Bewusstlos zusammengebrochen ist ein dunkelhäutiger Mann im Juli im Kiliani–Bierzelt, nachdem ein 77-Jähriger einen Bierkrug nach ihm geworfen hatte. Nun wurde der Täter zu einem Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung und zur Zahlung von 1000 Euro verurteilt.
Kiliani 2013, 22.30 Uhr. Im Bierzelt ist richtig was los. Ein 77-Jähriger aus dem Landkreis Würzburg nimmt an einem Tisch Platz. An der Stirnseite sitzt ein dunkelhäutiger Mann. „Ich hasse Neger“, ruft der Metzger plötzlich, ergreift einen Bierkrug, wirft ihn nach dem 39-Jährigen.
Der Krug trifft den Mann an der Brust, bewusstlos fällt der 39-Jährige von der Bank, schlägt mit dem Kopf auf. Sanitäter bringen ihn eine Klinik, wo er über Nacht bleiben muss.
Polizisten wollen den Bierkrug-Werfer aus dem Zelt führen. Aber er stößt die Beamten weg, versucht, sich aus ihrem Griff zu befreien. „Ihr Scheiß-Bullen“, ruft er, „sperrt lieber den Neger ein“. Ein Arzt stellt fest, dass der Senior 1,72 Promille hat.
Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, ist der 77-Jährige vor dem Amtsgericht angeklagt, die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung vor, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Weil der Anwalt ein Geständnis seines Mandanten signalisiert hat, sind keine Zeugen geladen. Gleich zu Beginn der Verhandlung gibt der Verteidiger eine Erklärung ab: „Mein Mandant räumt alle Vorwürfe ein. Was passiert ist, tue dem Metzger sehr leid.
Der Richter möchte noch ein paar Details wissen. „Können Sie sich an Einzelheiten erinnern?“, fragt er den Angeklagten. „Freilich“, antwortet dieser, „das ist doch logisch“. Und dann sagt er: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich gesagt habe ,ich hasse Neger'. Sonst hätte ich doch kein Patenkind in Afrika.“ Der Staatsanwalt horcht auf. Für ihn ist dieser Satz ein Widerruf des „inhaltsleeren Pauschalgeständnisses“.
„Das war ein Reflex“
Während der Anwalt beflissen versichert, er habe mit den 77-Jährigen „den Vorfall aufgearbeitet“ und Zweifel an den Gedächtnisleistungen seines Mandanten äußert, schimpft der Angeklagte auf die Polizisten, die ihn damals festgenommen haben. „Wie den letzten Dreck haben die mich behandelt“. Und er trauert um seinen Schaschlik, der damals vor ihm stand. „Der liegt wahrscheinlich noch auf der Talavera. Ich bin ja nicht mal zum Essen gekommen.“
Nach einem eilig anberaumten Vier-Augen-Gespräch zwischen Verteidiger und Angeklagtem tut der 77-Jährige dem Gericht kund, dass er „nicht mehr so genau weiß“, was er damals im Bierzelt gesagt hat. „Räumen Sie die Beleidigungen ein?“, fragt ihn sein Anwalt streng. Der Angeklagte überlegt kurz. „Hm“, sagt er, dann folgt ein gedehntes „Ja“. Dann sagt er noch, dass er nicht wisse, warum er den Bierkrug nach dem Mann geworfen hat. „Das ist halt passiert. Das war wahrscheinlich ein Reflex.“
Der Staatsanwalt, der nach eigenen Worten bei dem 77-Jährigen „wenig Schuldeinsicht und Reue“ spürt, plädiert für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Außerdem soll nach seinem Willen der Angeklagte, der zusammen mit seiner Frau 830 Euro Rente bezieht, 1000 Euro an sein Opfer zahlen. Der Verteidiger hält ein Jahr auf Bewährung für ausreichend.
Das Gericht verurteilt den bislang unbescholtenen 77-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einem Jahr mit Bewährung. Außerdem muss er 1000 Euro an einen gemeinnützigen Verein überweisen. Eine Zahlung an das Opfer des Angriffs hält das Gericht für nicht nötig, weil der 39-Jährige nach Angaben des Verteidigers bis heute keine Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht hat. Das Urteil ist rechtskräftig.