Schuld war eine Dame fortgeschrittenen Alters und dominanter Wesensart. „Haben Sie vielleicht ein Ticket, auf dem Sie mich mitnehmen könnten?“, fragte die Dame, nachdem der Zug in Treuchtlingen losgefahren war. Der Kommandoton riss mich aus der Lektüre meines Krimis. „Nein, tut mir leid“, sagte ich. Ein misstrauischer Blick traf meine Reisebegleitung und mich. Wahrscheinlich hätte die Mitfahrwillige meine Fahrkarte am liebsten kontrolliert und festgestellt, ob ich lüge. Aber die Dame marschierte den Gang entlang, um weitere Passagiere zu befragen.
Das sich nun entwickelnde Schauspiel war viel spannender als mein Krimi. Der Dame war nämlich kein Erfolg beschieden, und immer entrüsteter rauschte der Faltenrock durch den Waggon, als die Dame nach jedem Halt die neu zugestiegenen Fahrgäste verhörte. In Ansbach trieb die Hobby-Inquisitorin schließlich einen schüchternen Jüngling in die Enge. „Kann ich auf Ihrem Ticket mitfahren?“ bellte die Dame. „Äh, nein“, murmelte das Knäblein. „Ich habe ein Studenten-Ticket.“
„Das gibt's doch nicht!“ machte sie sich Luft. „Warum ist denn hier keiner, der mich mitnehmen kann?“ Weil hier beim Fahrkartenkauf niemand mit einer unverschämten Schwarzfahrerin gerechnet hat, wollte ich sagen. Sagte es aber nicht. Aus Angst. Ein blaues Auge wollte ich mir gern ersparen.