Wenn Peter Müller-Reichart am späten Abend des kommenden Sonntags ein letztes Mal über den Residenzplatz streift und prüft, ob alles ausgeräumt und gesäubert ist – dann wird er vermutlich wieder mehr als die zehn Kilometer des Hauptlaufes zurückgelegt haben. Müller-Reichart – ausgerüstet mit Megaphon, drei Handys und Fahrrad – ist der Motor des Residenzlaufes. Seit 25 Jahren. Und doch ist es nicht seine persönliche Erfolgsgeschichte, sondern die eines engagierten Teams.
Kurz vor dem Start um 14 Uhr: Jedes Jahr scharren weit über 1000 Läufer am unteren Rennweg mit den Hufen. „Das zu sehen, ist ein tolles Gefühl“, sagt Müller-Reichart. „Dann spüren wir, was wir geschaffen haben. Diese Motivation trägt uns als Team.“ Das Team – das sind an die zehn Schlüsselleute, die seit Jahren zusammenarbeiten. Sie sind eingespielt, vieles geht über blindes Verständnis. Pure Routine also? Von wegen: „Jeder neue Residenzlauf ist anders als die bisherigen“, erklärt Müller-Reichart. Denn jedes Jahr gibt es Veränderungen – und manchmal auch unvorhergesehene Überraschungen.
Eine der schönsten, an die sich der sportliche Leiter Alfred Langenbrunner erinnert, datiert aus dem Jahr 1992. Damals sollte er den späteren Sieger Jason Mosigishi am Hauptbahnhof abholen. Nur stieg außer dem Kenianer noch eine junge Landsfrau aus dem Zug – schüchtern, unbekannt, unangekündigt. Langenbrunner gabelte sie auf und brachte sie kurzfristig ins Hotel. Tags darauf gewann Tegla Loroupe den Residenzlauf – und wurde später berühmt als Marathon-Weltrekordlerin.
Weniger gute Erinnerungen haben die Residenzlauf-Macher ans Jahr 1991: Für die dritte Auflage wollte die Schlösserverwaltung den Residenzplatz nicht mehr zur Verfügung stellen – nicht als „Rummelplatz mit Würstelbuden“, wie gemeckert worden war. Es wäre wohl der frühe K.O. für den Residenzlauf gewesen. Doch ein Würzburger Quartett aus Müller-Reichart, Langenbrunner, OB Jürgen Weber und Sportreferent Reiner Hartenstein pilgerte nach München zum Finanzminister – und der gab den Unterfranken persönlich grünes Licht. Seitdem ist der Residenzplatz das feste Herz der Veranstaltung. „Wir verlassen ihn sauberer als er vorher war“, beteuert Müller-Reichart.
1990, im zweiten Jahr des Residenzlaufes, war die reinste Trabi-Invasion am Main zu beobachten: Die Stadt Würzburg hatte die volle Startgebühr von 15 Mark für alle Läufer aus der DDR übernommen. Korrekt ging es auch dabei zu: „Schriftliche Anmeldungen bitte mit einem Stempel der jeweiligen örtlichen DDR-Meldebehörden versehen lassen“, hieß es in der Einladung. Für rund 400 Teilnehmer aus den neuen Ländern brachte die Stadt damals etwa 6000 Mark auf. Viele der Gäste aus dem Osten besuchten 1990 auch die Landesgartenschau in Würzburg.
Zurück ins Premierenjahr 1989. Noch heute erinnert die Startnummer des Läufers auf dem Residenzlauf-Logo an das damalige Ziel: 500 Läufer wollte man auf die Strecke bringen. Es wurden fast doppelt so viele. Im Rekordjahr 2010 waren es rund 7000 (allein über 4000 Schüler und Kindergartenkinder). Der Anstoß für eine neue Würzburger Laufveranstaltung – zuvor gab es die Staffel „Rund um Würzburg“ – kam 1989 von der TG Würzburg und einigen lokalen Sponsoren. Jahr für Jahr arbeitete man in der Folgezeit professioneller. 1994 wurde die Strecke amtlich vermessen. Dies geschieht seitdem pflichtgemäß alle fünf Jahre. Als Rennleiter hat Hermann Biedermann – früher selbst hervorragender Langstreckler – den 2,5-Kilometer-Rundkurs ums Weltkulturerbe wachsam im Blick. Glücklich ist er, dass es in 25 Jahren bei Tausenden Läufern zu keinen schweren Verletzungen oder gar zu Todesfällen gekommen ist. Nur einmal, da schlackerten den Organisatoren kurz die Knie: Ein älterer Passant war trotz Absperrung auf die Laufstrecke spaziert, fiel vor Schreck ob der heranrauschenden Inliner auf den Kopf – und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Verschont blieben die Residenzlauf-Macher auch vor extremen Wetterkapriolen. Stattdessen hat sich die meisten Jahre das „typische Residenzlaufwetter“ eingestellt.
„Am Anfang ist es noch bewölkt und kühl – pünktlich zum Hauptlauf wird's sonnig und warm“, so Langenbrunners langjährige Beobachtung. Schönes Wetter freut auch die rund 10 000 Besucher an der Strecke, vor allem auf dem Residenzplatz.
Den kompletten Samstag wird aufgebaut: Bühne, Gastronomie, Tische für die Schülerläufe, Elektrik, Wasserversorgung – allein zwölf Lkw mit Anhängern und ein Gabelstapler rücken an. Am Sonntagmorgen folgen Zelte, Sperrgitter, EDV und Lautsprecher. Und schließlich müssen noch Autos aus der Strecke geschleppt werden, in manchen Jahren an die 30. Denn die Vorfahrt rund um die Residenz ist an diesem Tag klar geregelt: Sie gehört den Läufern.