Der Kontrast könnte nicht stärker sein: Weiße Dünen so weit das Auge reicht, der blaue Himmel steht über dem Horizont und inmitten der weißen Sandmassen räkelt sich eine zierliche Frau. Um sie herum liegen Granatäpfel und ein zerstörtes Fahrrad, sie trägt ein rotes Kleid, hat sich ihre Haare pastellblau gefärbt – es wirkt alles wie in einer surrealen Traumwelt.
Die Frau in dem Video ist keine Unbekannte, es handelt sich um die weltbekannte Künstlerin Lady Gaga. Der Popstar unternimmt regelmäßig große Anstrengungen, um seine Musikvideos originell zu gestalten und hat nun mit der Veröffentlichung von "911" die Messlatte erneut höher gelegt. Es sollte sich alles um Fantasie drehen, sagt sie, und Gaga wählte keinen geringeren, als einen Estenfelder Designer aus, um maßgeblich dazu beizutragen. Denn auch die Kleidungsstücke spiegeln diese Idee durch eine Reihe von Sonderanfertigungen wider. Zwei der Kleider stammen von Johannes Warnke.
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In Würzburger Kirche Inspiration gefunden
Ein Rückblick: Johannes Warnke steht im Sommer im Garten seiner Eltern in Estenfeld. Seit fünf Jahren lebt der 26-Jährige bereits in der Modemetropole London, hat dort Fashiondesign studiert. Doch wegen Corona musste auch er nach Hause zurückkehren, um seine Abschlussarbeit fertigzustellen.
Das Modebewusstsein sieht man ihm an, mit einem schwarzen Hemd mit goldenen Details und kurz geschorenen Haaren steht er dort und färbt die Stoffe für seine letzte Kollektion als Student. Für "Windows of Perception", auf Deutsch "Fenster der Wahrnehmung", fand Warnke in modernistischen Kirchen Deutschlands, unter anderem in der St. Alfons Kirche im Frauenland, Inspiration. "Der Kontrast zwischen kühlem Beton und weichem Licht aus Buntglasfenstern hat die Kollektion maßgeblich beeinflusst", erzählt der Jungdesigner. Dabei sollte die Kollektion einen spirituellen und sakralen Charakter mit Traum-ähnlichen Einflüssen bekommen.
Dies sei wohl auch der Grund gewesen, weshalb die Stylistin von Lady Gaga vor wenigen Wochen über das soziale Netzwerk Instagram auf den Nachwuchs-Designer aufmerksam geworden ist. "Dieser Kurzfilm ist sehr persönlich für mich, meine Erfahrung mit psychischer Gesundheit und die Art und Weise, wie Realität und Träume miteinander verbunden werden können, um Helden in uns und um uns herum zu bilden", schreibt die Künstlerin auf Instagram über das Video, in dem Warnkes Kleider zu sehen sind. "Hinter all dem Surrealismus steckt also eine Botschaft", sagt Warnke, "genau wie bei mir." Das Thematisieren der mentalen Gesundheit habe gut zum Kollektionsthema des Designers gepasst.
Johannes Warnke im Lady Gaga Museum in Las Vegas
"Ich konnte es zunächst natürlich nicht glauben. Ich war geschockt", beschreibt er den Moment, als er die Nachricht der Stylistin in seinem Postfach las. "Es war sehr früh am Morgen und das hat mich direkt aus dem Bett geworfen." Doch schnell überkam ihn die Motivation und er machte sich an die Arbeit. "Ein bereits bestehendes Kleid aus meiner Kollektion musste ich verlängern und ich habe die im Kleid vernähte Metallstruktur abgeändert", erzählt er.
Ein weiteres Kleid, welches im Kurzfilm zu sehen ist, hat er extra neu für die Sängerin entworfen. "Das landet wohl nun auch im Lady Gaga Museum in Las Vegas", sagt er trocken. Von Übermut nichts zu bemerken. Trotz des Erfolges ist er auf dem Boden geblieben. Kurze Zeit später fand auch schon das Shooting mitten in der Wüste Los Angeles statt. Doch dabei sein konnte Warnke nicht, die Pandemie machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
Das sei zwar schade gewesen, aber nicht weiter schlimm, macht Warnke deutlich. Schließlich gehe es hier um die Mode und dass die große Lady Gaga in seinen Kleidern zu sehen ist. Sogar die "Vogue", das berühmteste Modemagazin der Welt, berichtete über seine Kleider.
Schon seit den Kindertagen entwirft er Mode. An einen Moment kann er sich noch ganz genau erinnern: "Ich war so etwa drei Jahre alt und bin mit meiner Mutter am Wöhrl in Würzburg vorbei gelaufen. Dort habe ich das Schaufenster gesehen und wusste, dass ich auch irgendwann einmal Kleider entwerfen möchte."Als Jugendlicher gründete er dann sein eigenes Label "Jot", zeichnete und nähte dafür Kleider. Bis er sich nach dem Abitur dazu entschlossen hat, seinen Traum wahr werden zu lassen, nach London zu ziehen, um dort Modedesign zu studieren.
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"Jot" gibt es nun nicht mehr, doch mit "Johannes Warnke" macht sich der Designer ab sofort weltweit einen Namen. Denn Lady Gaga wird höchstwahrscheinlich nicht die einzige weltbekannte Künstlerin sein, die in den Kleidern Warnkes zu sehen ist, verrät er. "Mehr darf ich aber noch nicht preisgeben", sagt der Estenfelder und schmunzelt. Es bleibt also spannend.