Deutschland steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die Union ist bei der Bundestagswahl nach 16 Jahren Regierung von Kanzlerin Angela Merkel auf ein Rekordtief gestürzt, landete laut Hochrechnungen aber nur knapp hinter der erstarkten SPD. Sowohl SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz als auch Unionskanzlerkandidat Armin Laschet reklamieren Regierungsauftrag und Kanzleramt nun für sich. Beide wollen am liebsten mit Grünen und FDP regieren. FDP-Chef Christian Lindner schlug am Abend Vorabgespräche mit den Grünen vor.
Normalerweise lädt die stärkste Partei zu Gesprächen ein. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es aber auch Fälle, dass die zweistärkste Partei den Kanzler stellte. Willy Brandt wurde 1969 Kanzler einer sozialliberalen Koalition, obwohl die SPD nur auf Platz zwei gelandet war. Genauso war es bei Helmut Schmidt 1976 und 1980.
"Keine Chance für Laschet"
Die Grünen eroberten mit einem Rekordergebnis den dritten Platz, blieben aber hinter den Erwartungen zurück. Auch die FDP konnte zulegen, sie landete Hochrechnungen zufolge vor AfD und Linken auf dem vierten Platz. FDP-Chef Lindner bekräftigte seine Präferenz für eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen. Grünen-Chef Robert Habeck hielt seiner Partei alle Optionen offen.
Der Würzburger Politikwissenschaftler Prof. Joachim Lauth sieht hingegen keine Chance für eine Koalition unter Führung der Union, wenn die SPD vorne liege. Und sei der Abstand noch so knapp. Über acht Prozentpunkte minus bei der Union seien ein massiver Verlust. Und eine Koalition müsste auf den Parteitagen aller Partner abgesegnet werden. Da ließe sich mit einem Wahlsieger leichter reüssieren, als mit dem größten Verlierer. Grüne und SPD wollten zusammen regieren, das habe Annalena Baerbock am Wahlabend wieder deutlich gemacht. Die FDP würde zwar lieber mit der Union regieren, könnte als kleinster Partner ihre Option aber kaum gegen die Grünen durchsetzen.
Unterfränkische Abgeordnete zur Koalitionsfrage
Und so bleibt auch der unterfränkische FDP-Chef Karsten Klein (Aschaffenburg) bezüglich möglicher Koalitionen sehr zurückhaltend: "Wir werden die Gesprächsangebote zu Koalitionsverhandlungen annehmen," sagte er gegenüber dieser Redaktion. Die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär (Ebelsbach) leitet aus dem Erfolg, ein Linksbündnis verhindert zu haben, den Anspruch ab, dass Armin Laschet mit Markus Söder Gespräche über eine bürgerliche Regierung führen solle. Und die unterfränkische Spitzenkandidatin der Grünen, Manuela Rottmann, sagt, die Grünen sollten am Ende den Kandidaten zum Kanzler wählen, mit dem sich die meisten grünen Inhalte umsetzen ließen.
Alle fünf Direktmandate in Unterfranken gehen wieder an die CSU: Dorothee Bär (Bad Kissingen), Alexander Hoffmann (Main-Spessart), Paul Lehrieder (Würzburg), Andrea Lindholz (Aschaffenburg) und Anja Weisgerber (Schweinfurt).
Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern
Am Sonntag wurden auch das Berliner Abgeordnetenhaus und der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. In Berlin lieferten sich SPD und Grüne ein Kopf-an-Kopf-Rennen, so dass lange nicht klar war, ob Franziska Giffey (SPD) oder Bettina Jarrasch (Grüne) Regierende Bürgermeisterin wird.
Klar setzte sich hingegen die SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern durch. Mit fast 40 Prozent kann sie mit ihrem bisherigen Koalitionspartner von der CDU weiterregieren, die hinter der AfD auf dem dritten Platz landete.
Mit Zuarbeit von dpa, clk, ben, micz