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OCHSENFURT
Riesige Blechdosen für die Chips von morgen
Ein Schwertransport bringt die beiden Vakuumkammern von der Fertigung bei Kinkele zur Verladung am Main. Sie gehören zu den größten Bauteilen, die je unter Reinraum-Bedingungen hergestellt wurden.
Foto: Gerhard Meißner | Ein Schwertransport bringt die beiden Vakuumkammern von der Fertigung bei Kinkele zur Verladung am Main. Sie gehören zu den größten Bauteilen, die je unter Reinraum-Bedingungen hergestellt wurden.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:22 Uhr

Ob eine zig Tonnen schwere Metallskulptur für den Hauptstadtbahnhof, die Uhrwerke für den größten Uhrturm der Welt oder eine gigantische selbstfahrende Fertigungsanlage für Pipelinerohre – es gibt kaum ein technisches Bauteil, dessen Dimensionen die Firma Kinkele bisher erschrecken konnten. Mit dem Auftrag, der in diesen Tagen das Werksgelände in Hohestadt verlassen hat, kam aber selbst der Ochsenfurter Spezialmaschinenbauer an seine Grenzen. Nicht nur, was die Größe angeht, sondern auch wegen der außergewöhnlichen Fertigungsbedingungen. „Sie gehören zu den größten Strukturen, die je unter Reinraumbedingungen produziert wurden“, sagt die Wertheimer Pink GmbH, die die beiden Vakuumkammern in Auftrag gegeben hat.

Elf Meter lang sind die beiden Edelstahl-Bauteile, haben einen Durchmesser von über fünf Metern und wiegen jeweils rund 50 Tonnen. Die riesigen Blechdosen, ausgestattet mit Beladeschleusen, Vakuumschiebern und einem Kransystem, sind Teil einer Anlage, die der Wertheimer Vakuumspezialist Pink für den Optik-Konzern Zeiss fertigt. Als einziger Hersteller weltweit baut Zeiss Belichtungssysteme für die Produktion von Computerchips, in denen mithilfe von extrem ultraviolettem Licht Strukturen von weniger als 20 Nanometern abgebildet werden können – mehr als zehntausend mal feiner als ein menschliches Haar. EUV-Lithographie heißt die Technologie.

Wieviel ein Barthaar in einer Sekunde wächst

Die Vakuumkammern dienen der Justierung der Belichtungsoptik. Um die Genauigkeit der Technik anschaulich zu machen, zieht Pink-Chefkonstrukteur Burkhard Speth einen Vergleich: „Theoretisch kann man damit messen, wieviel ein männliches Barthaar in einer Sekunde wächst.“ Kein Wunder also, dass es bei der Herstellung solche Anlagen auf absolute Sauberkeit ankommt.

Um in der Montagehalle von Kinkele solche Reinraum-Bedingungen herzustellen, hat man ein Zelt aufgestellt, in das stündlich 30 000 Kubikmeter gefilterte und absolut partikelfreie Luft geblasen wurde. Auch für den Ochsenfurter Zeltverleih war es ein bisher nie dagewesener Auftrag, so Geschäftsführer Stefan Müller.

Montage im Reinraum

Die Rohteile aus Edelstahl-Blech hat der Bürgstadter Tankspezialist Ziemann Holvrieka gefertigt. In Hohestadt wurden sie geschweißt, spanend bearbeitet und anschließend gereinigt und an Ort und Stelle montiert. Nur in Spezialanzügen und durch mehrere Schleusen durften die Mitarbeiter den Reinraum betreten. Selbst ein achtlos hinterlassener Fingerabdruck könnte später die Funktion beeinflussen, sagt Burkhard Speth.

Für die Fertigungshallen von Pink waren die Bauteile zu groß. Wie er dann auf den Ochsenfurter Maschinenbauer gekommen ist? „Wenn jemand so etwas kann, dann Kinkele“, meint der Konstrukteur und verweist eine langjährige Zusammenarbeit. Kinkele hat sich auf besonders große und besonders komplizierte Aufträge spezialisiert und gilt bundesweit als einer der führenden Auftragsfertiger in diesem besonderen Marktsegment. „Bei uns fängt's an Spaß zu machen, wo wir uns richtig reinfuchsen können“, sagt Firmenchefin Ursula Kinkele-Kusmanoff, „kleine Sachen passen eigentlich nicht zu uns.“

Hindernisse werden aus dem Weg geräumt

Davon zeugt schon der Maschinenpark. Riesige computergesteuerte Zerspanungsanlagen und Drehmaschinen stehen in der Fertigungshalle. Werkstücke von über 20 Metern Länge können dort ohne zeitaufwändige Umrüstung auf Bruchteile von Millimetern genau bearbeitet werden. „Es ist selten, dass bei uns etwas nicht geht“, sagt die Unternehmerin. Und wenn es nicht anders geht, werden Hindernisse einfach aus dem Weg geräumt. So wie eine Wand in der Montagehalle, die für den Auftrag weichen musste und hinterher wieder aufgebaut wird.

Trotzdem ist Ursula Kinkele-Kusmanoff heilfroh, dass der Auftrag nach mehr als einjähriger Bearbeitungszeit pünktlich vor Ostern fertig wurde. „Wir mussten natürlich den Betrieb umstellen, weil uns der Platz gefehlt hat“, sagt sie. Und nach den Feiertagen wartet bereits das nächste Großprojekt – wie in den meisten Fällen hat sich die Firma auch hierzu ihrem Auftraggeber gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Schwertransport durchs Wohngebiet

In mehrere dicke Folienschichten verpackt machten sich die beiden Vakuumkammern nach den Feiertagen in einem Schwertransport auf den Weg. Der führte kurz vor Mitternacht, wenn wenig Verkehr ist, über die Goßmannsdorfer Brücke zur B 13. Weil die Durchfahrt der Sommerhäuser Brücke zu niedrig ist, musste der Schwertransport gar einen Umweg durchs Wohngebiet machen, um schließlich an der Behelfsanlegestelle an der Mainlände gegenüber von Randersacker anzukommen.

Mit dem Autokran wurden die beiden riesigen High-Tech-Dosen auf ein Frachtschiff verladen und machten sich über Main, Rhein und Neckar auf nach Heilbronn, von wo aus sie ihre Fahrt per Schwertransport zum Bestimmungsort an der Zeiss-Zentrale Oberkochen fortsetzen.

Weltweite Monopolstellung

Fünf Jahre Entwicklungs- und mehr als zwei Jahre Bauzeit verbergen sich hinter der Folienverpackung, berichtet ein Physiker von Zeiss, der sich die Verladung nicht entgehen lassen wollte. Weitere fünf Jahre werde es wohl dauern, bis die gesamte Anlage ihren Betrieb aufnehmen wird. Als Hersteller von EUV-Belichtungsanlagen für die Chip-Herstellung habe das schwäbische High-Tech-Unternehmen weltweit eine Monopolstellung. „Das Verfahren wird die Mikrochip-Herstellung der nächsten 30 Jahre dominieren“, sagt der Wissenschaftler, und dazu beitragen, den Innovationsvorsprung für lange Zeit zu sichern.

„Bei uns fängt's an Spaß zu machen, wo wir uns richtig reinfuchsen können.“
Ursula Kinkele-Kusmanoff, Unternehmerin
Die Vakuumkammern werden bei Randersacker auf ein Schiff verladen. Die Anlage, zu der sie einmal gehören werden, soll in den kommenden Jahren die Herstellung von Computer-Chips revolutionieren.
Foto: Gerhard Meißner | Die Vakuumkammern werden bei Randersacker auf ein Schiff verladen. Die Anlage, zu der sie einmal gehören werden, soll in den kommenden Jahren die Herstellung von Computer-Chips revolutionieren.
 
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