Er ist Lehrer und nicht gewohnt, dass man ihm widerspricht. Sie nennt ihn einen selbstmitleidigen pathetischen Jammerlappen. "Arthur und Claire" sind die Protagonisten in der gleichnamigen Tragikomödie, die im KuZu Kellertheater des Chambinzky eine vom Publikum enthusiastisch beklatschte Premiere feierten.
Beide haben sich in einem Hotel in Amsterdam eingemietet. Claire mit Messer, Strick und Schlaftabletten, Arthur mit einer Schreibmaschine, in die er Abschiedsbriefe an seine Kinder hämmert. Beide wollen ihrem Leben ein selbstbestimmtes Ende setzen, Claire durch Selbstmord nach einem traumatischen Erlebnis in der Familie, der lungenkrebskranke Arthur in einer Todesklinik, in der sich der Sportlehrer und Nichtraucher für den nächsten Tag angemeldet hat. Alles ist friedlich, er ist mit sich im Reinen, bis plötzlich überlauter Rock aus dem Nachbarzimmer seine Ruhe stört.
So treffen die beiden Selbstmordkanditaten aufeinander. Doch der Autor dieser Tragikomödie müsste nicht Stefan Vögel heißen, wenn er dieses ernste, zur Zeit hochaktuell diskutierte Thema nicht mit leichten Momenten voller Klugheit garniert hätte. So wechseln sich hochdramatische Dialoge ab, die schmerzhafte Lebensereignisse und daraus folgende Konsequenzen aufzeichnen, mit solchen voller Lebensfreude und Lebenslust, witzig-klugen Passagen und ernsthaften Diskussionen.
Außer dieser gelungenen Textvorlage machen eine sichere Personenführung (Regie: Kai Christian Moritz), ein zeitgemäßes Bühnenbild samt spannend gestaltetem Einsatz von Videos und zwei grandiose Darsteller den Abend zu einem berührenden Erlebnis mit Tiefgang.
Vor dem Sterben kommt der Genuss
Doch vor dem Sterben kommt noch einmal der Genuss. Arthur, der seinen Sterbetermin extra in die Ferien gelegt hat, will Claire unter allen Umständen von ihrem Selbstmord abbringen. Er lässt sich auf einen gemeinsamen letzten Abend ein, der in einer wunderbaren Nacht endet. Nun ist es an Claire, Arthurs selbstgewählten Todeszeitpunkt zu verhindern.
Es vergeht keine Minute, in der man den Darstellern ihre Befindlichkeiten nicht abnimmt, so sehr sind sie eins mit ihren Rollen. Charlotte Pensel kann schreien, toben, sich verzweifelt winden. Und wird ganz weich, wenn sie von ihrer Heimatstadt Amsterdam spricht, die nicht nur Sterbekliniken zu bieten hat. Ihre Mimik, beispielsweise wenn sie Arthurs Brief an seinen Sohn liest, spricht Bände, ihr mühsamer Kampf um noch ein bisschen gemeinsames Leben geht zu Herzen.
Auch Thorsten Rock hat eine breite Palette an Darstellungskunst vorzuweisen. Lachsalven erntet er, wenn er sich im Stolz über seine Männlichkeit besonders lächerlich macht. Doch er kann auch beleidigen, trösten, poltern, schwärmen. Und seine gar nicht so banale, von Fehlern begleitete Geschichte zögerlich, aber glaubhaft erzählen.
Dass die Regie auf kleine Details achtet und der Handlung immer wieder Zeit lässt, sich zu entwickeln, rundet dieses bis ins Detail geglückte Theaterstück ab.