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Hubland
Rückkehr an einen Ort voller Erinnerungen
Nach 55 Jahren steht Breck Milroy in Würzburg vor ihrer ehemaligen High School - und erlebt auf dem LGS-Gelände eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Claudia Knoll, Geschäftsführerin der Landesgartenschau Würzburg, begrüßt Breck Milroy (rechts) in der Geschichtsausstellung der Landesgartenschau am Hubland. Im Hintergrund ist die Infotafel mit Bildern von Milroy angebracht. Foto: Daniel Peter
| Claudia Knoll, Geschäftsführerin der Landesgartenschau Würzburg, begrüßt Breck Milroy (rechts) in der Geschichtsausstellung der Landesgartenschau am Hubland.
Zoe Bauer
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:38 Uhr

Freude, Überraschung, Wut, Traurigkeit - Breck Milroy erlebt eine wahre Gefühlsachterbahn, als sie nach 55 Jahren wieder am Hubland steht. Mit diesem Ort verbinde sie viele Erinnerungen, denn hier ging sie eineinhalb Jahre zur Schule, erklärt sie. Seitdem hat sich auf dem Gelände viel verändert: statt in der amerikanischen Kaserne steht sie nun auf der Würzburger Landesgartenschau.

Milroy ist Amerikanerin. Anfang der 1960er-Jahre lebte sie mit ihrer Familie in Schweinfurt. Dort war ihr Vater, ein Soldat, drei Jahre stationiert. Die einzige High School in ganz Unterfranken befand sich jedoch in Würzburg. Und so fuhr die damals 15-Jährige an fünf Tagen die Woche mit dem Schulbus in diese amerikanische Kaserne.

Mit Lockenwicklern im Haar in den Schulbus

"Um 6.30 Uhr mussten wir in Schweinfurt an der Haltestelle stehen. Es fuhren immer zwei Busse: einer für die Jungen und einer für die Mädchen. Wir Mädchen nutzten die einstündige Fahrt, um uns die Haare zu machen. Viele kamen mit Lockenwicklern im Haar zur Haltestelle", sagt sie und lacht.

"Lange ist das her, aber ich kann mich an alles erinnern", so die heutige Rentnerin bei ihrem Besuch. Natürlich wollte sie nach ihrer Ankunft in Würzburg ihr ehemaliges Schulgebäude sehen. Nach dem Abzug der letzten US-Truppen im Jahr 2008 wird es nun von der Universität Würzburg genutzt.

Die alte High School steht noch

"Es war total verrückt, als ich wieder vor meiner alten High School stand. Viel Zeit ist vergangen, aber ich fühlte mich in diesem Moment wie früher. Einfach unbeschreiblich", sagt sie sichtlich gerührt.

Ihre Entdeckungsreise bei ihrem Besuch geht noch weiter. Dafür hat Roland Flade gesorgt. Der Hubland-Historiker schuf im Zuge der Landesgartenschau im Untergeschoss der ehemaligen Tankstelle einen Raum voller Erinnerungen: die Ausstellung zeigt die Geschichte des Hubland-Areals. An einer Wand ist die junge Breck Milroy zu sehen. Und auch eine Tonaufnahme von ihr kann man sich dort anhören.

"Die Zeit in Deutschland hatte einen großen Einfluss auf mein restliches Leben."
Breck Milroy

Aufgeregt zeigt sie auf die an den Wänden ausgestellten Bilder: "Das ist mein Bruder Joe, der hat in Würzburg seinen Schulabschluss gemacht. Und das bin ich." Sie holt ihr Smartphone heraus und macht ein Video von dem Raum. "Sonst glaubt mir doch keiner, dass ich tatsächlich hier war."

"Die Zeit in Deutschland hatte einen großen Einfluss auf mein restliches Leben", erzählt sie. Hier entdeckte sie ihre Begeisterung für Politik: "Es war eine sehr aufregende Zeit. Es herrschte Spannung in der Weltpolitik, wir haben die Kuba-Krise und die Angst vor einem Atomkrieg aus nächster Nähe mitbekommen. Die UdSSR war sozusagen direkt vor unserer Haustüre."

Als Austauschstudentin in der DDR

Durch diese Erfahrungen geprägt, studierte sie später an der Georgetown Universität in Washington D.C. Internationale Politik. Als Austauschstudentin durfte sie ein paar Monate in der DDR verbringen. "Das war für eine Amerikanerin total ungewöhnlich und für mich eine ganz besondere Erfahrung." Dann arbeitete sie rund 35 Jahre für die amerikanische Regierung und im Umweltschutz.

An ihre Schulzeit in Würzburg erinnere sie sich aber immer wieder gerne zurück: "Ab und zu schwänzten wir ein paar Schulstunden und gingen in die Stadt. Wir kauften uns Zigaretten und setzten uns in ein Café an den Main." Sie zuckt mit den Schultern: sie seien eben Jugendliche gewesen, die was erleben wollten.

Ganz unbeschwert war die Zeit aber nicht: "Soldaten wurden mit ihren Familien ständig und ohne Vorwarnung versetzt. Oft verließen Freunde von heute auf morgen die Schule." Auch sie lebte in der Angst, Deutschland verlassen zu müssen.

Tränen in den Augen

Im Sommer 1963 passierte es: ihr Vater wurde versetzt und die Familie musste zurück in die USA. "Ich wollte nicht weg. Ich bin sogar abgehauen. Ich wollte unbedingt in Deutschland bleiben und hier die High School beenden. Ich glaubte meinem Vater nicht, dass er alles versucht hatte, um bleiben zu können. Ich war so sauer auf meinen Vater", sagt Milroy mit Tränen in den Augen.

Der Kontakt zu ihren Würzburger Schulkameraden blieb. "Wir organisieren alle zwei Jahre ein Treffen. Es kommen etwa 50 bis 60 ehemalige Mitschüler. Das nächste Mal sehen wir uns 2019." Dort wird sie von ihren jüngsten Erlebnissen in Würzburg berichten und verkünden können, dass ihre Schule noch steht.

 
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