So viele Menschen wie an diesem Donnerstagmorgen sind sonst das ganze Jahr nicht in dem Städtchen südlich von Röttingen. Zum 169. Mal hat Niederstetten zum Rossmarkt eingeladen. 137 Pferde, zwei Esel und Hunderte von Besuchern, viele von ihnen aus dem Ochsenfurter Gau und dem Taubertal, sind gekommen.
Früher war der Roßmarkt einer der größten in der Region, erzählt die Dame an der Meldestelle. Vor allem Bauern waren es, die dort ihre Arbeitstiere kauften. Beliebt war er wegen des frühen Termins. Wenn der Bauer mit dem neuen Ross nicht zurück gekommen ist, konnte er es auf einem der späteren Märkte, etwa in Creglingen, wieder verkaufen. Rechtzeitig bevor die Feldarbeit losging.
Heute sind es fast ausschließlich Züchter und Hobby-Pferdehalter, die zum Markt kommen. Nicht mehr der Handel steht im Vordergrund, sondern das Schaulaufen. Auf dem Frickentalplatz führen die Halter ihre Pferde über das aus Rindenmulch aufgeschüttete Oval. Eine Jury bewertet die Pferde und vergibt Preise. Den schönsten einer jeden Kategorie steht sogar ein Ehrenpreis zu, so wie dem dunkelbraunen Noriker-Trakehner Samurai aus Baldersheim. Helmut und Irene Konrad, seine Besitzer, sind Stammgast auf dem Roßmarkt.
Der Wallach von Stephanie Dietzel aus Ermershausen geht leer aus. Dem Vollblut-Araber sieht man seine 21 Lebensjahre an. Trotzdem ist der alte Herr noch rüstig. In der Frühe ist Stephanie Dietzel die fünf Kilometer vom Stall zum Markt auf ihm geritten.
Ein Pferdehalter aus Ahorn hätte seine sechsjährige Stute gern an den Mann gebracht. Darauf weist eine rote Plakette hin, die das Pferd am Zaumzeug trägt. Ein Arbeitstier, an dessen Flanken sich die Muskeln deutlich abzeichnen. Auch die Kutsche ist die Stute gewöhnt. Trotzdem interessiert sich niemand dafür. Es wäre besser, für die Verkaufspferde einen eigenen Bereich abzugrenzen, sagt der Besitzer. Dann würde vielleicht doch das eine oder andere Tier verkauft. Aber an Arbeitspferden habe heute kaum noch jemand Interesse.
Während die Pferde-Experten noch fachsimpeln, herrscht im Städtchen schon reges Markttreiben. Die verschiedensten Haushaltshilfen, Putz- und Pflegemittel, Kittelschürzen, Bürsten, Messer, Gewürze, Käse und vieles mehr bietet der Krämermarkt. Nicht alle Händler sind mit der Kauflust zufrieden.„Die Leute haben kein Geld mehr“, ärgert sich ein Anbieter von Schuhcreme – oder sie wollen es nicht hergeben. Zufrieden ist hingegen Robert Krauß aus Dinkelsbühl. Zum Roßmarkt passend, bietet er Salami und heiße Knackwürste vom Pferd an. „Viel gesünder als Schwein oder Rind“, wirbt er.
Richtig voll wird es in der Innenstadt als sich nach der Mittagspausen der Festzug in Bewegung setzt. Ross und Reiter haben sich fein gemacht für das Bad in der Menge. Mittelalterliche Kostüme, Pippi Langstrumpf, Cowboys und Indianer traben durchs Spalier der Zuschauer. Dazwischen ein gutes Dutzend Kutschen. Kurz vorher waren sie ebenfalls von einer kritischen Jury bewertet worden. Der erste Preis geht an den Vierspänner von Hans Manger aus Aub. Seine Haflinger tragen ein Geschirr aus festem Leder mit Messingschnallen.
Gut 40 Mal war Hans Manger schon auf dem Roßmarkt, erzählt er. Es ist schön, alte Bekannte zu treffen. Schließlich werden es immer weniger, die sich für Pferde und das Kutschfahren interessieren. Nebenan stellt ein Landmaschinenhändler Traktoren aus, die Zugtiere der Gegenwart. Als der Zug vorüber ist, strömen die Besucher in den Krämermarkt. Auch der Schuhcreme-Verkäufer kommt jetzt auf seine Kosten.