Auch wenn es in letzter Zeit etwas ruhiger um den Sonnenuhrenweg geworden ist und die Festspielsaison ausfallen musste, ist das Taubertalstädtchen Röttingen noch immer eine Reise wert. Gerade in Zeiten von Corona ist die freie Natur wieder mehr denn je gefragt. Ein Aushängeschild des einzigen staatlich anerkannten Erholungsorts im Landkreis Würzburg ist neben den Festspielen, dem Kneipp-Vital-Weg und dem Wein-Museum der mit über 30 Exponaten ausgestattete Sonnenuhren-Wanderweg.
Von einem Idealisten wurde die Idee geboren, in Röttingen einen Sonnenuhren-Rundweg zu schaffen. Dank der Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Günter Rudolf konnte die Idee verwirklicht werden. Am Pfingstsonntag vor 35 Jahren im Rahmen des Röttinger Weinfestes wurde der Sonnenuhren-Rundweg eröffnet.
Von der Taschenversion zum Kirchturm-Format
Der Idealist und Tüftler war der gelernte Schlosser und Feinmechaniker Kurt Fuchslocher aus Bad Mergentheim. Er hat im Laufe der Jahre allein in Röttingen über 30 verschiedenste Sonnenuhrentypen – von der zusammenklappbaren Taschenversion bis hin zur kirchturmadäquaten Präzisionssonnenuhr – nach eigenen Ideen entworfen, hergestellt und entlang des über zwei Kilometer langen Rundwegs, der auch für Rollstuhlfahrer bestens befahrbar ist, aufgestellt. Im Mai 2010 ist der Sonnenuhrenbauer im Alter von 88 Jahren verstorben.
Große Zustimmung fand sein Satz, der in keiner von Fuchslochners Führungen fehlen durfte: "Auch im Zeitalter der Quarz- und Atomuhren lässt der Umgang mit Sonnenuhren eine ahnende Vorstellung über die Schönheit und Größe der Himmelmechanik entstehen". Von diesem Virus wurde vor rund 14 Jahren der engagierte Sonnenuhrenführer Helmut Cerdini angesteckt. Mit großer Begeisterung führt er seit 2008 interessierte Besucherinnen durch und um die Europastadt.
Vom Gewölbekeller, gleich unterhalb der Burg Brattenstein, startet sein fachkundiger Sonnenuhren-Rundgang. Zuvor gibt im malerischen Gewölbekeller eine ausführliche Powerpoint–Präsentation Einblick in die Technik und Funktionsweise der ältesten Zeitmesser, die die Menschheit kennt. Die Besucher werden auf den rund eineinhalbstündigen Rundgang eingestimmt, bevor es in die Natur geht.
Sonnenuhren-Wissen in Theorie und Praxis
Hier erlebt Helmut Cerdini nicht selten den berühmten Aha-Effekt, wenn die Besucher sehen, dass das, was sie eben in der Theorie gehört hat, auch in der Praxis stimmt. Man sollte daher schon etwas Zeit mitbringen, um den sehr gut begehbaren, ohne größere Steigungen verlaufenden Weg zu erkunden, rät Cerdini.
Eine der interessantesten Sonnenuhren ist die einer Harfe nachgebildete "Klingende Mittagssonnenuhr". Sie stand bis vor wenigen Jahren abseits des Rundwegs, beim ehemaligen Restaurant "Frankenstuben" und hat nun am Platz der Deutschen Einheit, im Bereich der Tauberbrücke, einen idealen Standort gefunden.
Zarathustra zur Mittagsstunde
Das Meisterwerk von Kurt Fuchslochner zeigt die Mitteleuropäische Zeit und die Mitteleuropäische Sommerzeit nicht nur optisch, sondern auch akustisch an. Wenn die Sommer ihren höchsten Stand über dem Tauberstädtchen erreicht hat, erklingt über einen Lautsprecher fünf Minuten lang ein Auszug aus Richard Strauss' "Also sprach Zarathustra". Gleich vier Zeitmesser unterschiedlicher Bauart und Technik befinden sich gleich unweit davon in der Naherholungszone am Mühlbachgrund.
Neben dem Sonnenuhrenweg wird es nach Ende der Sanierung in der alten Schule an der Herrnstraße auch wieder einen Sonnenuhrenraum geben. Dort werden weitere Uhrenmodelle aus dem Lebenswerk von Kurt Fuchslochner zu sehen sein.
Informationen und Anmeldungen für eine Führung gibt es für Sonnenuhrenfans bei der Tourist-Info Röttingen, Te. (0 93 38) 97 28-55 oder bei Sonnenuhrenführer Helmut Cerdini privat unter Tel. (0 93 38) 98 00 33.