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WÜRZBURG
Reinhören in den Hafensommer
Bands, Musiker und ihre neuen CDs: Wie wird das Musikfestival auf den Mainwiesen in diesem Jahr wohl klingen? Wir haben vor dem Start in einer Woche schon mal die aktuellen Alben aufgelegt.
Reinhören in den Hafensommer
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:40 Uhr

Ohren auf, der Hafensommer beginnt! Ab Freitag, 24. Juli, spielt die Musik wieder gute zwei Wochen lang allabendlich auf der Bühne auf den Mainwiesen. Jürgen Königer, der künstlerische Leiter des Würzburger Musikfestivals, hat erneut eine musikalische Weltreise durch Stile und Genres der zeitgenössischen Pop-, Rock- und Jazzmusik zusammengestellt. Die Schweiz ist gut vertreten – und Skandinavien auch. Bevor es los geht, haben wir schon mal in aktuelle CDs der Hafensommer-Akteure gehört.

Hugh Masekela: Phola

„Phola“ ist 2009 zu Masekelas 70. Geburtstag erschienen und sicher nicht das wichtigste Album seiner langen Karriere. Man sollte es im Zusammenhang mit dem Titel sehen, der so viel bedeutet wie „genesen“ oder „heilen“. Knapp 20 Jahre nach der Entlassung Mandelas aus der Haft war dies für seine Landsleute sicher ein klares Statement. Musikalisch enthält „Phola“ vieles, wofür Masekelas Musik steht. Da ist sein warmer, unangestrengter Ton auf Trompete und Flügelhorn, seine markante Gesangsstimme und einzigartige Mischung von Jazz, Afrobeat und Township-Jive. Man findet fröhliche Instrumentals, groovige und chillige Nummern und bewegende Balladen.

Doch scheint es, als gelinge es nicht recht, die Bremse zu lösen. Den „echten“ Masekela findet man auf Alben wie „Hope“ (1994) oder „Live at the Market Theatre“ (2007).

Hugh Masekela spielt am Samstag, 25. Juli, um 20.30 Uhr.

Johanna Borchert: FM Biography

Ist das noch Jazz oder schon Pop? Oder: Ist das noch Pop oder schon Jazz? Man kann es drehen und wenden wie man mag. Die Songs auf Johanna Borcherts „FM Biography“ sind beides und doch keines von beidem. Immerhin: Die Protagonistin wurde vor kurzem mit einem ECHO als beste deutsche Jazzsängerin ausgezeichnet. Das hilft aber auch nicht viel weiter. Denn eigentlich hat sie für das Album entschleunigte Popsongs komponiert, denen sie eine ordentliche Portion Jazz-Appeal beigemischt hat. Gleich im Auftaktsong mischt sich die Gitarre des Soundtüftler Fred Frith ein, der träumerische Titelsong lebt von ätherischen Chören, während „Lightyears“ mit einer gewissen Pop-Attitüde kokettiert. Borchert setzt auf sparsame Arrangements, Verfremdungen und schlägt selten einen geraden Weg ein. Dem Pophörer mag?s an manchen Stellen zu komplex sein, der jazzaffine Hörer vielleicht die improvisatorischen Elemente vermissen. Aber bei genauem Hinhören lassen sich in Borcherts Soundpuzzle viele interessante Facetten entdecken.

Johanna Borchert spielt am Sonntag, 26. Juli, um 20 Uhr auf der Hafensommerbühne. Und vormittags um 11 Uhr beim Büro stahl.lehrmann architekten in Rottenbauer am Schloss – zur Matinée auf dem Fazioli-Flügel.

Aloa Input: Mars Etc.

Irgendwo zischt, fiept, blubbert oder piepst es immer bei den Jungs von Aloa Input aus München. Sie sind nämlich bekennende Elektronik-Freaks. Aber keine Sorge: Ihre CD „Mars etc.“ ist kein abgehobenes oder gar esoterisches Elektronikwerk. Ganz im Gegenteil: Aloa Input spielen Popmusik. Und was für eine. Sie haben ein untrügliches Gefühl für völlig tiefenentspannte Melodien, die sie scheinbar mühelos aus dem Ärmel schütteln. Das kommt alles so herrlich leichtfüßig und locker daher, beispielsweise beim „Vampire Song“, bei dem man den Finger gar nicht mehr von der Repeat-Taste nehmen möchte. Ihrem Harmoniegesang stellen sie gerne mal krachende Gitarren und ein munter schepperndes Schlagzeug entgegen und schrecken auch vor manchem antiquierten Keyboard-Sound nicht zurück. Herausgekommen sind feine kleine Pop-Hymnen mit allerlei pophistorischen Querverweisen, keineswegs antiquiert, sondern losgelöst im Hier und Jetzt.

Aloa Input sind am Dienstag, 28. Juli, um 20 Uhr zu hören.

Karl Ivar Refseth Trio: Praying

Dieser Musik kann man sich nicht entziehen: Der norwegische Vibraphonist Karl Ivar Refseth (Mitglied bei The Notwist, denn ohne Konnotationen zu den Weilheimern geht es beim Hafensommer nicht) und seine Mitspieler, der Saxophonist Christian Weidner und Bassist Matthias Pichler, setzen auf ruhige und entspannte Klänge, die im positiven Sinn meditativ sind. „Transparent und beruhigend“ schrieb das Jazzmagazin „Jazzthetik“. Die drei Musiker vertiefen sich in ihren Klagkosmos und geben ihrer Musik sehr viel Zeit und Raum. So wie das auch Refseths Landsmann Jan Garbarek hin und wieder zu tun pflegt, während Weidners Saxophon manchmal an den Engländer John Surman erinnert. Pausen und Stille spielen bei den Kompositionen eine wichtige Rolle. So entstehen intime und zurückhaltende Klangbilder, die man sich auch sehr gut als Filmmusik vorstellen kann.

Das Karl Ivor Refseth Trio ist am Mittwoch, 29. Juli, um 20 Uhr Support zu Sly & Robbie und N.P. Molvaer

Ganes: Caprize

Die drei musizierenden und singenden Schwestern stammen aus den Alpen, genauer gesagt aus Südtirol. Mit heimattümelnder Stadlfolklore, wie man sie aus einschlägigen Fernsehshows kennt, haben sie freilich rein gar nichts am Hut. Schon allein deshalb, weil sie ihre Lieder in Ladinisch, einer uralten rätoromanischen Sprache, singen. Ihre Musik ist freilich gar nicht traditionell verortet oder gar altertümlich, denn dazu sind die drei Damen viel zu eigensinnig und unkonventionell. Erstmals haben sie auf ihrem neuen Album „Caprize“ neben traditionellen Instrumenten wie Geige und Hackbrett auch Synthesizer und Drumcomputer eingesetzt, was ihrer Musik einen neuen, weltmusikalischen und modernen Anstrich verleiht. Auf „Caprize“ spielen sie augenzwinkernd mit den Mitteln des Pop, ohne ihre Herkunft zu verleugnen. Es scheint, als hätten Ganes mit ihrem vierten Album ihre Klangwelt neu definiert und jetzt ihren ganz eigenen Sound gefunden.

Ganes spielen am Donnerstag, 30. Juli, ab 21.30 Uhr auf den Mainwiesen.

Dauner & Dauner

Obwohl sowohl Vater Wolfgang als auch Sohn Florin Dauner schon lange im Musikbusiness unterwegs sind, kam es erst vor zwei Jahren zu ihrer ersten gemeinsamen Produktion. Die CD enthält überwiegend Kompositionen des Pianisten Wolfgang Dauners, der mit zahllosen Alben deutsche Jazz- und Jazzrockgeschichte geschrieben hat. Auch Sohn Florian ist seit 20 Jahren als Schlagzeuger aktiv und arbeitet häufig mit den Fantastischen Vier zusammen. Da kommt ein breites musikalisches Spektrum zusammen, das die beiden bei ihrer Familienzusammenführung beackern. In „2012+1“ geht es gleich mächtig groovend zur Sache, im folgenden „Elf Notizen“ reiben sich die beiden aneinander – ohne Verluste natürlich. Das sie auch ganz anders können, zeigen sie im indischen „Raga“, und im kurzen „Who let the Dog Out..?“ lassen sie die Elektronik von der Leine. Ein vielseitiges und abwechslungsreiches Familienfest, bei dem man gerne mit von der Partie ist.

Dauner + Dauner sind am Montag, 3. August, ab 20 Uhr in einem Doppelkonzert mit dem finnischen Familienduo Pohjonen + Pohjonen zu hören.

Raul Midón: Don?t Hesitate

Der Sänger und Gitarrist Raul Midón ist schon seit frühester Kindheit erblindet. Mit „Don?t Hesitate“ hat er jetzt sein achtes Album veröffentlicht. Und hat sich dazu prominente Gäste ins Studio geholt wie die Sängerinnen Lizz Wright und Dianne Reeves oder die Bass-Koryphäen Marcus Miller und Richard Bona. „Don?t Hesitate“ ist von einem positiv-fröhlichen Grundton geprägt. Midon beweist dabei kompositorisches Geschick, kommt mit locker-leichten Melodien daher und dank seiner außergewöhnlichen Gitarrentechnik beschwört er Anklänge an Jose Feliciano herauf. Er verbreitet ein angenehmes Soul-Folk-Latin-Feeling ohne dabei beliebig zu werden und zaubert wundervolle Melodien aus dem Ärmel. Und nach den 13 Eigenkompositionen überrascht er am Ende mit einer Cover-Version: Eine latinifizierte Interpretation des Who-Klassikers „I Can See For Miles“. Ein schönes, unterhaltsames Album.

Raul Midón spielt am Freitag, 31. Juli, ab 20 Uhr beim Doppelkonzert mit Banzo.

B. Wesseltoft: Bugge and Friends

Der umtriebige norwegische Pianist Bugge Wesseltoft hat sich für sein neues Projekt langjährige musikalische Wegbegleiter eingeladen. Bugge and Friends widmen sich auf der gleichnamigen CD einer groovig-chilligen Variante des modernen Jazz. Natürliche Instrumentalklänge von Saxophon und Trompete treffen auf elektronische Club-Beats. Heraus kommt dabei eine Musik, die in die Beine geht, aber letztlich ohne Ecken und Kanten bleibt. Eingängig und melodisch geht es zur Sache und erinnert hin und wieder an den Old-School-Funk eines Horace Silver und auch der frühe Herbie Hancock winkt ab und an mal herüber. Zwei Vokalstücke mit Beady Belle und Torun Eriksen runden Bugges internationale Funk-Party ab.

Bugge Wesseltoft 'N' Friends sind am Sonntag, 26. Juli, um 21.30 Uhr beim Hafensommer zu hören.

Aranis: Made in Belgium II

Das belgische Musikerkollektiv ist eine jener Gruppen, die sich einer klaren Klassifizierung entziehen. Avantgarde-Folk könnte man das nennen oder kammermusikalischen Progressive Rock. Auf Made in Belgium II gibt es wie schon auf dem Vorgänger ausschließlich Musik belgischer Komponisten, die einst bei Aranis spielten oder dies aktuell tun. Und so begegnet man hier Musikern bekannter Prog-Rock-Ensembles wie Present oder Univers Zero. Der akustische Kammerrock wird auf dieser CD in seiner ganzen Vielfalt dargeboten, mal rhythmisch vertrackt und sperrig, dann wieder leise verspielt und melancholisch. Auch wenn die Musik von Aranis komplex und in gewisser Weise anspruchsvoll ist, entbehrt sie nicht unterhaltsamer Parts, die sehr originell und unangestrengt in den Gesamtkontext eingeflochten werden. Im Wesentlichen dominiert akustisches Instrumentarium (Flöten, Geigen, Piano, Akkordeon), beim fast zehnminütigen „Cell Stress“ kommen aber auch die Freunde schrägen E-Gitarrenspiels auf ihre Kosten.

Aranis spielen am Montag, 27. Juli, ab 20 Uhr im Doppelkonzert mit Olivia Pedroli.

Kante: In der Zuckerfabrik

Um Kante ist es etwas still geworden in den letzten Jahren. Denn die der Hamburger Schule zugeordnete Band aus dem Dunstkreis von Die Sterne, Tocotronic und Blumfeld hat sich von den Rockbühnen verabschiedet und Musik für Theateraufführungen geschrieben. Für Stücke von Voltaire, Dostojewski, Goethe, Brecht, Thomas Mann, Sophokles und Peter Handke haben Kante Theatermusiken komponiert, gespielt und gesungen und auf dieser CD veröffentlicht. Und so unterschiedlich diese Autoren sind, so verschiedenartig sind auch die Kompositionen ausgefallen. „In der Zuckerfabrik“ ist daher kein homogenes Album, sondern eine Werkschau über das Theaterschaffen der Band. Und auch wenn ein wenig Wissen über Stücke und Autoren nicht schadet, wird man hier mit außergewöhnlichen Rockmusik-Klängen jenseits gängiger Klischees belohnt, einschließlich einer Bearbeitung von Tom Waits‘ „Black Rider“ am Ende.

Kante sind am Dienstag, 28. Juli, ab 21.30 Uhr zu hören.

Olivia Pedroli: A Thin Line

Die Schweizerin Olivia Pedroli wird gerne als “Folk Sensation“ angepriesen. Das ist aber für ihr viertes Album „A Thin Line“ eindeutig zu kurz gegriffen. Denn es sind hier keine Folk Songs im klassischen Sinne zu hören, sondern vielmehr extravagante Pop-Chansons im Gefolge ihrer Landsfrauen Anna Aron oder Sophie Hunger. Das hat seinen Grund neben den anspruchs- und geschmackvollen Kompositionen auch darin, dass die CD von dem Isländer Valgeir Sigurosson produziert wurde, der auch schon für Björk, Coco Rosie, Bonnie Prince Billy und feist an den Reglern saß. Pedrolis sparsam arrangierte und instrumentierte Lieder sind grazil und fragil, melancholisch und betörend. Und wenn man sich erst einmal in ihre Klangwelt eingehört hat, fühlt man sich darin so wohl, dass man sie so schnell nicht mehr verlassen möchte.

Olivia Pedroli gastiert am Montag, 27. Juli, ab 20 Uhr im Doppelkonzert mit Aranis.

Hafensommer: Wissenswertes in Kürze

Termin: Der 9. Hafensommer findet vom 24. Juli bis 9. August auf den Mainwiesen an der Talavera statt.

Tickets: Online-Tickets gibt es hier: www.adticket. de/Hafensommer-Würzburg.html

Ansonsten findet der Vorverkauf in der Tourist-Information im Falkenhaus am Marktplatz statt, Telefon: (0931) 37 23 98

Eintrittspreise: Die Karten für die verschiedenen Konzerte kosten im Vorverkauf zwischen 19 und 29 Euro und an der Abendkasse zwischen 24 und 36 Euro.

Ausweichspielstätte: Bei extrem ungünstigen Wettervorhersagen werden die Konzerte von Hugh Masekela (25.7.), Bugge Wesseltoft (26.7.), Sly & Robbie (29.7.), Quadro Nuevo (1.8.), Dauner und Dauner (3.8.) und Pippo Pollina (8.8.) in die Posthalle verlegt.

Stammgäste: Bereits zum jeweils vierten Mal kommen die beiden Schweizer Künstlerinnen Erika Stucky und Sophie Hunger zum Hafensommer.

Umzug 2016: Sein zehnjähriges Bestehen wird der Hafensommer nächstes Jahr wieder in seinem Heimathafen auf der anderen Mainseite feiern.

 
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