Wer in Corona-Zeiten eine Gaststätte betritt, muss seine Kontaktdaten hinterlassen. Eigentlich sind die Daten, die der Wirt nach einem Monat vernichten muss, lediglich zur Verfolgung von Infektionsketten im Zuge der Corona-Pandemie gedacht. In mindestens zehn Fällen hat jedoch die Polizei im Freistaat für Ermittlungen auf Gästedaten zurückgegriffen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bei den zehn bayerischen Polizeipräsidien sowie dem Landeskriminalamt.
Bislang keine Fälle in Unterfranken
Am häufigsten – drei Mal – hat demnach die Polizei in München Gästedaten genutzt. In Unterfranken hat die Polizei dagegen bislang nicht auf die Daten zugegriffen, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums auf Nachfrage betont. Grundsätzlich sei das auch nicht vorgesehen. An die Polizei sei auch "nicht kommuniziert worden, dass das möglich ist".
Überrascht von der Nutzung der Gästedaten durch bayerische Ermittler, gibt sich Michael Schwägerl, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Unterfranken. "Normalerweise ist das sicherlich nicht möglich", erklärte er. Es gebe "ganz klare Datenschutzrichtlinien" und die Listen sind seiner Meinung nach auch "nicht dafür gedacht".
Zweckänderung der Datenerhebung ist möglich
Beim bayerischen Innenministerium klingt das etwas anders. Zwar gelte für die Nutzung personenbezogener Daten "im Grundsatz das Gebot der Zweckbindung"; in diesem Fall: "Infektionsketten nachvollziehen zu können". Eine Zweckänderung sei aber zulässig. Entsprechende Rechtsgrundlagen gebe es "sowohl für die Strafverfolgung als auch die Gefahrenabwehr".
Dennoch spricht das Ministerium von Ausnahmen. So sei es in den bisherigen Fällen um schwerwiegende Straftaten gegangen. Das hatten bereits die Polizeipräsidien gegenüber der dpa betont. Demnach nutzten etwa in Ober- und Mittelfranken Polizisten Kontaktdaten von Gästen jeweils zur Aufklärung von versuchten Tötungsdelikten. Bei anderen Fällen handelte es sich unter anderem um eine Vermisstensuche und ein mutmaßliches Rauschgiftdelikt.
Kritik vom Landesdatenschutzbeauftragten
Unterdessen kritisierte der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri die rechtliche Grundlage zur Nutzung der Kontaktdaten. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk hatte er eine bundesweit einheitliche Lösung angemahnt. Auch die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Katharina Schulze, monierte: "Die Verordnung sagt: Die Daten dürfen nur an die Gesundheitsbehörden weitergegeben werden. Und das Strafgesetz sagt: Bei einem besonders schweren Fall darf auch die Polizei auf diese Daten zugreifen." Nur durch ein Begleitgesetz könne Klarheit erreicht werden. Kritik kam auch von der FDP.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) weist die Vorwürfe zurück: "Die Polizei geht in einem Wirtshaus einem Mordversuch nach und sucht Zeugen. Nach Auffassung von FDP und Grünen sollte sie den Täter lieber laufen lassen" anstatt mithilfe von Gästedaten Täter oder Zeugen zu finden.
Laut Innenministerium sind Polizeibeamte gehalten, sich frühzeitig mit der Staatsanwaltschaft abzustimmen und die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Dass sie mit den Gästelisten auf sensible Daten zurückgreifen, scheint den Ermittlern klar zu sein. So gab etwa ein Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern zu Bedenken, ein zu laxer Umgang mit den Kontaktdaten berge die Gefahr, dass Gäste ihre Daten nicht mehr angeben möchten und so der eigentliche Zweck, die Verfolgung von Infektionsketten, gefährdet werde.
Werden die Listen kontrolliert?
Ob indes die Gastronomen die Daten überhaupt konsequent erfassen, ist fraglich. Die Erfahrung zeigt: Nicht überall werden sie eingefordert. Entsprechende Überprüfungen durch die Polizei finden laut dem Präsidium in Unterfranken nicht statt. Zuständig seien die Gesundheitsämter der Landkreise. Aber: Die Kontrolle der Listen sei in den Verordnungen nicht vorgesehen, so das Landratsamt Würzburg. Den Verwaltungsbehörden der Landkreise und kreisfreien Städten sei es auch gar nicht möglich, dauerhaft die Einhaltung zu überprüfen. Kontrolliert werde deshalb nur, wenn es einen Anlass gebe. Sprecher der Städte Würzburg und Schweinfurt bestätigen das: Kontrollen gebe es nur bei einem entsprechenden Verdacht. Bisher seien keine Fälle bekannt.
Wer sich ordentlich verhält muss keine Angst haben, um alle anderen soll sich der Rechtsstaat kümmern.
Wenn dadurch Kriminelle und Extremisten überwacht oder beobachtet werden dann ist das völlig in Ordnung.
Dass hingegen eine Überprüfung, ob Gästelisten überhaupt und auch korrekt geführt werden, in der Verordnung nicht einmal vorgesehen ist, ist das eigentlich Skandalöse.
Würden Sie damit, verehrter Herr Herrmann, nicht "Spreader lieber laufen lassen, anstatt mithilfe von Gästedaten Infizierte oder Kontaktperonen zu finden...?"
Führt dazu, dass keiner mehr seine echten Daten in Restaurants angibt sondern erfundene Daten und das komplette System wird wirkungslos.
Sollte man sich mal im Hinterkopf behalten für die Internetüberungwachungdebatte/-wünsche von Herrn Seehofer.
Grundsätzlich kann ich die Regelungen wg. Corona nachvollziehen. Wenn jetzt aber Daten zweckentfremdet werden ist das eine Dummheit und Sauerei. Lt. des Artikels dienten sie zur Aufklärung von Schwerverbrechen - das ist erst einmal nichts schlechtes.
Das verwerfliche an der ganzen Sache ist, dass die verantwortlichen Vertreter des Staates keinen*******in der Hose hatten das im Vorfeld OFFEN zu kommunizieren! Warum nicht? - jetzt stehen sie wieder da wie die "letzten Deppen" und versuchen sich zu rechtfertigen.
Muss man sich tatsächlich wundern wenn das Vertrauen in den Staat und seine Vertreter bei manchen Teilen der Bevölkerung abhanden kommt? - mit all seinen negativen Folgen.
Am meisten könnten einen die Wirte leid tun die sich kaum wehren können... sicher verzichten jetzt einige auf einen Besuch eines Restaurants...
Nicht dass der ganze Aufwand am Ende völliger Unfug ist?