„Man sieht nicht mit den Augen, sondern mit dem Hirn“. Eine Aussage aus dem Mund der Künstlerin, mit der der Kunstverein Würzburg die Saison auf dem Kunstschiff Arte Noah eröffnet. Unter dem Titel „Schein“ zeigt die 1962 in Brisbane, Australien, geborene und jetzt in Teltow bei Berlin lebende und arbeitende Sue Hayward ihre außergewöhnlichen Bilder.
Aufwendige Technik auf Gaze
Es sind Porträts von Verwandten, Bekannten, Freunden ihrer Kinder, die sie in aufwendiger Technik auf dünne Gaze – ein fast durchsichtiges Gewebe – hingezaubert hat. Der Künstlerin reicht es nämlich nicht aus, eine äußere Erscheinung zu zeigen und damit eine Persönlichkeit scheinbar einzufangen. Sie möchte innere Zustände erfassen und im Gegensatz zur Fotografie, die nur den Bruchteil einer Sekunde festhält, weitere Wesenszüge sichtbar werden lassen – auch wenn diese nur scheinbar vorhanden sind. So wirken ihre Arbeiten wie verwunschen, verzaubert.
Um das zu erreichen, verwendet Sue Hayword, die sich mit Quantenphysik beschäftigt, eine zweite, bemalte Fläche, sozusagen eine Rückseite aus Holz. Bis beispielsweise die in der Ausstellung gezeigte Frau mit rötlichen Haaren und blassem, beinahe weißem Teint, niedergeschlagenen Augen und dem hell melierten Pullover in der Endfassung an der Wand des Kunstschiffs hängt, war unendliche Geduld erforderlich. Die gezeigte Frau scheint entrückt, schwebt möglicherweise zwischen Realität und Traum – zwischen zwei Ebenen des Bildes. Die beiden Ebenen aufeinander abzustimmen, ist ein langwieriger Prozess, an dessen Ende die Bilder eine Dreidimensionalität bekommen, die sie aus der Gattung Malerei heraushebt und in Richtung Skulptur schiebt.
Arbeit ohne Pinsel
Außerdem verändert sich, je nach Lichteinfall und Standpunkt des Betrachters, das Objekt – oder vielleicht doch nicht? Die Künstlerin arbeitet ohne Pinsel. In vielen Schichten trägt sie die Farben auf, verwendet Bienenwachs, Farbpigmente und Föhn, kratzt, schabt, reduziert. Manchen ihrer Porträts wachsen Blumen aus dem Kopf, ein Menschenkopf hat dort einen Vogel sitzen – Bildnisse mit Attributen, Allegorien gleich. Diese und all die anderen sind verführerische, zauberhafte Bilder voller Poesie, in denen Dimensionen verschwinden und das Rätsel zwischen Schein und Sein geradezu Schabernack mit dem Betrachter treibt.