
Lieber Florian Silbereisen,
wäre ich sehr, sehr böse, würde ich fragen: Wo ist bloß der Eisberg, wenn er mal gebraucht wird? Da sinkt die wunderbare Titanic, doch das weiße Alptraumschiff der Mainzelmännchen schippert weiter sinnfrei durch die sieben Weltmeere der Seichtheiten.
Aber ich bin ja nicht böse. Sondern nur ein bisschen sehr verärgert darüber, wie schamlos das ZDF einen Fernsehklassiker wie "Das Traumschiff" so dermaßen verhunzen kann. Und keine Angst: Ich schwinge jetzt nicht die Gebührenkeule. Ich halte öffentlich-rechtliches Fernsehen für wichtig und bin bereit, auch dafür zu zahlen. Im großen Käscher sind dann halt auch solche Sendungen drin.
Mich wurmt da schon eher die Lebenszeit, die mir von Ihnen und ihrer Chaos-Crew geraubt wurde. Irgendwie gehörten die Heile-Welt-Geschichten von Bord irgendeiner MS Schießmichtot seit Jahrzehnten zu Weihnachten wie die gestrickten Socken von der Oma. Tradition halt. Früher waren die Geschichten tatsächlich mal originell und die Figuren wurden von Schauspielern dargestellt wie Heinz Hoenig oder Siegfried Rauch. Die Oma ist leider längst gestorben. Aber das Schiff des ZDF segelt weiter über den Atlantik der Albernheiten.
Wir waren zuletzt ja viel gewohnt von den Drehbuchschreibern (Frage, Herr Silbereisen: Was machen die eigentlich beruflich?) – doch immer sahen wir leicht amüsiert hinweg über hüftsteife Aktionen, Dialoge aus der Vorhölle der Schauspielkunst und Schiffsladungen voller Klischees, weil uns die Bilder all der Sehnsuchtsziele und das zuverlässig von funkenspritzenden Wunderkerzen begleitete Happy-End die Dämmerung eines Jahres ein wenig erträglicher machten. Das Traumschiff ist wie ein Autounfall: unmöglich, ganz wegzuschauen.
Folge 91 mit dem Reiseziel Absurdistan, äh Schweden ließ aber nun das Dampferbrimborium grandios implodieren. Die Handlung war so hohl wie der Kahn selbst: Ein Ökoaktivist reist ohne Gewissensbisse auf dem Riesentanker zum nächsten Einsatz und ein peinlicher Bülent Ceylan schüttelt als Hauptbeschäftigung sein Rapunzelhaar durch Kombüsen und Kajüten. Mit Verlaub, die Sendung war so schlecht, dass sie selbst Rudi Völler als noch tieferen Tiefpunkt eines Tiefpunkts akzeptieren würde. Und Waldemar Hartmann könnte sich diese smartiesbunte Zuschauerbeleidigung nicht mal mit einem Hektoliter Weißbier schön trinken.
Nach 40 Jahren auf hoher See ist aus dem Traumschiff ein abgetakelter Seelenverkäufer geworden.
Beispiel: Harald Schmidt. Als ihr Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle dilettiert der Show-Rentner auf und unter Deck derart hölzern herum, dagegen ist Pinocchio ein Fred Astaire. Beim Betrachter im Wohnzimmer ruft das Schauspiel des Schwaben nur ein Gefühl hervor: Mitleid.
Jeder Schüler aus der 3b der Theater-AG einer deutschen Grundschule würde Schmidts Schifferle vergleichsweise oscarreif an die Wand spielen. Kurzzeitig hatte der Zuschauer tatsächlich die leise Hoffnung auf Besserung, denn plötzlich sagte Oskar Schifferle mit einer natürlich unpassenden Theatralik: "Ich gebe ihnen 24 Stunden Bedenkzeit, danach springe ich von Bord." Leider verstrich die Frist ohne Konsequenz und das Meer blieb sauber.
Richtig, Herr Silbereisen. Ich schweife ab. Kommen wir zu Ihnen: Ich bewundere ja irgendwie ihre Vielseitigkeit, ihren Trotz, ihre Energie, mit der Sie versuchen, die Volksmusik zu entstauben. Aber das mit Ihnen und dem Kapitän zur See, das sehen Sie doch sicher selbst ein, das passt so gut wie Senf in den Krapfen.
Mögen Sie auch noch so bedeutungsschwanger ans Bordmikro treten und mit viel zu großer Mütze und sorgenvollem Blick hinaus schauen aufs Meer: Sie bleiben doch nur die Karikatur eines Kapitäns und wirken in diesen Momenten, als würden Sie gleich die Zillertaler Haderlumpen in einer ihrer Schunkelorgien ankündigen. Aber auf dem Schiff klingt das dann so: "Meine Damen und Herren, in Kürze erreichen wir Stockholm. Lassen Sie sich kein Rentier aufschwatzen."
Aus der schönen Kreuzfahrt, es hilft ja nichts, das zu beschönigen, ist ein Kreuzweg mit vielen Leiden geworden.
Lieber Florian Silbereisen, da können Sie sich noch so viele Landkarten auf ihren linken Arm tätowieren lassen, den Kurs ins Herz der Traumschiff-Fans werden Sie so nie finden.
So. Das musste mal raus. Trotzdem befürchte ich, dass ich an Neujahr wieder einschalten werde. Es geht nach Namibia. Ich habe gelesen, dass irgendeine Influencerin aus einem Mode-Blog eine der Hauptrollen spielen wird. Das Gute daran: Danach kann dieses 2022 nur noch besser werden.
Ahoi!
Achim Muth, Redakteur
Jeden Tag die selben beiden Bilder ( Spritze in den Oberarm ...;Verkleidet bis zur Unendlichkeit Ärzte und Helfer im Krankenhaus )
Ein selbst Läufer.
Welche Aufgaben bleiben hier da noch für einen hochbezahlten Redaktör ?
Samstags -Ausgabe : Traumschiff und Silber- Eisen ,...Hochloben und den Star zerreißen
.Schwachsinnige Kommentare sind des Schreibers Lohn. Er freut sich...welch ein Hohn.
Aber die wird es allein schon bedingt durch die Sterblichkeit des Menschen nicht mehr geben. Also bleiben dem Sender nur die Optionen „Einstellung“ oder „Modernisierung“ der Serie.
Das ZDF hat sich für die zweite Variante entschieden und fährt damit immer noch äußerst passable Quoten ein - auch deswegen, da tatsächlich wieder junge Leute einschalten. Gerade weil „irgendeine Influencerin aus einem Modeblog eine der Hauptrollen spielt“. Vielleicht macht diese das gar nicht so schlecht - geben Sie Ihr doch erst mal eine Chance, Herr Muth. Bitte keine Vorverurteilung, nur weil Sie diese Dame nicht kennen und lieber Franz Beckenbauer an Bord sähen
Ich bin ein Fan Ihrer Artikel, aber auch Sie müssen erkennen, dass unsere Generation nicht immer das Maß aller Dinge ist
Ich bin 73 und habe diesen Käse noch nie geschaut.
An den Feiertagen 25. Wiederholung alter Filme.
Und jetzt noch Dalli-Dalli, war schon immer eine Zumutung.
Langt gerade für einrn Kindergeburtstag u 8
Ich schau auch lieber Bud Spencer
Welch prophetische Worte...
Das Traumschiff gehört zu den Sendungen, die bei mir als Zuschauer unwillkürlich Zukunftsangst hervorrufen.
Angst davor, selbst irgendwann geistig so zu degenerieren, dass man die Einfalt, die Belanglosigkeit und die Seichtheit der Handlung und der Dialoge irgendwann entweder nicht mehr wahrnehmen kann – oder (Gott bewahre) als „entspannend“ empfindet. Im schlimmsten Fall (bisher zum Glück unvorstellbar) sogar „unterhaltsam“.
Aber im Gegensatz zu Herrn Muth scheinen bei mir die voyeuristisch-masochistischen Neigungen noch nicht ganz so ausgeprägt zu sein. Noch bin ich in der Lage, den Sender zu wechseln – oder die Kiste komplett abzuschalten.
Sich über das im Fernsehen gesehene aufzuregen – dazu fehlt mir irgendwie das Verständnis. Manchmal scheint es mir, der gemeine Deutsche sieht sich manche Sendung nur deswegen an, um sich hinterher darüber echauffieren zu können … ist vermutlich Teil unserer Leitkultur … 😉
Da lobe ich mir die alten Folgen in der Mediathek!
Selbst mit viel Wohlwollen war es diesmal nicht zu ertragen. Das war mein letztes Traumschiff.