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Rosettas Sonnen-Rendezvous
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 13.08.2015 19:07 Uhr

Es war eine heiße Phase für die Raumsonde Rosetta und ihr Minilabor Philae: Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko, auf dem Philae im November 2014 spektakulär gelandet war, hat am Donnerstag seinen nächsten Punkt zur Sonne erreicht – in einer Entfernung von 186 Millionen Kilometern. Die Wärme ließ den Kometen „Tschuri“ nicht unbeeindruckt, auf seiner Oberfläche wurde und wird es weiter heißer. Durch die erhöhte Sonneneinstrahlung habe sich die Zusammensetzung der von Rosetta aufgesammelten Kometenteilchen bereits deutlich verändert, sagt der Würzburger Professor Klaus Schilling vom Institut für Robotik und Telematik. Er war einer von vielen Köpfen hinter der Rosetta-Mission und ist dem rund 1,3 Milliarden Euro teuren Projekt mehr als 25 Jahre verbunden. Ein E-Mail-Interview über hitzige Planeten, Schwierigkeiten beim Datenaustausch mit Philae und Zukunftspläne für Rosetta.

Frage: Was passiert mit einem Kometen, wenn er der Sonne so nahe kommt?

Klaus Schilling: Die von der Sonne auf den Kometen eingestrahlte Energie nimmt sehr stark zu. Aber es erhitzt sich nicht nur die Oberfläche auf bis zu 80 Grad Celsius, sondern es wird auch Material im Innern erwärmt, so dass ein Sublimationsprozess den Übergang direkt vom festen in den gasförmigen Zustand in Gang setzt. Im Kern des Kometen sind die noch weitgehend unveränderten Teilchen aus der Ursprungszeit unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren bei etwa minus 240 Grad Celsius tiefgefroren. Entsprechendes Gas und Staub werden nun immer stärker ausgestoßen, bilden den Kometenschweif und können so von Rosetta aufgefangen werden.

Haben Rosetta und Philae die Nähe gut überstanden?

Schilling: Nachdem der Komet immer mehr Staubteilchen und auch größere Materialbrocken abgibt, muss Rosetta nun einen Sicherheitsabstand von etwa 200 Kilometern halten. In jeder Sekunde verdampfen jetzt mehrere Hundert Kilogramm gefrorenes Kometenmaterial. Wegen dieser größeren Distanz ist es auch sehr schwierig geworden, den Kontakt zu Philae herzustellen.

Die Raumsonde sollte die Entwicklung des Kometenschweifs beim Vorbeiflug aus nächster Nähe beobachten. Was gab es zu sehen?

Schilling: Man hat die Zunahme dieser Gas-und Staubausbrüche sehr gut verfolgen können. Eine solche Eruption am 29. Juli war so stark, dass sie sogar den Sonnenwind (von der Sonne kommende geladene Teilchen) von der Umgebung des Kometen wegdrücken konnte. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Staubteilcheneinschläge enorm an. Auch die Zusammensetzung der aufgefangenen Partikel hat sich verändert, chemische Grundbausteine traten nun in veränderten Konzentrationen auf.

Was lässt sich aus „Tschuris“ Schweif nun ablesen?

Schilling: Das sind nun vermutlich die Staubteilchen aus dem Inneren. Die in den äußeren Schichten gelegenen, haben ja schon bei vorangegangenen Sonnenvorbeiflügen Teilchen abgegeben. Die nun aktuell gemessene Mischung der Teilchen aus verschiedenen Schichten des Kometen zu analysieren und korrekt zuzuordnen, wird noch etwas Zeit benötigen. Dies ist dann in Bezug zu setzen zu den vorangegangenen Messungen seit der Ankunft am Kometen und den Daten, die beim erneuten Abkühlen des Kometenkörpers erfasst werden.

Wie steht es generell um das Minilabor, nachdem es bei der Landung auf „Tschuri“ Probleme gab?

Schilling: Im Juni und Juli kam immer wieder Kontakt zustande, und es konnten auch Daten von Philae übertragen werden – aber die Verbindung war leider nicht sehr stabil. Philae hing immer noch in der Felsspalte, welche die Funksignale teilweise abschirmt. Der nun nötige Sicherheitsabstand macht jetzt zunächst weitere Kontakte unwahrscheinlich. Wenn sich der Komet wieder beruhigt hat, wird Rosetta näher heranfliegen können und versuchen, den Kontakt mit Philae aufzunehmen.

Ziel der Mission war es, mehr über die Entstehung unseres Sonnensystems zu erfahren – auf einem der ursprünglichsten Himmelskörper überhaupt. Haben sich die Erwartungen erfüllt?

Schilling: Es gab spannende Messergebnisse zur Materialzusammensetzung des Kometen. Die Zeitschrift „Science“ hat Ende Juli eine ganze Sonderausgabe dazu veröffentlicht. Aber es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis all diese Puzzlestücke durch die Wissenschaftler zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden können, um so ein besseres Verständnis von der Entstehungszeit unseres Sonnensystems zu bekommen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Schilling: Beispielsweise ist das Verhältnis von Deuterium („Schweres Wasser“) zu Wasserstoff in einem etwas anderen Verhältnis als auf der Erde. Dies würde eher dafür sprechen, dass das Wasser nicht von den Kometen auf die Erde gebracht wurde, wie früher eine Hypothese bestand. Dies kann sich aber noch ändern, wenn nun die inneren Schichten aktiver ausgasen.

Welche Ziele gibt es für Rosetta und Philae nach dem Sonnen-Rendevouz noch?

Schilling: Auch auf unserer Erde haben wir ja nach dem längsten Sommertag am 21. Juni noch etliche heiße Tage erlebt und so werden wir auch auf dem Kometen noch viele weitere interessante Gasausbrüche verfolgen können. Rosetta wird dies aus der Nähe weiter beobachten, um so unser Wissen über die Kometen und das Ur-Material unseres Sonnensystems zu erweitern.

Kehrt die Raumsonde am Ende der Mission nach Hause zur Erde zurück?

Schilling: Die Sonde wird den Kometen auf seiner sechseinhalb Jahre dauernden Umlaufbahn um die Sonne weiter begleiten – eine Rückkehr zur Erde war nie geplant, so weit reicht der Treibstoff nicht. Ob man Rosetta vielleicht am Ende auf den Kometen stürzen lässt oder ob man eventuell versucht, in sechseinhalb Jahren eine weitere Sonnenpassage zu verfolgen, wird man gegen Ende des Jahres nach dem aktuellen Zustand von Rosetta und den dann ausgewerteten Ergebnissen der aktuellen Beobachtungen entscheiden.

Professor Klaus Schilling

In der Raumfahrtindustrie bei Airbus Space war Professor Klaus Schilling an der Entwicklung von interplanetaren Raumsonden beteiligt. In dieser Zeit trug er die Verantwortung für Rosetta-Systemstudien und ist nun mehr als 25 Jahre mit der Weltraummission verbunden. 2003 kam er an der Uni Würzburg auf den Lehrstuhl Robotik und Telematik und führte dort in der Informatik die Raumfahrtstudiengänge ein. Er sandte mit seinem Team 2005 den ersten deutschen Pico-Satelliten UWE-1 (Universität Würzburg Experimental-Satellit 1) in seine Umlaufbahn. Schilling befindet sich aktuell am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (Kalifornien), dem Nasa-Institut, das für die interplanetaren Raumsonden verantwortlich ist. Er beantwortete die Fragen per E-Mail. Text: SP

 
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