auf, wenn eine geflüchtete Frau nicht im Besitz von Papieren ist, so Maria Bakonyi, Leiterin der Aschaffenburger Schwangerschaftsberatungsstelle. Dann gibt es keine Geburtsurkunde. Die wiederum ist unerlässlich, um Eltern- oder Kindergeld zu beantragen.
Nicht nur das Angebot für schwangere Frauen wird von Flüchtlingen nachgefragt. Vereinzelt kommen inzwischen auch Klienten mit Fluchthintergrund in die pro familia-Fachberatungsstelle bei sexueller Misshandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Hans-Peter Breuner in Würzburg leitet. Auch hier haben nicht nur sprachliche Hürden große Folgen für die Beratungstätigkeit.
Flüchtlingsfrauen, die sich an pro familia wenden, erzählen im Laufe der Beratung nicht selten von Gewalt, die sie auf der Flucht oder in Deutschland erlebt haben. Manchmal geht aus ärztlichen Papieren hervor, dass eine Frau auf der Flucht vergewaltigt und deshalb schwanger wurde. Immer wieder hören die Beraterinnen aber auch, dass die Frauen in Deutschland von ihrem Mann schlecht behandelt werden.
Dass Gewalt bei Paaren mit Fluchthintergrund offenbar relativ häufig vorkommt, liegt nicht zuletzt an den Lebensumständen der Flüchtlinge, betont Hans-Peter Breuner. Die Menschen wohnen in den Unterkünften auf engstem Raum zusammen. Die Unterkünfte würden so leicht zum „Pulverfass“.
Pro familia hilft nicht nur Frauen, die ein Kind erwarten, sowie jungen Menschen mit sexueller Gewalterfahrung. Ein großer Teil der Arbeit besteht aus Prävention und sexueller Bildung. Auch hier stiegen die Zahlen unterfrankenweit an. Fast 5700 Menschen hatten im vergangenen Jahr Kontakt zu den Sexualpädagogen. Im Jahr 2015 waren es rund 4790 gewesen.
Auch in diesem Arbeitsfeld haben es die unterfränkischen pro familia-Teams mit Flüchtlingen zu tun. Teilweise gehen sie direkt in die Gemeinschaftsunterkünfte, um Workshops anzubieten. Dabei erfahren sie, dass junge Frauen aus Syrien oder Afghanistan mitunter befremdliche Vorstellungen haben, so Sexualpädagogin Beate Schlett-Mewis. Neulich wurde sie zum Beispiel gefragt, ob es stimmt, dass man, wenn man seine Tage hat, keine Bananen und Schokolade essen und keine Cola trinken dürfe: „Dass hatten die jungen Frauen bisher streng beachtet.“
Schwierig wird die sexuelle Bildungsarbeit dadurch, dass die Flüchtlinge kaum Geld haben. Verhütungsmittel sind für sie oft unerschwinglich. In Würzburg sammelt pro familia Spenden für einen Präventionsfonds, aus dem zum Beispiel Spiralen oder auch die Sterilisation eines kinderreichen Mannes finanziert werden können.
Auf Bundesebene setzt sich pro familia für kostenlose Verhütungsmittel ein. Nach Ansicht des Verbands für Sexualität und Partnerschaft sollte das Recht, ungewollte Schwangerschaften mit einem Mittel der eigenen Wahl zu verhüten, jedem Menschen zustehen. Unabhängig davon, wie viel Geld dieser Mensch hat.
Die Zeit drängt. Wer kann weiter helfen?
Gruss