Die Lehrbeauftragten an den bayerischen Musikhochschulen sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Der Grund: Die Hochschulen fordern auf Drängen des Freistaats nun eine schriftliche Bestätigung ein, dass der Lehrauftrag – wie es das Gesetz fordert – tatsächlich nur eine Nebentätigkeit ist.
Viele Hochschulen haben aber seit Jahren diese gesetzliche Beschränkung nicht eingehalten und die – deutlich schlechter als festangestellte Dozenten bezahlten – Lehrbeauftragten in weit größerem Umfang beschäftigt. Eine Praxis, die das zuständige Wissenschaftsministerium zumindest geduldet hat.
Demonstration am Montag vor Münchner Staatskanzlei
Der Freistaat Bayern trage deshalb die Verantwortung für diese Praxis und die sozialen Folgen, beklagen die Lehrbeauftragten in einer Resolution. Auf einer Demonstration in München forderten sie deshalb am Montag unter anderem eine bessere soziale Absicherung, feste Anstellungsverhältnisse sowie angemessene Honorare.
Mit dabei auch eine Abordnung der Würzburger Hochschule für Musik. Etwa die Hälfte der regulären, vorgeschriebenen Fächer wird hier von rund 180 Lehrbeauftragten auf Honorarbasis abgedeckt.
Pianist und Dozent Rudolf Ramming: „Viele Arbeitsverhältnisse prekär“
Deutlich zu viel, klagt der bekannte Pianist Rudolf Ramming – er vertritt die Lehrbeauftragten als Mitglied im Senat der Würzburger Musikhochschule und macht sich für höhere Stundensätze und mehr Festanstellungen stark.
Ramming kennt das Haus seit 1976, zunächst als Student und seit langem als Dozent für Klavier und Kammermusik. „Die Situation ist immer schlechter geworden“, sagt er gegenüber der Redaktion. Viele Arbeitsverhältnisse seien prekär. Zwischen den Semestern seien die Dozenten drei Monate ohne Einkommen, sie haben keine soziale Absicherung für Alter und Krankheit. Das müssen sie vom geringen Honorar selbst bezahlen.
Akademiker schlagen sich mit Honorarverträgen durch
35 Euro brutto für die gehaltene Stunde erhalten Lehrbeauftragte derzeit an der Hochschule für Musik in Würzburg – sie dürfen aber maximal 10,75 Stunden pro Woche unterrichten. Darüber würde die Beschäftigung sozialversicherungspflichtig bzw. entstünde nach einer bestimmten Zeit ein Anspruch auf eine Daueranstellung.
Am Jahresende kommt ein Dozent laut Ramming auf maximal 12 500 Euro brutto und muss davon noch alle Versicherungen bestreiten. Dabei handelt es sich bei Lehrbeauftragten in der Regel um Akademiker mit abgeschlossenem Studium, nicht wenige schlagen sich auf diese Weise seit 20 Jahren an der Musikhochschule durch. Nach einem kürzlich erfolgten Erlass des Ministeriums werden selbst Prüfungen nicht mehr vergütet.
Auch Würzburger Hochschulleitung sieht Handlungsbedarf
Auch der neue Präsident der Würzburger Musikhochschule Prof. Christoph Wünsch sieht Handlungsbedarf, schon lange befinde man sich dazu in Gesprächen mit der Politik. Problematisch seien Lehraufträge für die Gruppe jener Dozenten, die mehr oder weniger ihren Lebensunterhalt davon bestreiten – in Würzburg geschätzt ein Drittel bis die Hälfte.
Gedacht waren Lehraufträge ursprünglich als Ergänzung zum normalen Lehrbetrieb mit festangestellten Kräften – zur Aushilfe, oder um bestimmte Expertisen und Themen abzudecken. Zum Beispiel: weniger nachgefragte Instrumente, die auch nach Ansicht Rammings kaum eigene Professuren rechtfertigen.
Ziel: Nur noch ein Drittel des Lehrbetriebs über Lehraufträge
Eine Nebentätigkeit sollten die Lehraufträge sein, nicht aber das zentrale Standbein einer ganzen Hochschule. Deshalb sollte mit der Demonstration und dem Streik Druck auf das Ministerium ausgeübt werden, das sich laut Ramming – selbst mit einer hauptamtlichen Stelle im Mittelbau – bis dato kaum bewegt habe.
In München wisse man um die Grauzone. Letztlich seien die Lehraufträge ein Sparmodell, um den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten. Ziel für die Würzburger Hochschule für Musik: Dass maximal nur noch ein Drittel des Unterrichts von Lehrbeauftragten geleistet und der Stundensatz so angehoben wird, „dass sich die Kollegen die Sozialabgaben auch leisten können.“
Hochschulpräsident Wünsch setzt auf mehr feste Stellen
Hochschulpräsident Wünsch setzt auf mehr feste Stellen im Mittelbau, „um prekäre Verhältnisse zu beenden.“ Dazu müsse sich die Politik durchringen.
Das Ministerium gibt sich auf Nachfrage dieser Redaktion zugeknöpft: Die Höhe der Vergütung sei Sache der Hochschulen, das Ministerium bei der Durchsetzung des Nebentätigkeitscharakters „an die Vorgabe des Gesetzgebers gebunden“. Eine Verbesserung der Situation könne nur Ergebnis künftiger Haushaltsverhandlungen sein. Man habe den Etat aber bereits erhöht.
Auch Würzburger Landtagsabgeordnete fordern Verbesserungen
Bei einem Anteil der Lehrbeauftragten von gut der Hälfte am Lehrbetrieb könne längst nicht mehr von einem ergänzenden Angebot die Rede sein, schimpft dagegen der Würzburger SPD-MdL Georg Rosenthal: „Hier spart der Freistaat auf dem Rücken der Betroffenen.“
Rechtlich beschäftigten zwar die einzelnen Hochschulen die Lehrbeauftragten – allerdings mit Geld, das zu hundert Prozent vom Freistaat kommt. Die Staatsregierung sei deshalb in der Pflicht „die prekären Arbeitsverhältnisse in diesem Bereich endlich zu beenden.“
Mehr Geld für die Musikhochschulen?
Langfristig müsse die Quote der Lehrbeauftragten auf zumindest 25 Prozent reduziert werden, findet auch der Würzburger CSU-MdL Oliver Jörg. Dafür sei es nötig, einen Teil der Lehrbeauftragten in ordentliche feste Stellen zu überführen.
Kurzfristig verlangt Jörg zudem „mehr Geld im System“, um die Vergütung an den Musikhochschulen verbessern zu können: „Die Lehrbeauftragten müssen ordentlich bezahlt werden können.“
Streiks an den Hochschulen München und Erlangen-Nürnberg
Die Initiative zur Demonstration am Montag ging von der Münchner Musikhochschule aus. Dort, wie auch an der Uni Erlangen-Nürnberg, wollen die Lehrbeauftragten sogar für zwei Wochen streiken. So weit will man in Würzburg nicht gehen. Noch nicht. Sollte keine Bewegung in die Sache kommen, sind aber auch hier Arbeitsniederlegungen nicht ausgeschlossen.
Einen prominenten Unterstützer haben die Demonstranten am Montag im Bayerischen Musikrat und dessen Präsident Thomas Goppel gefunden. Er wird in einer Mitteilung mit den Worten zitiert: „Das ist entwürdigend. Wir sprechen hier von hochqualifiziertem Personal, das in beiderseitigem Einvernehmen Lehraufträge übernommen hat und jetzt die Verantwortung übernehmen soll für die Überschreitung einer Regelung, die dringend der Überarbeitung bedarf.“ Auch die Deutsche Orchester-Vereinigung steht an der Seite der Lehrbeauftragten.