Ganz so blau wie hinterher manch ein Zuschauer war der Himmel über Würzburg am Sonntag zwar nicht, dennoch war die Stimmung oben wie unten heiter beim 60. Würzburger Faschingszug. Nach Schätzungen der Polizei begleiteten rund 120 000 fast ausnahmslos maskierte Menschen schunkelnd das närrische Treiben.
In der Fußgängerzone herrschte teils drangvolle Enge. Doch trotz der Menschenmassen blieb der Zug auch diesmal von Unfällen verschont. „Wir sind begeistert von der Stimmung, aber auch sehr glücklich, dass nichts passiert ist. Ich bin echt stolz auf unsere Leute“, meinte in einer ersten Bilanz Michael Zinnhobel, der als Zugmarschall zum zwölften Mal den Zug für die Karnevalsgesellschaft Elferrat organisierte.
Mit über 160 Gruppen und rund 3200 Aktiven zählt der Würzburger Gaudiwurm, dessen Tradition auf den ersten Rosenmontagszug im Jahr 1912 zurückgeht, zu den größten in Süddeutschland. Im Vergleich dazu nimmt sich der Münchner Narrenzug der Damischen Ritter mit 43 Gruppen und 30 000 Zuschauern eher provinziell aus.
Der Gaudiwurm ist das große Schaulaufen vor allem der vielen Faschingsgesellschaft aus Stadt und Land, die mit ihren Garden, Tanzmariechen, Symbolfiguren und Motivwägen das bunte Bild bestimmten und den Höhepunkt der Session feiern. Aber auch viele kleine private Gruppen, die Bäckerinnung oder Frankens große Diskotheken sind mit von der närrischen Partie. Alleine 27 Musikkapellen und Live-Bands auf Wägen heizten die Stimmung an.
Anders als bei den Umzügen am Rhein spielt Politik beim Würzburger Zug nur eine Nebenrolle. Die bevorstehende Kommunalwahl war nur ein Randthema, denn schließlich lief der Zug ja unter dem Motto „Fasching ist die beste Wahl“. Mehrfach dargestellt wurde der Abhörskandal des US-Geheimdienstes. Die Bockertöberle aus Grombühl ließen Bundeskanzlerin Merkel über dem Brandenburger Tor schweben, hinter ihr die amerikanische Freiheitsstatue, die so frei war, alles abzuhören. Den schönsten Motivwagen zur Kommunalpolitik hatte die Zugleitung Heidingsfeld mit dem Ex-Oberbürgermeister Georg Rosenthal als „Lügenbaron“ König Georg Münchhausen und seinem Ritt auf der Kanonenkugel in den Landtag nach München.
Mit einem großen Aufgebot waren Sicherheitskräfte und Straßenreiniger mit dabei. Letztere hatten ein Meer von Scherben und Unrat aufzuräumen. Das Rote Kreuz, das mit 99 ehrenamtlichen Helfern, drei Notärzten und 25 Fahrzeugen im Einsatz war, berichtete von fünf jungen Leuten, die wegen Alkoholmissbrauchs behandelt werden mussten, zwei von ihnen kamen in die Klinik, darunter ein 14-Jähriger. BRK-Einsatzleiter Martin Falger sprach von 30 Menschen, die versorgt werden mussten, darunter auch Verletzungen durch Stürze und Schnittwunden.
Fritz Schneider als Einsatzleiter der Polizei berichtete von einem neunjährigen Mädchen, das in der Menge seine Großeltern verloren hatte, die aber schnell wieder gefunden wurden. Drei alkoholisierte Jugendliche mussten von ihren Eltern bei der Polizei abgeholt werden. In der Tiefgaragenzufahrt Martinstraße wurde die Höhenbegrenzung mutwillig beschädigt. Nachdem ein „Brand“ in der Marktgarage gemeldet war, rückte die Feuerwehr aus. Doch der „Brand“ war ein sprühender Feuerlöscher, den ein Unbekannter in einer benachbarten Tiefgarage „hochgehen“ ließ. Vor dem Faschingszug mussten zwölf Pkw abgeschleppt werden, da sie trotz Verbot im Umzugsbereich parkten.