„Wenn die Studenten gesungen haben, war die Stimmung besonders schön.“ Die langjährige Wirtin des Schützenhofs Ruth Berndt erinnert sich gerne an die friedlichen Sommerabende über den Dächern der Stadt. Am Sonntag, 9. Mai, hat sie ihren 85. Geburtstag gefeiert.
Dass sie diese Stimmung genießen konnte, kam allerdings eher selten vor: Im Normalfall hat die Wirtin an der Theke ausgeschenkt, in der Küche geholfen, Essen nachgetragen ...
Gemeinsam mit ihren Mann hat die gebürtige Mellrichstädterin 1950 den als „Landwirtschaft mit kleiner Gaststätte“ annoncierten Schützenhof gepachtet. Anfangs stand der Bauernhof im Vordergrund: 100 Schweine und etliche Rinder wurden auf dem Schützenhof gehalten.
1962 kauften die Berndts den Hof und bauten die Gastwirtschaft aus. „Beim Mittagessen ging es dann oft darum, ob ein neuer Mähdrescher oder eine Fritteuse die wichtigere Investition ist,“ erinnert sich Tochter Gudrun. Sie und ihre zwei Brüder haben ihre Mutter selten still sitzen gesehen. „Meine Mutter hat den Laden geschmissen.“
Und der Laden lief: In den 60er Jahren wurde der Schützenhof zum bekannten Ausflugslokal. Am Wochenende kamen Familien – den ersten, der mittlerweile zum „Wappentier“ gewordenen, Esel kam 1964 auf den Hof. Unter der Wochen pilgerten die Studenten die Mainleite hinauf. Viele um Radler, Bier oder Beerenweine zu trinken, einige, um zu arbeiten.
„100 Mark habe ich manchmal am Abend verdient, da waren die Füße aber auch wund,“ erzählt Karl-Heinz Drees, der von 1966 bis 69 sein Jurastudium durch Kellnern auf dem Schützenhof finanziert hat. Heute sagt der pensionierte Richter: „Dabei habe ich Menschenkenntnis erworben, die mir später viel geholfen hat.“ Seine Erinnerung an die Wirtin: „Wenn sie eine Gesprächsrunde interessiert hat, setzte sie sich auch mal dazu und diskutierte mit über Rudi Dutschke und die 68-Bewegung.“
„Die Ruth hat uns Kellner mit hartem Regiment geführt“, erinnert sich Peter Krones an seine damalige Chefin. „Sie war resolut, aber immer freundlich.“ Mit dem ersten Verdienst hatte sich der damals 18-Jährige ein Tonbandgerät gekauft. Der Leitende Redakteur dieser Zeitung hat die Zeit, als er schwere Tabletts mit Bier und Pommes durch den Garten schleppte, in guter Erinnerung: „Es war eine gerechte Arbeit. War man fix und ist viel gerannt, hat am Abend auch der Lohn gestimmt.“
Ruth Berndt hat 1983 aus gesundheitlichen Gründen die Leitung des Schützenhofs ihrer Tochter übergeben. Vor fünf Jahren ist ihr Mann gestorben. Ruth Berndt hat sieben Enkel und drei Urenkel. In den letzten Jahren hat sie einiges davon nachgeholt, wozu sie in den 33 Jahren als Wirtin nicht gekommen ist und genießt das Leben über den Dächern Würzburgs.
RJS