Ein politischer Aschermittwoch im Wahljahr – da hauen Politiker auch gerne mal heftig auf die jeweiligen Gegner ein und machen sie unter dem Jubel ihrer Anhänger gnadenlos schlecht, während sie ihre eigenen Erfolge feiern, zu denen die Gegenseite niemals in der Lage sein wird. Also all das normale Wahlkampfgetöse, um die Wählerinnen und Wähler auf die eigene Partei aufmerksam zu machen.
Von dieser Art Wahlkampfgedöns war der SPD-Ortsverein Gerbrunn bei seinem politischen Aschermittwoch weit entfernt. Es war ein ruhiger und entspannter Abend in der Kulturbühne Alte Feuerwehr, mit einem Abriss über die Arbeit des Gemeinderates und Texten von Charlotte Kurth und Erich Kästner. Und wie überall zollte auch die SPD Gerbrunn der Corona-Pandemie ihren Tribut: zwei Jahre nacheinander abgesagt, nun mit einem überschaubaren Publikum. Inklusive dem Reporter waren 17 Personen anwesend.
Thematisch widmete sich Bürgermeister Stefan Wolfshörndl, einem der beiden stellvertretenden Ortsvorsitzenden, der Arbeit des Gemeinderates im Allgemeinen und im Speziellen. Der Haushalt 2023 sei stabil, mit leicht steigenden Steuereinnahmen und einem "Kampf mit dem Landratsamt", das die Kreisumlage anheben wolle. Bis zum Jahr 2026 steigt der Haushalt wegen vieler Investitionen (Platz der Partnerschaft, Spielscheune, Sanierung der Mehrzweckhalle und des Hallenbades), und auch die Schulden würden einen Sprung nach oben machen von aktuell vier auf dann sieben Millionen Euro. Gleichwohl sah der Bürgermeister keine wirklich großen Probleme, zumal sich der Gemeinderat dem Empfinden eines unabhängigen Beobachters nach als konstruktiv zeigt.
Den zweiten Teil des Abends übernahmen Ursula Rosenbaum und Wolfgang Pavel, die dem Motto des politischen Aschermittwochs "Nichts Neues? Alles schon mal dagewesen?" literarisches Leben einhauchten. Sie verlasen abwechselnd Texte von Erich Kästner und von Charlotte Kurth, der Wahl-Gerbrunnerin, die im November 2015 im gesegneten Alter von 98 Jahren verstorben ist. Kurth hatte ihre Texte im Eigenverlag herausgegeben und mit "Splitter" betitelt. Dass alles schon mal dagewesen ist, bewies allein der Text "Zeitgeist". Sinngemäß geht es darin um "deutsche Glatzen, die randalieren" und damit das Europahaus ins Wanken bringen würden. Die Bürger würden schweigen, selbst wenn die Uhr bereits auf fünf Minuten vor zwölf stehen würde. "Wenn die Glatzen wieder marschieren, steigt das Grauen hoch", heißt es weiter sinngemäß in dem Text.
Ein Käutlein, das sich nur alle hundert Jahre zeigt
Pavel rezitierte unter anderem das Gedicht "Phantasie von übermorgen" von Erich Kästner. Dieses Anti-Kriegs-Gedicht beginnt mit "Und als der nächste Krieg begann, da sagten die Frauen: Nein! und schlossen Bruder, Sohn und Mann fest in der Wohnung ein." Letztlich legten die Frauen jeden, der den Krieg befahl, ordentlich übers Knie, bis der Stock zerbrach und nach dem Geschrei der Herren Ruhe herrschte. Und im Splitter "Vergebens" von Charlotte Kurth geht es um ein zartes kleines Kräutlein, das sich nur alle hundert Jahre zeigt und dessen Blühen die Welt nicht erwarten kann. Der Name des Kräutleins lautet: Frieden. Auf den wartet die Welt leider immer noch vergebens.
Nach gut zwei Stunden, mit einer Pause für Gespräche über die gelesenen Texte, gingen die Besucher zum gemütlichen Teil über, mit Gesprächen über die lokale und die Weltpolitik. Und wohl auch über das Hallenbad, das ab dem kommenden Montag bis zum 19. März während der jährlichen Wartungs- und Reparaturarbeiten geschlossen sein wird.