Thematisch breit gefächert verlief die Podiumsdiskussion jüngst im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus von Bildungs- und Integrationspolitik über Demokratie bis hin zu Brexit und Trump. Kontrovers diskutierten drei Politiker und eine Politikwissenschaftlerin über „Werte und Politik. Sinn und Unsinn von Leitlinien in den Parteien.“ Ein Thema, das hinsichtlich der Zuwanderung und der hitzigen Diskussionen um den Begriff Leitkultur so hochaktuell wie umstritten ist.
Die Politik- und Sozialwissenschaftlerin Dr. Karin Schnebel gab zu Beginn in einem Impulsvortrag einen Überblick über Umfang und Komplexität der Thematik. Sie betonte, wie wichtig eine gemeinsame Wertebasis für eine Demokratie sei und dass sich die gesamte Gesellschaft damit identifiziere. Dass diese Identifikation fehle, beobachte sie an dem Erfolg populistischer Parteien und dem Rückzug vieler Menschen in kleine Wertegemeinschaften. Der Politik sprach die Professorin dabei die Aufgabe zu, eine einheitliche politische Wertegemeinschaft zu fördern. Das Thema Bildung nannte Schnebel hier als Schlüsselbegriff.
Orientierung für Zuwanderer
Im Anschluss hatten die drei Politiker Gelegenheit sich und ihre Positionen vorzustellen. Für die CSU sprach die Unternehmensberaterin und stellvertretende Vorsitzende des CSU Kreisverbandes Kitzingen, Barbara Becker. Sie hob die Bedeutung von gesellschaftlich etablierten, aber nicht niedergeschriebenen Konventionen des Zusammenlebens hervor, die eine Wertegemeinschaft erst ausmache. Zuwanderer sollten sich diese neben den bestehenden Gesetzen als Orientierung nehmen.
Als etwas Wandelbares betrachtet Landtagsabgeordnete der Grünen Verena Osgyan Werte in der Politik, die in Diskussionen immer wieder neu ausgekämpft werden müssten. Aus diesen Diskussionen ergebe sich dann ein gemeinsamer Wertekanon, der in einem Grundsatzprogramm niedergeschrieben wird.
Ungenau definierte Leitkultur
Als Beispiel nannte sie ihre eigene Partei, die besonders durch die Atom- und Bürgerrechtsbewegung und deren umfangreiche Diskussionen geprägt ist. Der Begriff Leitkultur, der hinsichtlich der Integrationsdiskussion zum Politikum wurde, sei zu ungenau definiert. Als prominentes Beispiel hierfür nennt sie die „Ehe für alle“, die nun im Bundestag beschlossen wurde. Sie stellte die kontroverse Frage, ob diese denn nun zur Leitkultur gehöre? Ihres Empfindens nach schon.
Diese Meinung seiner Vorrednerin teilt Georg Rosenthal, ehemaliger Würzburger Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneter der SPD. Er sieht den Wandel, dem eine Gesellschaft unterliegt, in den Änderungen und der Anpassung von Gesetzen abgebildet, während die Grundlinien erhalten bleiben. Für eine Diskussion über Werte und Leitbilder in der Politik sei es seiner Ansicht nach höchste Zeit, da die Politik der gesellschaftlichen Entwicklung in diesem Punkt lange hinterherhinkt. So monierte er, dass Deutschland schon lange ein aufnehmendes Land sei, dies aber von der Politik lange ignoriert wurde.
Auch Rosenthal nennt ein Beispiel für den Wandel von Wert- und Normvorstellungen, dem eine Gesellschaft unterliegt: die Konfessionsschule, die damals als unverrückbar galt und heute nicht mehr Pflicht ist. Gemeinsame Werte in einer Gesellschaft betrachtet er als eminent wichtig, sieht das Grundgesetz und die bayerische Verfassung aber hierfür als ausreichende gesellschaftliche Grundlage.
Erfolgreiche Populisten
Nachdem alle Beteiligten ihre Positionen darstellen konnten, begann die gemeinsame Diskussion. Main-Post-Redakteur Michael Czygan moderierte und leitete mit der Frage ein, wie gefestigt die Demokratie und das westliche Wertesystem nach Brexit und dem Erfolgs Trumps noch sei. Hierbei teilten sich die Meinungen. Während die drei Politiker deren Stabilität optimistisch betrachten und gerade aus diesen Ereignissen ein Aufleben der Demokratie und derer Werte zu verspüren, sieht Expertin Schnebel die Lage kritischer. Aus den Erfolgen populistischer Parteien bei Wahlen liest sie eine starke Verunsicherung in der Bevölkerung ab. Des Weiteren wähnt sie in Meinungsumfragen, die belegen, dass die Bevölkerung sich nach einer starken Führung sehnt, Bedrohungen für die Demokratie.
Bei Bildung nicht sparen
Konsens herrscht unter den Diskussionsteilnehmern in dem Punkt, dass für Bildung mehr Geld ausgegeben werden müsse. An Bildung und Erziehung des Nachwuchses dürfe nicht gespart werden, um in der Schule und der Ausbildung die persönliche Reife und Entwicklung zu fördern. Abschließend ergriff das Publikum umfassend die Gelegenheit mitzudiskutieren, Fragen zu stellen und Anregungen einzubringen.