Für manchen klingt das wie ein Witz: Veganer Wein. Vergorener Traubensaft ist doch per se vegan, oder? Im Prinzip ja, aber… Auch wenn Wein selber nicht aus tierischen Produkten besteht, setzen Winzer bei der Produktion doch meist tierisches Eiweiß ein. Wie etwa Gelatine bei der sogenannten Flotation – dabei werden durch Zugabe von Gelatine Trubstoffe gebunden, schwimmen dann oben und werden abgeschöpft (In gleicher Weise wird dieses Verfahren bei der Saftherstellung angewendet).
„Sich auf die Produktion von veganem Wein zu fokussieren, hat mit solchen Prozessen zu tun“, versucht Jungwinzer Thomas Schenk aus Randersacker eine Erklärung. Schenk hat, unterstützt von seinen Eltern, im kleinen Familienweingut die Umstellung gewagt und bietet veganen Wein an. Selbst die Etiketten klebt er jetzt frei von tierischem Eiweiß mit Stärke – statt mit Kaseinleim. Und auch düngen will er ohne Produkte aus Tierkörpern (wie etwa Hornspäne).
Tatsächlich geht es ihm dabei aber weniger um die um die fanatische Ablehnung tierischer Eiweiße als vielmehr um die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun. „Oberstes Ziel bliebt der Geschmack. Für mich bedeutet dabei vegane Produktion, alle zusätzlich eingesetzten Stoffe zu hinterfragen und im ganzen Prozess der Weinherstellung nicht nach Schema F zu handeln oder ,weil man es schon immer so gemacht hat‘.“ Insofern verzichtet Schenk nicht nur auf nicht-vegane Schönungsmittel (unter diesem Oberbegriff fasst der Winzer alles zusammen, was dem Wein in der Produktion zugefügt wird), sondern möglichst auch auf andere Zusatzstoffe.
Wie etwa Enzyme zum Klären. Die vermeidet man im Weingut Schenk, indem man die Hefe länger in der Schwebe hält, dem Wein also quasi bei der Gärung mehr Zeit gibt. „Die Hefe hat natürliche Enzyme und liefert ebensolche Proteine, die als natürliche Geschmacksverstärker fungieren.“ Als Folge davon muss der Winzer dem Rebensaft weniger Schwefeldioxid zusetzen, um ihn stabil zu machen. „Das Endprodukt ist also 'gesünder' oder natürlicher“, erläutert Schenk.
Einen möglichst naturbelassenen Wein zu liefern, das ist auch die Philosophie im Theilheimer Demeter Weingut Deppisch. „Wichtig ist uns, dass unsere Weine ihren eigenständigen Charakter behalten und das Jahr in dem sie, sowie auch den Boden, auf dem sie gewachsen sind, widerspiegeln. Deshalb verzichten wir auf jegliche Kosmetik beim Wein und arbeiten nicht mit Schönungen, Aromahefen, Enzymen oder dergleichen“, erklärt Winzer Christian Deppisch. „Daraus hat sich ergeben, dass unsere Weine als vegan eingestuft werden können.“
Legt man allerdings die Maßstäbe strenger Veganer an, stimmt das nicht. Denn zur Demeter-Philosophie gehört, Tierhaltung als Teil des natürlichen, landwirtschaftlichen Produktionsprozesses zu akzeptieren – was der Grundhaltung strenger Veganer widerspricht. Eine Haltung, die weder Schenk noch Deppisch wirklich nachvollziehen können. Für Beide geht es um die Einstellung hinter dem, was man tut. Für die Flotation könnte man beispielsweise statt Gelatine auch Kunststoffe wie PVPP einsetzen. Doch selbst wenn die hier verwendeten Moleküle so groß sind, dass sie anschließend vollständig herausgefiltert werden können und nicht – wie Mikroplastik – im Grundwasser landen, für Beide sind sie keine Alternative, selbst wenn damit das Siegel „veganer Wein“ garantiert wäre.
Auch wenn Deppisch – anders als Schenk – nicht mit veganem Wein wirbt – bemerkt er eine zunehmende Nachfrage. „Bis vor gut einem Jahr war das kaum ein Thema“, sagt er. Seitdem aber werde er mehr und mehr darauf angesprochen und habe sich auch deshalb kundig gemacht, ob und inwieweit seine eigenen Weine darunter fallen.
Vor allem für Kunden aus der Gastronomie, so seine Erfahrung, werde das Thema immer wichtiger. „Der Endverbraucher wird immer mündiger und kritischer“, setze sich immer mehr damit auseinander, wie und wo das, was er isst und trinkt, produziert wird. Diese Erfahrung macht auch Schenk. Weniger beim Verkauf im Weingut in Randersacker. Aber auf Messen und bei gastronomischen Betrieben – wie etwa dem Veggie Bros, dem ersten vegetarisches Schnellrestaurant in Würzburg. Seit gut einem Monat gibt es dort jetzt Weine von Schenk.
Und wie hält er es mit der Weitergabe seiner Philosophie? Seit diesem Schuljahr unterrichtet der Weinbautechniker nämlich nebenher an der Berufsschule den Winzernachwuchs in Weinchemie und Fachrechnen.
„Ich denke, da bin ich neutral“, antwortet er nach kurzem Nachdenken. „Letztlich ermuntere ich meine Schüler einfach, sich kritisch mit allem auseinanderzusetzen, was sie tun und nicht allgemeinen Empfehlung zu folgen.“ Wichtig sei, den individuellen Bedarf des eigenen Wein zu analysieren und dann über Einsatz und Menge notwendiger Zusatzstoffe zu entscheiden. Gerade für die kleinen Weinbaubetriebe sei das eine Nische. Die auch Deppisch erkennt: „Es macht wenig Sinn, den 1000. Müller-Thurgau nach Schema F auf den Markt zu werfen. Unsere Stärke liegt in der Regionalität und Individualität.“