Im Wappensaal des Rathauses, wo die Ausschüsse des Stadtrates tagen, küssen sich in der Wand über der Tür zwei in Gips gegossene Frauen. Die Liebenden in den luftigen Kleidern sind Göttinnen, sie heißen Justitia und Pax - Gerechtigkeit und Frieden.
In diesem Saal wird Oberbürgermeister Christian Schuchardt am 28. Juni den Würzburger Street Day (WSD) eröffnen, zum 50. Jahrestag des Christopher Street Day (CSD). Der WSD ist das zweitägige Politfest der Lesben, Schwulen, A-, Bi-, Inter- und Transsexuellen. Die Gemeinschaft beschreibt sich mit dem englischen Wort "queer", was übersetzt "seltsam, sonderbar" heißt. Ursprünglich war das Wort als Schimpf gemeint, ähnlich wie das Wort "schwul". Höhepunkt soll eine Parade am Samstag, 29. Juni sein.
Schwule wehrten sich gegen Polizeigewalt
Der CSD hat seinen Namen von einem Aufstand in der New Yorker Christopher Street. Dort, im Stonewall Inn, einem Schwulentreff, eskalierte in den Morgenstunden des 28. Juni 1969 eine Polizeirazzia im Schwulentreff Stonewall Inn. Zum ersten Mal reagierten homosexuelle Frauen und Männer mit Gewalt auf Polizeigewalt. Die Bundeszentrale für Politische Bildung beschreibt die Revolte als Auftakt einer der größten Emanzipationsbewegungen - nicht nur in den USA.
Der Jahrestag wird vor allem in den deutschsprachigen Ländern als CSD gefeiert. In den meisten Ländern heißt er "Gay Pride", wörtlich übersetzt: Stolz der Schwulen. Die WSD-Veranstalter haben den Stolz in ihren Vereinsnamen übernommen: "Queer Pride" heißt er.
Forderung nach völliger rechtlicher Gleichstellung
Der Verein will, so schreibt er auf seiner Webseite, "Einfluss nehmen auf das kulturelle und gesellschaftliche Leben". Sein Ziel: Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber der queeren Gemeinschaft (Community) zu beenden und ihre "volle rechtliche Gleichstellung (…) in allen Bereichen des Lebens (…) zu erreichen."
In die Öffentlichkeit gegangen ist der Verein mit einer Matinee im Central, mit dem Film "Stonewall", in dem der Regisseur Roland Emmerich die Vorgeschichte des Aufstandes zeigt: das Leben und Lieben in der Illegalität, mit Drogen und Prostitution, den Machenschaften und Geschäften von Mafia und Polizei ausgeliefert.
Feiertage beginnen mit Party im Labyrinth
Heino Gövert von Queer Pride sagte dazu, der WSD sei Anlass, der Opfer der Verfolgung queerer Menschen zu gedenken und jenen zu danken, die "beharrlich und ausdauernd für Toleranz, Gleichberechtigung und rechtliche Gleichstellung gekämpft und viel erreicht haben". Er erinnerte daran, dass der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch, nach dem gleichgeschlechtliche Liebe verfolgt und bestraft wurde, 1969 und 1973 entschärft wurde, aber erst 1994 gänzlich abgeschafft wurde. Die "ganz wichtige" Entkriminalisierung der Homosexualität, sagte er, "ist erst 25 Jahre her".
Der Verein wolle dazu beitragen, "die Situation in den Ländern zu ändern, für die Menschenwürde keinen Wert hat". Und auch in Deutschland sei "heute wichtiger denn je, sich jenen zu widersetzen, die Diskriminierung wieder ermöglichen wollen".
Am Samstag, 27. April, feiert feiert der Verein eine "Warm-up Dance Party" im Labyrinth. Aus dem Erlös soll der WSD finanziert werden.