Ein Forscherteam der Würzburger Uniklinik hat eine wegweisende Entdeckung für das Verständnis und den Umgang mit Schlaganfällen gemacht. Noch muss weiter geforscht werden. Aber die Hoffnung ist groß, dass damit neuartige Medikamente für die Therapie von Schlaganfällen entwickelt werden können. Sie sind laut Robert-Koch-Institut nach Herz- und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.
Wie die Uniklinik mitteilt, ist das interdisziplinäre Team auf ein neues Molekül mit dem Namen "CD84" gestoßen – und zwar direkt nach dem Verschluss eines Blutgefäßes im Gehirn. Dieser ist Auslöser für den so genannten ischämischen Schlaganfall, auch als Hirninfarkt oder "weißer" Schlaganfall bezeichnet.
Molekül erhöht die Aktivität der Entzündungszellen
Mediziner können zwar das verstopfte Blutgefäß mit einem winzigen Katheter öffnen und so den Blutfluss wiederherstellen. Trotzdem setze sich bei vielen Patienten die Zerstörung von Hirngewebe fort, so Prof. Guido Stoll. Er leitet die Arbeitsgemeinschaft Schlaganfall und Neuroinflammation der Neurologischen Klinik des Uniklinikums.
Doch warum wird trotz Gefäßöffnung weiter Hirngewebe abgebaut? Dieser Frage ging das Forscherteam in seiner Studie nach. Schon zuvor wusste man, dass das Zusammenspiel von Thrombozyten – also Blutplättchen – und Entzündungszellen für einen fortschreitenden Infarkt verantwortlich ist. Nun aber habe man mit CD84 das erste Molekül entdeckt, das direkt nach einem akuten Schlaganfall von den Blutplättchen freigesetzt wird und die Aktivität von T-Lymphozyten als Entzündungszellen steigert, berichtet Dr. Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors der Neurologischen Klinik und Erstautor der Studie.
Deren Besonderheit: Das Molekül wurde nicht nur durch Experimente im Labor entdeckt, sondern auch unmittelbar im Schlaganfall beim Menschen nachgewiesen. Dies gelang durch kleinste Katheter, die auch zur Gefäßwiederöffnung genutzt werden. Mit ihnen konnten die Würzburger Wissenschaftler unschädlich wenige Tropfen Blut genau aus dem minder durchbluteten Gehirnareal abnehmen. Weiteres Ergebnis der Studie: Große Mengen von CD84 auf den Blutplättchen sind schlecht für den neurologischen Zustand von Schlaganfallpatienten.
Auch deshalb wäre Ziel einer neuen Therapieform, das bislang unbekannte Molekül zu blockieren. Derzeit arbeiten die Forscher an Antikörpern, die sich gegen CD84 richten – der erste wichtige Schritt in der konkreten Medikamentenentwicklung. Besonders in der Schlaganfallforschung kommt der Sicherheit neuer Medikamente eine entscheidende Bedeutung zu.
Für Dr. David Stegner vom Institut für Experimentelle Biomedizin spricht vieles dafür, dass CD84 nicht nur beim Schlaganfall, sondern auch bei vielen anderen Gefäßerkrankungen eine wichtige Rolle spielt. „Das erforschen wir zurzeit im Verbund mit verschiedenen Disziplinen der medizinischen Forschung“, so Stegner.
Ihre in der Studie gewonnenen Erkenntnisse veröffentlichten die Forscher kürzlich in "Circulation Research", einem der weltweit führenden wissenschaftlichen Fachmagazine für Herz-Kreislauf- und Schlaganfallerkrankungen. An dem Forscherteam waren Experten von Uni und Uniklinik aus Neurologie, Neuroradiologie, Klinischer Epidemiologie und Biometrie sowie der Biomedizin beteiligt.
...von T33