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Rottendorf
Rottendorf setzt auf den Mittelwald
Für Förster German-Michael Hahn ist der Mittelwald ein Herzensanliegen. Für ihn war die Umgestaltung des Triebigs das letzte-Projekt vor seinem Ruhestand.
Foto: Christian Ammon | Für Förster German-Michael Hahn ist der Mittelwald ein Herzensanliegen. Für ihn war die Umgestaltung des Triebigs das letzte-Projekt vor seinem Ruhestand.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 26.05.2024 02:39 Uhr

ROTTENDORF (ca) Die Mittelwald-Wirtschaft bildete für Jahrhunderte die Lebensgrundlage vieler Dörfer auf der Fränkischen Platte. Seit einigen Jahren ist eine Wiederentdeckung dieser nachhaltigen Bewirtschaftungsform zu beobachten. Ganz vorne mit dabei ist Rottendorf. Gemeinsam mit Förster German-Michael Hahn und den örtlichen Holzrechtlern setzt die Gemeinde auf den Mittelwald. Im Triebigholz, südlich der Rothof-Straße, ist nun ein mustergültig hergerichteter Wald entstanden. "Wir planen hier für Generationen", sagt Bürgermeister Roland Schmitt. Nicht die Maximierung des Ertrags, sondern der Wald als kulturgeschichtliche und ökologisch bedeutsame Ressource sollen im Vordergrund stehen.

"Das Walddach war beinahe komplett geschlossen, der Wald stockdunkel", hat Klaus Lannig beobachtet. Lannig ist Holzrechtler und für die Vorarbeiten zuständig, das Verteilen der Stickel und das genaue Abmessen der einzelnen Parzellen. Im Dickicht ist dies kein einfaches Unterfangen. Mit einem Mittelwald hatte der Triebig nicht mehr allzu viel zu tun, bestätigt Förster Hahn. Er weiß auch warum. Dunkle Eichenwälder seien oft gewollt. Sie sollten der Ausbreitung der gefrässigen Raupe des Eichenprozessionsspinners einen Riegel vorschieben. In lichten Wäldern erhitzt die Sonne den Boden und bietet den Schmetterlingen ideale Lebensbedingungen. Hahn ist in dem Wald in Nordhanglage einen anderen Weg gegangen. "Es kann gut sein, dass es umgekehrt ist", sagt er.

Auf auf das ökologische Gleichgewicht setzen

Hahn setzt auf das ökologische Gleichgewicht. Mit der Vielzahl an Arten, die der Mittelwald beherbergt, kämen auch wieder mehr Prädatoren, also Fressfeinde der Raupe, in den Wald. Im Wald belassene Reisighaufen bieten zudem Marder und Igeln, Spinnen und Ameisen, Unterschlupf. Die Totholzbäume sind wiederum für Fledermäuse und Vögel wie dem Kuckuck bedeutsam. Abgestorbene Wurzelstöcke alter Laubbäume sind Lebensraum des stark gefährdeten Hirschkäfers, der größten heimischen Käferart. Dem "Waldputzen" der Holzrechtler kommt demnach eine wichtige Rolle zu: Sie entnehmen in einem Rhythmus von 20 bis 30 Jahren aus bestimmten Waldstücken das Unterholz bis zur Armdicke und setzen die austreibenden Baumstümpfe wieder auf den Stock. Damit sorgen sie für ein sich stetig wandelndes Waldbild und damit für eine Vielfalt an Habitaten, an seltenen Tierarten und Pflanzen.

Die Holzrechtler sind berechtigt bis zu armdickes Holz zu entnehmen.
Foto: Christian Ammon | Die Holzrechtler sind berechtigt bis zu armdickes Holz zu entnehmen.

Lannig freut sich über die neue Anerkennung, die die Mittelwaldwirtschaft heute genießt. Dies war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es auch in Rottendorf Bestrebungen, zur ertragsorientierten Hochwaldwirtschaft überzugehen. Die kleinteilige und zeitraubende Bewirtschaftuung durch die Holzrechtler galt als überlebt. Es gab Vorwürfe, dass man sich billig Brennholz sichere. Heute nehmen in Rottendorf noch immer bis zu 50 Familien ihr von den Vorfahren ererbtes Holzrecht wahr. Die Waldarbeiten am Triebig sind zeitlich versetzt mit den Waldarbeitern erfolgt, die einzelne große Bäume entfernt haben. Entstanden ist ein lichter Wald, in dem es vor Insekten nur so schwirrt und Vögel munter drauflos zwitschern. Die Sonne lässt die im Boden schlummernden Samen sprießen. Rasch hat sich eine dichte Krautschicht gebildet. "In dem Moment, wo es Licht gibt, bekommen wir den Garten Eden", weiß Hahn.

Natürliche Waldverjüngung ist wichtig

Er setzt zudem auf eine natürliche Waldverjüngung, die seit gut 100 Jahren unterblieben war. Viele der alten Eichen sind dafür als Oberholzbäume erhalten geblieben. Die riesigen, oft knorrigen Alteichenbestände, die aus Stockausschlägen entstanden sind, sind typisch für den Rottendorfer Mittelwald. Dazwischen stehen einzelne von Efeu überwucherte Wildkirschen oder sogar Totholzbäume oder neu angepflanztes Wildobst wie Elsbeere, Wildkirsche und -apfel oder die Esskastanie. Wie sehr sich das Bild geändert hat, zeigt der Blick auf den noch unbearbeiteten Teil des Waldes, der sich oberhalb der Eisenbahnlinie nach Nürnberg fortsetzt.

Das Reisig verbleibt im Wald, liefert Nährstoffe und ist Lebensraum.
Foto: Christian Ammon | Das Reisig verbleibt im Wald, liefert Nährstoffe und ist Lebensraum.
Stellenweise wurde Wildobst angepflanzt und mit einem Zaun vor Verbiss gesichert.
Foto: Christian Ammon | Stellenweise wurde Wildobst angepflanzt und mit einem Zaun vor Verbiss gesichert.
Ein dichte Krautschicht hat sich gebildet.
Foto: Christian Ammon | Ein dichte Krautschicht hat sich gebildet.
Es ist ein lichter Eichenwald entstanden mit viel Totholz.
Foto: Christian Ammon | Es ist ein lichter Eichenwald entstanden mit viel Totholz.
Holzrechtler Egid Pröstler berichtete von der mühseligen Arbeit im Wald.
Foto: Christian Ammon | Holzrechtler Egid Pröstler berichtete von der mühseligen Arbeit im Wald.
Die Holzrechtler Klaus Lannig (links) und Egid Pröstler beim Pflanzen eines Wildobstbaums.
Foto: Christian Ammon | Die Holzrechtler Klaus Lannig (links) und Egid Pröstler beim Pflanzen eines Wildobstbaums.
 
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